400 gelbe Ballone, gefüllt mit Helium, sollen nächstes Jahr zu Pfingsten in 80 Metern Höhe über dem Ruhrgebiet schweben. Sie markieren die Orte, an denen einst Förderturme standen oder Schächte in die Erde führten.
Das Kulturhauptstadtprojekt „SchachtZeichen” will als städteübergreifende Installation diese Orte für zehn Tage markieren. In Herne sind die ersten Weichen gestellt. „Wir wollen nicht nur Ballone steigen lassen”, sagt die Kulturhauptstadtbeauftragte Regina Stieler-Hinz. „Deshalb sind wir glücklich, dass wir Ralf Piorr für die historische Aufarbeitung gewinnen konnten.”
Ralf Piorr (42) hat sich als Historiker und Publizist in Herne vielfach zu Wort gemeldet, u.a. mit Büchern zur Geschichte der Juden in der Stadt und zur Fußballgeschichte. Er selbst kam 1987 aus Niedersachsen ins Ruhrgebiet, da gab es den Bergbau schon nicht mehr. „Als ich von dem Projekt gehört habe, war ich zuerst skeptisch”, bekennt Piorr. „Für reine Nostalgie schien mir der Aufwand etwas zu groß.” Dennoch fuhr er die Herner und Wanne-Eickeler Schächte ab, versteckte wie die im Constantiner Wald und die wenigen mit sichtbaren Relikten wie Teutoburgia oder Pluto, Park gewordene wie die Zeche Königsgrube und Gewerbegebiete wie Friedrich der Große, und ihre Geschichte packte ihn.
51 Schächte hat Ralf Piorr gefunden. Eine gewaltige Zahl, wollte man tatsächlich jeden von ihnen mit einem Ballon ausstatten. Nicht allein deren Stückpreis von 5000 Euro muss muss aufgebracht werden. Auch gilt es, Bürger zu finden, die von der Idee anzustecken sind und bereit, sich zu engagieren. Denn wer schützt die an Seilen schwebenden Ballone mit einem Durchmesser von 3,70 Metern vor Vandalen? Wer lässt sie morgens auf und holt sie nachts herein, wenn nicht Ehrenamtliche aus der Nachbarschaft, aus Vereinen oder der Freiwilligen Feuerwehr? Und so rechnete Ralf Piorr die benachbarten Schächte großzügig als Doppelschächte zusammen, bis 20 Standorte übrig blieben.
Für diese Standorte erarbeitet er jetzt ein Programm, das vom 22. bis 30. Mai 2010 möglichst abwechslungsreich an die Geschichte des jeweiligen Ortes anknüpft. Während sich auf der einen Seite der Stadt mit dem SV Sodingen die Verbindung zum Bergbau herstellen lässt, hat die Künstlerzeche am anderen Ende die Kohle durch Kultur ersetzt. So bieten sich verschiedene Bezüge an. „Eine Hommage an den Bergbau” schwebt dem Historiker vor, „und zugleich ein Abschied von ihm”. Die Vergangenheit zu verklären, ist nicht seine Absicht, eher den „Brückenschlag zu schaffen” zwischen dem Gestern, dessen Zeugen bald ausgestorben sein werden, und dem Heute, das die geschlossenen Schachtanlagen längst überwuchert hat.
„Wir verordnen keine Kultur”, verspricht er denen, die mit den Schauplätzen noch etwas verbinden. Mit ihnen nimmt er zurzeit Kontakt auf. Ein paar Ideen haben sich dabei schon herausgebildet. Mit dem Heimathistoriker und Filmsammler Heinrich Lührig könnte sich Piorr ein Open-Air-Kino auf Pluto vorstellen, und „warum nicht eine Bergmannskapelle mit einer Rappergruppe zusammenbringen?” Es muss nicht immer das große Event sein.
Regina Stieler-Hinz muss er nicht überzeugen. Sie glaubt an das Projekt als eines, „das tief verwurzelt sein kann” in der Region, gerade weil es die Menschen mitnimmt. Ohne deren ehrenamtliche Unterstützung, so ist zu hören, ließe sich das Großprojekt auch kaum realisieren. Im Mai noch war von einer Finanzierungslücke von einer Mio Euro die Rede. Wer immer finanziell oder als freiwilliger Helfer aktiv werden will, ist zur Infoveranstaltung (siehe Kasten) eingeladen. Ebenfalls willkommen sind Firmen, die sich auf ehemaligen Zechenstandorten niedergelassen haben.