Herne. Das Herner Wollgeschäft SMW Wolle ist eines der letzten seiner Art im Ruhrgebiet. Doch die Tage dieses Fachgeschäfts könnten bald gezählt sein.

Wenn ein Händler zu den „Herner Spezialitäten“ gehört, die vor wenigen Tagen vorgestellt wurden, dann SMW Wolle. Denn erstens ist Rolf Michael Schirp mit seinem Geschäft seit mehr als 30 Jahren in Herne vertreten und zweitens sind Wolle und Garne in der Tat Spezialitäten. Doch es besteht die Gefahr, dass dieses Fachgeschäft aus der Herner Innenstadt verschwindet...

...und das liegt nicht an schleppend laufenden Geschäften, sondern an Schirps Alter. Am kommenden Samstag feiere er seinen 79. Geburtstag erzählt er im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Nach wie vor ist er mit seiner Frau Petra jeden Tag in dem kleinen Laden in der Stadt-Galerie am Robert-Brauner-Platz. Der Grund ist simpel: „Es macht einfach Spaß“, sagt Schirp. Allerdings: Er sei jetzt gesundheitlich an einem Punkt angelangt, an dem er sich sage, dass er den Laden lieber verlasse, solange er es noch auf den eigenen Füßen könne. Deshalb sucht er einen Nachfolger, doch dazu später mehr.

48 Beitragsjahre bei der Rentenversicherung

Wenn Schirp über seine lange berufliche Laufbahn spricht - bei der Rentenversicherung seien nicht weniger als 48 Beitragsjahre registriert -, dann erwacht die deutsche Kaufhausgeschichte, für die wohl gerade die letzten traurigen Kapitel geschrieben werden, wieder zum Leben. Seine Lehre habe er beim Kaufhof absolviert, lange Jahre hat er in verschiedenen großen Häusern quer durch die Republik gearbeitet.

Rund 360 Wollqualitäten haben die Schirps verfügbar.
Rund 360 Wollqualitäten haben die Schirps verfügbar. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Später machte er sich selbstständig und hatte Wollgeschäfte in Solingen, Duisburg, Gelsenkirchen, Recklinghausen und ab 1990 eben auch in Herne - was nun übrig geblieben ist. Wolle, Garne und das nötige Zubehör bildeten eine Handelsnische, in der es sich aber gut leben lasse. Schirp ist über den elterlichen Betrieb schon als Kind mit dem Thema Wolle in Berührung gekommen und hat die verschiedenen Phasen und Trends erlebt. Nach dem Krieg sei Handarbeit ein Mittel gewesen, um zu sparen - Socken mit Löchern wurden nicht weggeschmissen, sondern gestopft. In den 70ern und 80ern sei Stricken etwas Besonderes gewesen, weil man so Unikate kreieren konnte.

Das Geschäft ist eins der letzten seiner Art im Ruhrgebiet

Völlig aus der Mode war Häkeln, Stricken und Nähen nie. Das hat wohl auch dazu beigetragen, dass die Schirps die harte Coronazeit überstanden haben. „Jetzt sind die Kunden uns dankbar, dass es uns noch gibt. Wir werden regelrecht umarmt“, erzählt Schirp, der nur noch ehrenamtlicher Geschäftsführer ist. Die Kundschaft reise aus den Nachbarstädten an, weil Schirp einer der letzten seiner Art im Ruhrgebiet ist.

Nachfolger muss mit Herz bei der Sache sein und große Fachkenntnis besitzen

Wenn sich kein Nachfolger findet, wird SMW Wolle auch verschwinden. Die Schirps sind sich bewusst, dass sich die Suche enorm schwierig gestalten wird. „Das muss man mögen, und man muss es können“, so Schirp. Sachkenntnis ist das große Thema. Wie groß? Schirp hat allein rund 360 Wollqualitäten im Angebot, dazu kommen Knöpfe, Garne, Nadeln in den unterschiedlichsten Größen. Nur mit der Beratung hätten sie sich sich gegen die Konkurrenz im Internet behaupten können. Ein Nachfolger müsse quasi im Laden leben wollen. Allerdings: Dieser würde ja auch eine stattliche Stammkundschaft übernehmen. Und es soll ja keine „kalte“ Übergabe sein, Schirp und seine Frau würden noch ein Jahr lang mit Rat und Tat einem Nachfolger zur Seite stehen.

Die Zeit drängt von Tag zu Tag ein wenig mehr. Anfang 2024 soll die Geschäftsübergabe sein. Und falls es nicht klappt? „Dann machen wir einen Räumungsverkauf.“ Doch daran wollen die Schirps noch nicht denken.

Interessenten können entweder das Geschäft am Robert-Brauner-Platz 1 besuchen oder sich melden unter 02323 57596