Herne. Schreckliche Schmerzen beim Stillen oder Sorgen, ob die Milch reicht: Eine Klinik in Herne bietet verzweifelten Müttern ein besonderes Angebot.

Das Stillen des eigenen Babys scheint das Natürlichste der Welt zu sein. Doch dies gilt leider nicht für alle Frauen. Einige müssen kurz nach der Geburt merken, dass das Kind nicht so „natürlich“ an der Brust trinkt, es Probleme gibt. Einige Frauen haben solche Schmerzen, dass der ganze Tag von der Angst geprägt ist, wann es wieder so weit ist, wann das Baby wieder trinken möchte – und der Schmerz von vorne beginnt. Andere haben Sorge, ob die Milch reicht und sie alles richtig machen. Für diese verzweifelten Frauen bietet die Stillambulanz des Herner St. Anna Hospitals 24 Stunden am Tag Hilfe beim Stillen an. Mütter aus dem ganzen Ruhrgebiet nutzen das Angebot – und das kostenlos.

„Mütter, die zu uns kommen, sind richtig fertig“, sagt Stationsleitung Carina Waldau. Sie erinnert sich beispielsweise an eine Mutter, die von Beginn an zugefüttert habe und damit sehr unglücklich war. „Sie war total verunsichert, weil ihr gesagt wurde, dass ihr Kind sonst verhungere.“ Das Selbstwertgefühl habe bei vielen Frauen, die zu ihnen kämen, bereits sehr gelitten. „Das perfekte Bild, das man vom Muttersein hat, funktioniert nicht, und sie fragen sich: ,Warum klappt es bei mir nicht?‘ Die Mütter zweifeln an sich. Jede möchte das Beste für ihr Kind“, so Waldau weiter.

Das Stillen fördert eine besondere Bildung zwischen Mutter und Kind. Es kann aber auch Probleme verursachen.
Das Stillen fördert eine besondere Bildung zwischen Mutter und Kind. Es kann aber auch Probleme verursachen. © dpa-tmn | Christin Klose

Mütter seien heute rund um die Geburt besser informiert, beobachtet sie. Gleichzeitig wachse der Druck, den die Frauen verspürten – durch das direkte Umfeld, aber auch soziale Medien. Dort werde der Eindruck erweckt, als ob alles immer klappen müsse, dass Mutter sein völlig entspannt sei, man nebenbei noch den Haushalt schaffe und auch ganz schnell wieder arbeiten gehen könne. Dabei hätten viele Mütter Still-Probleme:

1. Zu wenig Milch. Sie habe schon verzweifelte Mütter bei sich gehabt, die dachten, sie hätten nicht genug Muttermilch für ihr Kind. Verwandte hätten gesagt, dass das Kind verhungere, wenn es nicht genug Milch bekomme und dass die Mutter dringend zufüttern müsse. Dabei habe der Blick auf die Waage vor und nach dem Stillen gezeigt, dass das Baby durchaus genug Milch getrunken hat. „Ausschlaggebend sind die Gewichtskontrollen“, sagt Ingrid Hanschuh, die bereits seit 24 Jahren ausgebildete Stillberaterin im St. Anna Hospital ist und somit von Beginn an dabei. Müttern, die zu wenig Milch hätten, empfiehlt sie, den Nachwuchs möglichst oft anzulegen, da so die Milchproduktion gesteigert werde. Dazu solle das Baby gerade in der Nacht ruhig auch geweckt werden. Wichtig sei zudem eine entspannte Stillumgebung. Eine falsche und verkrampfte Haltung könne zudem den Milchfluss behindern. „Häufig ist wichtig, dass Mütter die Bestätigung bekommen, dass sie es richtig machen“, so die Stillberaterin.

2. Die richtige Stillposition. Viele Stillprobleme seien auf eine falsche Stillposition zurückzuführen. Das Kind sollte mit seinem Bauch direkt an dem der Mutter liegen, der Körper des Babys sollte dabei gerade und nicht verdreht sein. Die Nase des Kindes sollte sich auf Höhe der Brustwarze befinden, nicht der Mund. Die Schultern der Mutter sollten nicht verkrampft sein. „Wichtig ist, dass die Mutter sich bewusst macht: Jetzt stille ich“, so Carina Walldau. Frauen sollten verschiedene Stillpositionen austesten und ein Stillkisten benutzen.

3. Wunde Brustwarzen. Viele Frauen haben beim Stillen zu Beginn unheimliche Schmerzen. „Die Brustwarzen kennen es nicht, dass ständig an ihnen gezogen wird“, so Hanschuh. Wunde Brustwarzen entstünden hingegen nur, wenn das Kind falsch an der Brust war. „Es gibt Mütter, die so starke Schmerzen haben, dass sie überlegen, abzustillen.“ Dabei gebe es Salben, auch die Muttermilch selbst helfe sehr gut. Und zur Not können vorübergehend Hütchen zum Schutz der angeschlagenen Brustwarze eingesetzt werden. Auf Dauer empfiehlt das die Stillberaterin aber nicht, da das Kind so anders saugen würde und es auch anstrengender für das Baby sei. Hat die Brustwarze nicht die gewünschte Form, könnten Hütchen in Einzelfällen aber auch längerfristig von Vorteil sein. Ansonsten sei zur Vermeidung wunder Brustwarzen das richtige Anlegen wichtig. „Oft ist das Problem, dass Frauen warten, bis das Kind den Mund aufmacht und sich selbst die Brustwarze nimmt“, erläutert Waldau. Dann habe das Baby häufig nur den vorderen Teil der Brustwarze im Mund, die dann wund wird. Richtiger sei es, dem Nachwuchs die Brust schmal, zusammengedrückt zu einer Falte, anzubieten. „Das ist ähnlich wie bei einem Hamburger, den man auch nur in den Mund bekommt, wenn man ihn vorher platt drückt“, sagt sie und lacht. Wichtig sei auch, das Baby von der Brust zu trennen, wenn es nicht mehr richtig trinkt, sondern nur nuckelt.

Oft ist das Problem, dass Frauen warten, bis das Kind den Mund aufmacht und sich selbst die Brustwarze nimmt.
Carina Waldau - Stationsleitung im St. Anna Hospital Herne

4. Milchstau/Brustentzündung. „Milchstau tritt oft dann auf, wenn das Kind nicht oft genug an der Brust war“, so Hanschuh. Die ungenügende Entleerung könne, wenn man nicht schnell genug reagiert, zu einer Brustentzündung (Mastritis) führen. Das Gewebe in der Brust wird dabei hart, ein Teil der Brust rot und heiß. Eine Mastritis könne sich innerhalb von drei bis vier Stunden entwickeln und erfordere schnelles Handeln. Wenn das Kind nicht ausreichend trinkt, sei es deshalb wichtig, die restliche Milch mit der Hand aus der Brust zu streichen. Dafür sollte man die Brust vorher mit warmen Umschlägen erwärmen oder dies direkt unter der Dusche machen. Ist die Brust bereits entzündet, reiche das Ausstreichen per Hand aber nicht mehr. Dann müsse man nach dem Stillen richtig abpumpen, bis die Brust leer ist, raten die Expertinnen. Helfen könne auch, das Kind mit dem Kinn zur gestauten Stelle hin anzulegen.

Was fürs Stillen spricht. Trotz aller möglicher Komplikationen gibt es dennoch viele Gründe, die dafür sprechen, sein Kind zu stillen. So fördere der enge Körperkontakt zwischen Mutter und Baby die gemeinsame Bindung. „Die Muttermilch ist immer ideal auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt“, betont Waldau. Außerdem habe die Mutter sie jederzeit richtig temperiert überall verfügbar. Studien besagten zudem, dass Mütter, die mindestens sechs Monate gestillt haben, seltener an Brustkrebs erkrankten und dass deren Kinder seltener an Diabetes litten und weniger Allergien entwickelten.

Mehr zum Thema aus Herne - Lesen Sie auch:

Stillberatungen zu jeder Zeit

  • Zwischen 20 und 45 Beratungen gibt es monatlich im St. Anna Hospital Herne. Es melden sich Mütter von Tag drei nach der Geburt, aber auch mit zweijährigen Kindern, die noch gestillt werden.
  • Manche Frauen rufen nur an, die meisten kommen aber mit dem Baby in die Stillambulanz. So kann die Stillberaterin gucken, wie die Mutter stillt, wo das Problem liegen könnte und direkt Hilfestellung leisten. Oder auch einfach nur zuhören.
  • Die 24-Stunden-Stillambulanz im St. Anna Hospital Herne ist rund um die Uhr unter der Telefonnummer 02325/9862374 erreichbar.