Herne/Gelsenkirchen. Das Ringen um den Standort der NRW-Polizeihochschule landet nun vor Gericht. Herner OB sauer. Gelsenkirchener Bewerbung mit offenen Fragen.
Der Kampf um den künftigen Sitz der NRW-Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung geht in eine allerletzte Verlängerung: Der Bewerber für den Standort Gelsenkirchen – der Essener Projektentwickler Kölbl Kruse – hat am Donnerstag kurz vor Ablauf der Frist beim Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) Beschwerde gegen die Entscheidung für Herne eingelegt. Oberbürgermeister Frank Dudda fand dazu am Freitag deutliche Worte – auch gegenüber seiner Gelsenkirchener Kollegin. Außerdem gibt es offene Fragen zur Gelsenkirchener Bewerbung.
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Die Richter am OLG müssen nun letztinstanzlich entscheiden, ob das Votum des Landes beziehungsweise die Bestätigung durch die ebenfalls von Kölbl Kruse eingeschaltete Vergabekammer der Bezirksregierung Münster rechtmäßig erfolgt ist. Aufgrund des laufenden Verfahrens will sich das Essener Unternehmen aktuell nicht äußern. OB Dudda ließ dagegen am Freitagmittag in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz der Stadt sehr deutlich durchblicken, dass er kein Verständnis für die Haltung von Kölbl Kruse und der Gelsenkirchener Stadtverwaltung hat.
Hernes OB wirft Gelsenkirchen eine Blockade vor
Der Bewerber habe im Rahmen des mehrstufigen Vergabeverfahrens das Recht zu einer Beschwerde. „Wir haben aber das Recht dazu, auf die Konsequenzen für die Stadt, das Land und vor allem auf Tausende Nachwuchskräfte im öffentlichen Dienst hinzuweisen“, so der OB. Die Entscheidung der Vergabekammer bei der Bezirksregierung sei „klar und eindeutig“ gewesen.
Der Nachprüfungsantrag von Kölbl Kruse sei umfassend zurückgewiesen worden, sagte Dudda und zitierte aus der (noch nicht veröffentlichten) Begründung der Münsteraner Kammer. Darin heiße es unter anderem, dass der Nachprüfungsantrag des Projektentwicklers „in einigen Teilen unzulässig sei“. Die wiederholte Behauptung von Kölbl Kruse, dass die Vorgaben fürs Verfahren nicht eindeutig genug gewesen seien, sei laut Vergabekammer „nicht nachvollziehbar“.
Es lägen auch keine belastbaren Nachweise für den (erhobenen) Vorwurf vor, dass Gelsenkirchen im Verfahren bewusst in die Irre geführt worden sei, so die Kammer – laut Dudda – weiter. Ebenso unbegründet sei der Hinweis von Kölbl Kruse, dass der Wettbewerb nur vorgeschoben worden sei, weil die Entscheidung für Herne beziehungsweise für den Bewerber Hochtief zuvor längst gefallen sei.
Herne sei natürlich nach wie vor bereit, betonte der OB, das für die Errichtung des Campus der Polizeihochschule auf dem Funkenbergquartier am Bahnhof notwendige Bauleitverfahren durchzuführen. „Das wird zügig geschehen, und wir werden das bald abschließen.“ Die Stadt Herne sei sich ihrer Verantwortung bewusst und tue alles, damit 4000 Polizisten und Nachwuchskräfte des öffentlichen Dienstes eine gute Ausbildungszukunft hätten. Der erneute Antrag auf Überprüfung der Entscheidung durch nur einen der drei unterlegenen Bewerber – auch Bochum und Dortmund waren im Rennen – lasse aber die Frage zu, ob sich alle Verantwortlichen ihrer Verantwortung bewusst seien, so sein deutlicher Seitenhieb. Er hätte mit Gelsenkirchen lieber über ein gemeinsames Zukunftsprojekt gesprochen, „anstatt blockiert zu werden“, sagte Dudda.
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Gelsenkirchens OB Karin Welge kritisiert das Verfahren
Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge hatte sich kürzlich im Hauptausschuss der Nachbarstadt so geäußert: „Ich finde das Verfahren insgesamt schwierig und finde es schwierig, dass das Land NRW eine strukturpolitisch für Gelsenkirchen so relevante Frage zu einem Duell der Investoren erklärt hat“, so Welge. Das habe nicht ihr „Wohlgefallen“ gefunden, unabhängig davon, wer Sieger in dem Verfahren ist. „Wir jagen Städte im Ruhrgebiet aufeinander, in einer Zeit, in der wir eigentlich viel enger zusammenrücken müssten.“
Frank Dudda wollte dies am Freitag auf Nachfrage der WAZ nicht stehenlassen. Es sei verwunderlich, dass dieser Hinweis erst am Ende eines mehrjährigen Verfahrens erfolge. Und: „Alle Einrichtungen, die zuletzt im Ruhrgebiet vergeben worden sind, sind über Wettbewerbe vergeben worden.“ Das sei übliche Praxis und möglicherweise sogar vergaberechtlich geboten. Die Städte seien nicht gezwungen worden, an dem Verfahren teilzunehmen.
Schon jetzt seien unter anderem durch Kostensteigerungen am Bau erhebliche Mehrkosten entstanden. In welcher Höhe? „Das werden wir uns ganz genau ansehen.“ Auf die Frage eines Journalisten, ob er das Verhalten der Gelsenkirchener Bewerber „auf deutsch gesagt scheiße“ finde, antwortete der OB am Ende des Pressegesprächs nur: „Ich gehe gleich direkt in den Urlaub. Und das ist gut so.“
Ursprünglich wollte das Land bereits im Sommer 2021 den Sieger verkünden und 2025 den Neubau des Campus in Betrieb nehmen. Die Frage, ob der Zeitplan überhaupt noch zu halten ist, will derzeit niemand beantworten. Wie lange wird es nun dauern bis zur unanfechtbaren Entscheidung des Gerichts? Eine Zeitangabe sei nicht möglich, so eine OLG-Sprecherin auf Anfrage.
Verstoß gegen Vorgaben? Gelsenkirchen antwortet nicht
Jenseits der finalen Entscheidung steht nach wie vor die Frage im Raum, ob Kölbl Kruse und die Gelsenkirchener Verwaltung in diesem Verfahren gegen rechtliche Vorgaben verstoßen haben. Zur Erinnerung: Im Laufe des Verfahrens ist (aus Gelsenkirchen) kolportiert worden, dass die Hochschule Zweifel geäußert habe, ob Kölbl und Kruse überhaupt noch zur Teilnahme berechtigt sei. Im Raum stehe der Verdacht, so hieß es, dass das Essener Unternehmen beim Grundstückserwerb unerlaubterweise „staatliche Beihilfe“ von der Stadt Gelsenkirchen bekomme.
Zur Klärung hat die WAZ-Redaktion Herne bereits vor Monaten einen Fragekatalog an die Stadt Gelsenkirchen übermittelt. Unter welchen Bedingungen hat Kölbl Kruse das Grundstück von der Stadt erworben? Gab es dafür einen Ratsbeschluss?, wollte die WAZ unter anderem wissen. Und: Hat Kölbl Kruse aus rein rechtlicher Sicht überhaupt Zugriff auf das städtische Grundstück, auf dem neben dem Hochschulcampus auch das neue Zentralbad entstehen soll? Und weiter: Verstößt es nicht gegen die Ausschreibungskriterien, dass der Bau des Zentralbads – sprich: eines öffentlichen Gebäudes – Bestandteil der Bewerbung für die Hochschule ist?
Antworten wollte die Stadt damals unter Verweis auf das laufende Verfahren nicht geben. Daran habe sich nichts geändert, so Gelsenkirchens Stadtsprecher Martin Schulmann am Donnerstag auf neuerliche Anfrage.