Wanne-Eickel. .
Die Cranger Kirmes ist für die Menschen aus der Region ein Höhepunkt des Jahres. Das Volksfest ist genau das: Ein Ort, an dem junge und ältere Kirmes-Verrückte feiern – wild oder gemütlich. Der Rummel ist eng mit dem Stadtteil verbunden.
Wie viele Stationen sind es denn bis zur Kirmes?“, fragt der junge Mann mit dem schwarzen T-Shirt und der Sonnenbrille im Bus kurz nach dem Bahnhof Wanne-Eickel. Der Wagen der Linie 368E ist voll. Und alle haben ein Ziel: „Cranger Kirmes“ – zeigen die Buchstaben der leuchtend gelben Fahrtziel-Anzeige an.
Vielleicht eine Minute später erübrigt sich seine Frage. Die Straße hört einfach auf – und geht nahtlos in eine Meile aus bunten Verkaufsständen über. Mitten zwischen den Häusern des Herner Stadtteils Crange beginnt das „größte Volksfest in NRW“, wie die Ruhrgebietskommune wirbt. Und es ist wirklich ein Volksfest. Die ganze Stadt, ja die Region scheint auf den Beinen zu sein. Während sich die Massen über die Vergnügungsmeile schieben, bleiben die Fenster der anliegenden Häuser leer, abends brennt dort kaum ein Licht. Ausnahme: Die Oma, die dem kleinen Enkelkind vom Fenster aus voller Stolz die belebte Straße zeigt.
Wer in die freudig erregte Menge der Kirmesbesucher eintaucht, der kann sich mitreißen lassen. Hier der Duft gebrannter Mandeln, dort die bunt blinkenden Reklamen für Süßigkeiten oder Getränke. Da ist sie, die Lust, selbst etwas zu erleben. An Achterbahn und Wildwasserbahn haben sich lange Warteschlangen gebildet. Die fünf Loopings der „Olympia-Looping“ fasziniert dann doch eher das junge Kirmes-Publikum.
So wie Nils (19), Tim (19), Michael (19) und Manuel (20) aus Castrop-Rauxel. Das Adrenalin scheint ihnen nach dem Höllenritt förmlich in den Haarspitzen zu stecken, trotzdem tun die jungen Männer ganz cool. „Das war supergeil“, sagt Michael. Die anderen stimmen grinsend zu. Einmal reicht dann aber doch – aus Kostengründen. „Eine Fahrt kostet 6,50 Euro“, erzählt Nils. „Das wird sonst zu teuer.“ Die Castroper kommen jedes Jahr für einen Tag zur Cranger Kirmes – danach ist das Budget ausgereizt. Die Kirmes ist aber einer der Höhepunkte in der Region, da sind sich die vier Jungs einig.
Viele Anwohner sind täglich dabei
Die ältere Generation bevorzugt eher die gemütliche Variante. Doris (60) und Bernd Hasler (64) genießen am Bierstand mit Freunden ein kühles Pils. Die Cranger Kirmes ist für die Wanne-Eickeler der Höhepunkt des Jahres. „Das ist für uns die fünfte Jahreszeit“, sagt Bernd Hasler. Was dem Rheinländer der Karneval, sei dem Westfalen die Cranger Kirmes. Seit vielen Jahren sind sie regelmäßig auf dem Rummel unterwegs. „Wir sind jeden Tag hier, treffen Freunde und haben unseren Spaß“, sagt Doris Hasler. Sie ist sich sicher: „99,9 Prozent sind mit der Kirmes einverstanden.“ Die (erfolglose) Klage eines Anwohners gegen die Vorverlegung des Kirmesbeginns um einen Tag kann sie nicht verstehen. Eine ältere Anwohnerin habe ihr das bestätigt. Und wenn es der alten Frau doch mal zu viel werde, dann fahre sie zu ihrer Tochter. „Wir leben mit der Kirmes“, sagt Doris Hasler.
Arno Ernst (51), der einen Hau-den-Lukas-Stand betreibt, freut sich über die Vorverlegung. „Man macht auf jeden Fall mehr Umsatz“, sagt er. Und prompt taucht ein junger Mann mit Tattoos auf den muskelbepackten Oberarmen auf. Ist er „Schlappschwanz“, „Beamter“ oder doch „Supermann“? Während die ersten beiden Schläge mit dem Holzhammer die Nadel in den mittleren Bereich katapultieren, ist der dritte ein Volltreffer: „Supermann!“ Die Kumpels jubeln, der junge Mann ist der Held. Für den Moment.
Bei Regen kaufen die Leute mehr Süßigkeiten
Noch bis 14. August
Die Cranger Kirmes hat noch bis zum 14. August täglich geöffnet – mindestens zwischen 14 und 24 Uhr. Samstags geht’s schon um 13 Uhr los, sonntags um 12 – freitags und samstags sogar bis 2 Uhr nachts. Apfelschorle gibt’s ab 1,50 Euro, die Halbliter-Maß für 8,20 Euro. Das Kinderkarussell schlägt mit 1,50 Euro zu Buche, die Achterbahn mit 6,50 Euro.
Während es langsam dunkel wird, lässt sich die Menge auch nicht von ein paar Regentropfen bremsen. Eine Handvoll Schirme gehen auf, viele lassen den Sommerregen-Schauer einfach über sich ergehen. Franz-Michael Müller an seinem Süßigkeiten-Stand kommt das sogar ganz recht. „Die Leute kaufen bei Regen mehr Süßigkeiten“, weiß er. Auch bei gutem Wetter fällt dagegen der Spruch an seiner Theke ins Auge: „Süßes macht nicht dick, es formt.“ Habe er in einem Rezeptbuch gefunden, erzählt Müller. „Fand ich netter als einen langweiligen Werbespruch.“
Genauso nahtlos, wie man in den Rummel hineingerät, geht’s wieder heraus. Gerade noch lockten die Kirmesstände unter der A42-Brücke, schon steht man wieder an der Haltestelle. Eine lange Reihe von Bussen wartet auf müde Kirmesgänger. Die Cranger haben es leichter: Sie können direkt von der Kirmesmeile ins heimische Bett fallen.