Die Herner SPD leckt ihre Wunden. Jungsozialisten wünschen sich mutige personelle Schnitte und eine Annäherung an die Linke

Bevor die hiesigen Sozialdemokraten eine schlechte Nacht zu überstehen hatten, hatten sie sich Sonntagabend noch in den Herner Flottmann-Hallen versammelt. In trauter Runde blieb ihnen nichts anderes übrig, als die historische Wahl-Schlappe ansatzweise zu verdauen. „Die Stimmung”, so berichten Teilnehmer, „war wirklich nicht rosig.”

Mit einem derart massiven Einbruch im Besonderen bei den Zweitstimmen hatte die SPD in der Emscherstadt nicht gerechnet – vor allem nicht nach dem respektablen Ergebnis bei der Kommunalwahl vor vier Wochen. Der Bund ist nicht Herne und Herne nicht der Bund. Vor Sonntag war ein Zweitstimmen-Ergebnis von 40,6 % trotzdem undenkbar.

„Diese Dimension kam für uns überraschend”, sagt der Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion, Frank Dudda. Am Tag eins nach dem Desaster richteten Dudda und die SPD den Blick nach vorn. „Die Partei muss sich neu aufstellen, personell wie inhaltlich”, fordert Dudda. Man werde mit Sicherheit nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Der Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion, der am Montagabend zur Wiederwahl antrat, konnte sich am Montag Mittag nicht vorstellen, dass Partei-Chef Franz Müntefering beim nahenden Parteitag der SPD in Dresden noch einmal für den Vorsitz kandidieren werde. „Es muss darum gehen, bis Dresden einen geordneten Übergang zu organisieren”, sagte Dudda.

Die Sozialdemokratie hat es augenscheinlich nicht geschafft, die Menschen zu erreichen. „Vor allem im Bereich der jungen Generation haben wir kräftig Nachholbedarf”, glaubt Dudda. Dass Frank-Walter Steinmeier die Rolle des SPD-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag übernehmen wolle, das „kann ich mir gut vorstellen”. An der Parteispitze aber müsse der Wunsch nach mehr Herz irgendwie abgebildet werden.

Für die junge Generation der Herner SPD nahm der Juso-Vorsitzende Jan Majchrzak Stellung: „Das Ergebnis ist eine echte Katastrophe. Aber es beinhaltet auch die Chance, einen neuen Weg zu gehen.” Die strikte Abgrenzung der Bundes-SPD zu den Linken sei „nicht gut” gewesen – „ein strategischer Fehler”, sagt Majchrzak. Er wünsche sich angesichts vieler programmatischer Überschneidungen eine Annäherung. Die SPD müsse einen Neuanfang wagen und politische Mehrheiten links der Mitte organisieren. „Wir müssen da den Marsch vorgeben.”

Insgesamt sprach sich der Chef der Jusos für mutige personelle Schnitte aus. Majchrzak würde es begrüßen, die Parteispitze mit frischen Männern und Frauen auch aus der zweiten Reihe zu bestücken. Die SPD von heute habe ein Glaubwürdigkeitsproblem, idealistische, junge Leute müssten wieder Begeisterung wecken. Den Parteichef der Herner SPD, Gerd Bollmann, nahmen die Jusos aber aus der Schusslinie: „An ihm hat es nicht gelegen.”

Für einen ersten Beitrag zur personellen Veränderung vor Ort konnte die Herner SPD bereits am Montag Abend sorgen. Die Kandidatinnen und Kandidaten für das Direktmandat bei der Landtagswahl im Mai 2010 sollten ihren Hut in den Ring werfen. Bisher hat Frank Sichau das Mandat in Düsseldorf inne. Dem Vernehmen nach ist denkbar, dass Sichau zur Wahl im Mai nicht mehr antritt.