Herne. . Mit zwei Nachbarschaftstagen machte sich die neue forensiche Klinik in Bickern der Bevölkerung bekannt. Die Besucher blieben skeptisch.

Auch wenn das Areal der Forensik gut geschützt wirkt, haben sich die Zweifel an dieser Einrichtung in den Köpfen der Bürger festgesetzt. Am Samstag, 22. Januar, hatten sie die Möglichkeit, die Klinik zu besichtigen.

Karin Siegmund macht sich so ihre Gedanken. Von ihrem Zuhause ist es nicht weit bis zur Forensik, ein paar Minuten nur. Morgens ist sie immer zu Fuß unterwegs, dann läuft sie zum St.-Anna-Hospital, wo sie als Reinigungskraft arbeitet. Muss sie sich jetzt sorgen, wenn ihr in der Dunkelheit ein Fremder entgegenkommt? Könnte das ein Raubmörder sein oder ein Vergewaltiger, ein Flüchtling von der Wilhelmstraße?

Solche Gedanken sind es, die Karin Siegmund neuerdings durch den Kopf gehen, wahrscheinlich werden die Sorgen größer, je näher der Einzug der Patienten rückt. Auch ihr Mann ist nachdenklich. Das Paar steht vor der Ausgangsschleuse, gerade haben sie die Fachklinik besichtigt – zumindest die Komplexe, die zugänglich waren während der „Nachbarschaftstage“ an diesem Wochenende. „Ob ich glaube, dass das Gelände sicher ist? Gute Frage“, sagt Wolfgang Siegmund. „Es sieht sicher aus. Aber man kann’s nie ganz ausschließen, dass nicht doch mal ein Freigänger abhaut.“

Sicherheit beschäftigt alle

Sicherheit, das ist das Thema, das alle beschäftigt. Da können die Verantwortlichen noch so gebetsmühlenartig erklären, es komme niemand raus, der nicht raus dürfe – das Unbehagen ist nach wie vor deutlich zu spüren.

Das Areal wirkt immerhin gut geschützt. Und jungfräulich; Räume, Nasszellen, alles ist noch unbenutzt und riecht nach „neu“. Die Besucher stapfen paar- und grüppchenweise durch Flure und Zimmer, überall stehen LWL-Mitarbeiter parat; Aufklärung beugt Angst vor. In den Räumen, in denen die Patienten privat sein werden, kommt es zu Staus. Im „Kriseninterventionszimmer“ etwa, das „besonders reizarm und verletzungssicher“ eingerichtet ist, also nur mit Matratze, Toilette, Waschbecken. „Wenn zum Beispiel einer sagt: Ich möchte heute Nacht die Klinik anzünden, dann kommt er hierher“, erklärt ein Experte des Landschaftsverbands. Eine ältere Dame ist begeistert von der Gemeinschaftsküche. „Wie praktisch das hier ist, alles ist so nah beisammen“, sagt sie zu ihrem Begleiter. Und die Schränke hätten genau die richtige Höhe für sie, so eine Küche wolle sie auch haben. Nur die Gitterstäbe vor dem Fenster, die stören sie.

In den Köpfen spuken böse Gedanken

Ein paar Meter weiter den Flur runter sind die Wohnräume. Es gibt viele Zwei- und ein paar Ein-Bett-Zimmer. In einem Zweierraum hat sich eine Traube gebildet, die Besucher löchern den LWL-Mann mit Fragen. Wie der Bildungsstand der Straftäter sei? „Von intellektuell bis bemindert.“ Was sie getan hätten? „Von Tötungsdelikten bis zu Sexualstraftaten.“ Durchschnittliche Verweildauer in der Klinik? „Fünf bis sieben Jahre.“ Wieviele Mitarbeiter? „15 pro Station bei 20 Patienten.“ Ihre persönliche Meinung zu Kinderschändern? Der LWL-Mann muss nicht lange überlegen: „Das sind Arschlöcher. Ich bin selbst Familienvater. Aber man darf ihnen das nicht zeigen.“

Wer mit den Leuten spricht, spürt die ambivalente Haltung zu der Forensik mitten in Wanne: Gut, dass es sowas gibt. Aber warum hier? „Solch eine Einrichtung gehört irgendwo auf eine freie Fläche“, sagen Ralf Merten und Sandra Clausen, die nur fünf Minuten entfernt wohnen. So wie sie denken viele, noch immer. Auch Familie Paschen aus Unser Fritz. Vor ein paar Monaten erst haben sie ein Haus an der Alleestraße gebaut. In den Köpfen der Eltern Daniela und Reinhardt spuken jetzt böse Gedanken. Ob es wirklich unmöglich ist, die Betonmauer zu bezwingen, ob Gefahr droht für ihre Kinder? „Vielleicht haben wir zu viele Gefängnisfilme gesehen“, sagt Papa Paschen. Andererseits: „Freitag ist erst wieder einer aus dem Bochumer Knast ausgebrochen.“