Herne. Rund um den Vodafone-Konzern herrscht seit einiger Zeit Unruhe. Wie ein Herner Auszubildender – und sein Smartphone – in die Wirren geriet.

Der Telekommunikationskonzern Vodafone steht seit einiger Zeit in der Kritik. Verbraucherschützer bemängeln die hohe Zahl an Kundenbeschwerden, es geht aber auch um den Vorwurf von illegalen Geschäftspraktiken in Partneragenturen. Eine anonyme Mail zu diesem Vorwurf sorgte im vergangenen Sommer zusätzlich für Unruhe. Damals ist auch der Herner Auszubildende Umut Yumrukas in die Vodafone-Wirren geraten. Der Herner WAZ hat er seine Erlebnisse geschildert – bei der auch sein persönliches Smartphone eine wichtige Rolle spielt.

Der heute 24-Jährige hat vor drei Jahren bei einer Partneragentur seine Ausbildung zum Verkäufer begonnen. Dazu muss man wissen, dass Vodafone die wenigsten Läden selbst betreibt, sondern mit selbstständigen Partneragenturen zusammenarbeitet. Wegen Mitarbeitermangels habe er an unterschiedlichen Standorten arbeiten müssen, so Yumrukas im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. „Ich habe Vollzeit gearbeitet, niemand hat mir etwas beigebracht, ich musste mir alles selbst beibringen.“ Er habe auch keinerlei Betreuung gehabt, als Azubi sei er alleine in den Läden gewesen. Da habe er natürlich Fehler gemacht, zum Beispiel beim Abschluss von Verträgen. Doch gerade bei Verträgen dürfe man eigentlich keine Fehler machen, sagt er.

Herner Azubi: In manchen Verträgen stecken absichtlich Fehler

Allerdings habe er die Beobachtung gemacht, dass in manchen Verträgen, die die Agenturen abschließen, absichtlich Fehler steckten. Yumrukas beschreibt das wie folgt: Mit einem Kunden sei ein Vertrag abgeschlossen worden, der ohne ein Smartphone beispielsweise 20 Euro pro Monat kostet. Der Verkäufer aktiviert aber heimlich einen anderen – teureren – Vertrag, der eigentlich ein Smartphone enthält. Doch davon wisse der Kunde nichts. Vodafone liefere die Handys in die Shops. Doch statt die Geräte den Kunden auszuhändigen, seien sie später im Internet oder in den Shops verkauft worden.

Vodafone hat im vergangenen Jahr unter anderem mit dem Vorwurf dieser Praktiken zahlreichen Partneragenturen fristlos gekündigt. Vodafone hatte seinerzeit mitgeteilt: „Im Vertrieb ist für Vodafone ein ehrliches, sauberes und nachhaltiges Geschäft entscheidend. Mit jedem Kunden soll nur dann ein Vertrag abgeschlossen werden, wenn er dieses Produkt bewusst haben und nutzen möchte. Untergeschobene Verträge dulden wir auf keinem Vertriebsweg. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass zunächst Vodafone das Opfer ist: Wenn ein Vertriebspartner einen nicht gewünschten Kundenvertrag bei Vodafone einreicht, will er meist unberechtigte Provisionen von Vodafone kassieren und eventuell obendrein ein teures Smartphone für sich zur Seite schaffen.“

Vodafone hat mitgeteilt, dass das Smartphone nun bei der Essener Staatsanwaltschaft sei

„Ich war derjenige, der die Handys immer aus Läden abholen musste“, erläutert Yumrukas zu den Geräten, die Kunden nicht ausgehändigt worden seien. Deshalb habe er auch deren Seriennummern auf seinem Smartphone gespeichert. Auf seinem Smartphone befänden sich rund 5000 Beweisfotos und Chats für illegale Geschäftspraktiken, erzählt Yumrukas. Als die Praktiken entdeckt worden seien, habe Vodafone sein Smartphone haben wollen, um die Beweise zu sichern.

Er sei deshalb „im Mai oder Juni“ 2021 mit seinem Chef zur Vodafone-Firmenzentrale nach Düsseldorf gefahren. Dort seien zwei Vodafone-Mitarbeiter aus dem Gebäude gekommen und hätten das iPhone an sich genommen. Das Treffen habe keine zehn Minuten gedauert. Die Vodafone-Mitarbeiter hätten gesagt, dass sie sich bei ihm melden würden, so Yumrukas – doch es sei nichts passiert.

Auch der Vodafone-Shop in Herne auf der Bahnhofstraße ist geschlossen – seit eineinhalb Jahren.
Auch der Vodafone-Shop in Herne auf der Bahnhofstraße ist geschlossen – seit eineinhalb Jahren. © Tobias Bolsmann

In den folgenden Monaten habe er mehrfach nach seinem Handy gefragt, habe aber immer hinhaltende Antworten bekommen. Erst am 4. Mai dieses Jahres, also etwa ein Jahr später, bekam Yumrukas Post von Vodafone: Darin schreibt das Unternehmen, dass die Staatsanwaltschaft das Handy in einem Ermittlungsverfahren gegen einen Shopbetreiber angefordert hat und Vodafone das Gerät entsprechend übergeben hat. Yumrukas fragt sich, was Vodafone so lange mit seinem Handy gemacht hat.

Die Herner WAZ hat Vodafone um Stellungnahme gebeten, wie und wann das Unternehmen davon erfahren hat, dass Umut Yumrukas möglicherweise Beweise für illegale Praktiken hat. Außerdem wollte die WAZ wissen, warum es so lange gedauert hat, bis das Unternehmen das Gerät an die Staatsanwaltschaft weitergegeben hat und was in der Zwischenzeit mit dem Gerät passiert ist. Vodafone möchte sich allerdings mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht äußern.

Bundesbeauftragter für Datenschutz untersucht Geschäftsprozesse des Konzerns

Yumrukas erzählt außerdem, dass er mit den Praktiken für untergeschobene Verträge in Berührung gekommen sei. Er skizziert das Vorgehen so: Ein Kunde komme in den Partner-Shop und erhalte einen Vertrag. Doch auf diesen Vertrag würden unbemerkt zusätzliche SIM-Karten aktiviert, die der Kunde nicht verlangt habe, die er nicht brauche und von denen er nichts wisse – für die er aber bezahlen müsse. Auch der Vorwurf der untergeschobenen Verträge war im vergangenen Jahr ein Grund dafür, dass Vodafone-zahlreichen Partneragenturen fristlos gekündigt und Strafanzeigen gestellt hat.

Doch Umut Yumrukas schildert auch, dass es bei Vodafone Datenschutzlücken gebe. Es sei möglich gewesen, in die Computerprogramme zu gehen, in denen die Kundendaten gespeichert sind, und die Verträge einfach zu ändern. „Bei Vodafone gibt es viele Lücken, da kann jeder machen, was er will. Zumindest, als ich dort gearbeitet habe“, so Yumrukas. Wenn man die Rufnummer eines Vodafone-Kunden eingebe, könne man zum Beispiel sehen, wo dieser wohnt. Auch müsse man bei Vertragsabschluss sein eigenes Kundenkennwort angeben, so könne man als Verkäufer in die Daten schauen.

Herner Azubi will nicht in der Telekommunikationsbranche bleiben: Die hat keine Zukunft für mich

Vodafone teilt dazu mit: „Wenn Kunden eine Partneragentur aufsuchen, ist es die ureigenste Aufgabe der Partneragentur, die Wünsche des Kunden möglichst umzusetzen – etwa bei Abschluss eines neuen Vertrags oder beim Kauf von Hardware. Bei solchen Vertragsangelegenheiten benötigt die Partneragentur natürlich den Computerzugriff auf das Vertragskonto des Kunden, um den Auftrag des Kunden umzusetzen. Der Kunde wiederum muss sich eindeutig legitimieren – durch Ausweisdokumente und sein Kundenkennwort. Die Partneragenturen verpflichten sich zur Einhaltung der sehr strengen Sicherheits- und Datenschutzbestimmungen von Vodafone. Verstöße gegen den Datenschutz oder sonstige Unregelmäßigkeiten werden von Vodafone nicht geduldet, sondern im Gegenteil konsequent sanktioniert.“

Allerdings: Schon seit dem vergangenen Jahr schaut der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) auf die Vorgänge. So heißt es auf eine Anfrage der Herner WAZ: „Der BfDI hat seit etwa einem Jahr Hinweise erhalten, dass technische Systeme einen Missbrauch erleichtern und vertragliche Regelungen mit den Händlern zu einer unseriösen Vorgehensweise verleiten. Im Rahmen seiner Ermittlungstätigkeit wurden die Geschäftsprozesse des Unternehmens hinsichtlich der Verarbeitung von Kundendaten in Partnershops sowie die von Vodafone und Partnershops eingesetzte Software hinsichtlich einer DSGVO konformen Handhabung der Kundendaten des TK-Dienstleisters untersucht.“ Die Untersuchungen würden noch andauern.

Umut Yumrukas hat inzwischen seine Ausbildung zum Verkäufer und Einzelhandelskaufmann beendet. Doch in der Branche will er nicht bleiben, die habe keine Zukunft für ihn. „Ich habe in den drei Jahren Ausbildung nur Kopfschmerzen gehabt.“