Herne. Bei der Suche nach alternativen Heizsystemen zu Öl und Gas spielt die Wärmepumpe eine zentrale Rolle. Das spürt der Herner Produzent Waterkotte.

Die Energiepreise steigen immer weiter, mit dem Beginn des Ukraine-Krieges hat diese Entwicklung einen zusätzlichen Schub bekommen. Wer kann, sucht nach alternativen Heizsystemen, um sich von Gas oder Öl zu lösen. Eine Möglichkeit, die eine zentrale Rolle dabei spielt, ist die Wärmepumpe. Einer der Pioniere in diesem Bereich ist das Herner Unternehmen Waterkotte. Im Gespräch mit der Herner WAZ schildern die Geschäftsführer die extrem hohe Nachfrage.

Beim WAZ-Besuch am Brücken-Freitag nach Christi Himmelfahrt herrscht in der Produktionshalle an der Gewerkenstraße am frühen Nachmittag weitgehend Stille, nur noch wenige Mitarbeiter sind vor Ort. „Wir nutzen den Brückentag, um etwas zur Ruhe zu kommen“, sagen Thomas Wazynski und Andreas Jung. Denn seit längerer Zeit gibt es keine Ruhe, sind Überstunden an der Tagesordnung.

Umsatz und Mitarbeiterzahl steigen stetig

Je konkreter die Energiewende geworden sei, desto stärker seien die Verkaufszahlen gestiegen, doch mit dem Ukraine-Krieg habe sich dies noch einmal drastisch gesteigert. Bundesweit seien 2020 rund 120.000 Wärmepumpen installiert worden, im vergangenen Jahr seien es etwa 160.000 gewesen, im laufenden rechnen Wazynski und Jung mit 220.000. Ein Ende dieses Wachstums scheint kaum absehbar, zumal Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck das Ziel ausgegeben hat, dass bis 2024 die Zahl der jährlich neu installierten Wärmepumpen auf mehr als 500 000 steigen soll.

Dies mache sich auch in den eigenen Steigerungsraten bemerkbar. 2020 habe Waterkotte mit rund 100 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 28 Millionen Euro generiert, im vergangenen Jahr waren es schon 33 Millionen. Inzwischen sei die Mitarbeiterzahl auf rund 130 angestiegen, für 2022 planen die Geschäftsführer mit einem Umsatz von rund 40 Millionen Euro. Noch in diesem Jahr sollen bis zu 20 neue Stellen entstehen, mittelfristig jedes Jahr rund 30 zusätzliche. In München und Baden-Württemberg sind bereits Niederlassungen eröffnet worden, in Hamburg und Berlin sollen ebenfalls Standorte entstehen. „So sind wir nah an den Kunden und können sie betreuen“, sagt Jung.

Lieferzeit kann zurzeit mehrere Wochen betragen

„Wir haben zurzeit einen Auftragsbestand im Wert von rund 25 Millionen Euro, der abgearbeitet werden muss“, so Wazynski. Und es kämen ja beinahe täglich neue Anfragen, selbst von Endverbrauchern. Doch die beliefert Waterkotte nicht, das Unternehmen beliefert ausschließlich Installateurbetriebe. Hätten die in der Vergangenheit nur einzelne Anlagen bestellt, würden sie nun gleich fünf auf einmal ordern. 18 bis 20 Geräte pro Tag könne das Unternehmen für den sogenannten Consumer-Bereich (zum Beispiel Hausbesitzer) fertigstellen - wenn denn die Lieferketten nicht reißen. „Wir haben schon flexibilisiert, indem wir auf unterschiedliche Lieferanten setzen“, so Andreas Jung. Dennoch könne die Lieferzeit im Moment mehrere Wochen betragen. Anfang des Jahres sei die Sorge aufgekommen, dass wegen Materialmangels Kurzarbeit angezeigt werden muss, doch dies sei zum Glück nicht eingetreten. Das Problem bestünde nicht nur in fehlenden Teilen wie Mikrochips, die Lieferanten von Komponenten kämen angesichts des Booms selbst nicht mit der Produktion hinterher.

Die Gesamtsituation ziehe weitere Probleme nach sich, die Wazynski angesichts des Wachstums als „Luxusprobleme“ bezeichnet. Da sich die Installateure vor Anfragen kaum retten könnten, müssten sie für die Anlagen qualifiziert werden, denn die Wärmepumpentechnik war in den vergangenen Jahren noch nicht so verbreitet. In dieser Hinsicht entwickelt Waterkotte automatisierte Lösungen, um Installateure quasi intuitiv durch den Anschluss einer Wärmepumpe zu führen. Auch in anderer Sicht treibt Waterkotte die Entwicklung voran. Inzwischen seien rund 1000 Geräte mit dem Internet verbunden, um so eine Fernwartung zu ermöglichen.

Waterkotte ist seit 2020 unter dem Dach des schwedischen Nibe-Konzerns

Angesichts des Booms helfe es, dass Waterkotte seit April 2020 unter dem Dach des schwedischen Nibe-Konzerns ist, der zu den größten europäischen Wärmepumpen-Herstellern zählt mit einem Jahresumsatz von rund drei Milliarden Euro. Tendenz: ebenfalls stark steigend. Mit dieser Hilfe im Rücken sei es möglich, das Wachstum - das ja auch finanziert werden muss - zu stemmen.

Ein Hemmnis bestünde allerdings in den beschränkten räumlichen Möglichkeiten. Produktion und Verwaltung an der Gewerkenstraße platzen quasi aus allen Nähten. Als Zwischenschritt soll die Produktion optimiert werden und für bestimmte Geräte kleine Fertigungslinien eingerichtet werden. Außerdem könne ein Teil der Nachfrage mit Einführung einer zweiten Schicht bewältigt werden. Doch mittelfristig benötige das Unternehmen mehr Fläche, so Wazynski. Es sei das erklärte Ziel, innerhalb von Herne zu expandieren. Der Oberbürgermeister dürfte dies gerne hören, passt doch ein Unternehmen wie Waterkotte bestens zur Strategie, das Ruhrgebiet zur grünsten Industrieregion der Welt zu machen.

>>> GROSSPROJEKT IM SHAMROCKPARK

■ Waterkotte beteiligt sich auch regelmäßig an Ausschreibungen für Großprojekte. Nun hat es einen Großauftrag in Herne gewonnen. Für die Neu- und Bestandsgebäude im Shamrockpark liefert Waterkotte 48 Anlagen.

■ Auch in Bielefeld hat das Herner Unternehmen einen Großauftrag gewonnen. Auch in Frankreich und England hat Waterkotte schon Projekte realisiert.

>>> PIONIER BEI WÄRMEPUMPEN

■ Das Unternehmen Waterkotte hat 2018 sein 50-jähriges Bestehen gefeiert. Es gehört zu den Pionieren der Wärmepumpentechnik.

■ Gründer Klemens Oskar Waterkotte nahm 1968 die erste erdgekoppelte Wärmepumpen-Fußbodenheizung in Betrieb – eine Technik, die bis zu diesem Zeitpunkt unbekannt war.