Herne. Als neuer Chef der Evangelischen Kitas in Herne hat Markus Mieberg die Ausbildungsquote fast verfünffacht. Wie er die Kitas aufstellen möchte.
Corona-Sorgen, Fachkräftemangel, Finanznot – die Situation, in der Markus Mieberg Anfang des Jahres seinen Posten als neuer Geschäftsführer der Kindergartengemeinschaft im Evangelischen Kirchenkreis Herne angetreten hat, war denkbar schwierig. Dennoch zieht der 59-jährige Nachfolger von Elisabeth Weyen eine erste positive Bilanz. Wie er die Evangelischen Kitas in den kommenden Jahren voranbringen möchte, was er gegen den Fachkräftemangel plant und welche Rolle die Digitalisierung der Kitas spielt, erzählt er im Interview mit der WAZ.
Sie kommen aus der „freien Wirtschaft“. Was hat Sie zum Kurswechsel und zu den Kitas geführt?
Markus Mieberg: Ich habe jahrelang in der Mineralöl-Industrie gearbeitet, habe dort intensiv im Bereich Organisationsentwicklung Projekte geleitet. 2017 bekam ich die Gelegenheit, mich neu zu orientieren und in die Sozialwirtschaft zu gehen. Beim Kita-Zweckverband in Essen war ich Leiter im Bereich Finanzen und kommissarisch auch für die Bereiche Controlling und Immobilien verantwortlich.
Um die Finanzen der evangelischen Kitas war es zuletzt ja nicht so gut bestellt. Ihre Vorgängerin Frau Weyen hat gefürchtet, dass Plätze wegfallen, wenn der Trägeranteil nicht sinkt. Nun hat die Stadt angekündigt, die Träger weiter zu entlasten. Was bedeutet das für Sie?
Die Zusage der Stadt Herne nimmt uns eine Last von den Schultern. Die finanzielle Situation ist und war im laufenden Kita-Jahr sehr angespannt. Ich gehe davon aus, dass die Kirchensteuermittel über kurz oder lang nicht mehr in dem Ausmaß zur Verfügung stehen werden, wie sie das im Moment tun. Die Finanzmittel der Stadt entkrampfen die Situation nun erheblich und machen unser Angebot planbarer. Für die nächsten vier Jahre können wir das derzeitige Angebot aufrechterhalten. Wir haben der Stadt Herne unsere partnerschaftliche Unterstützung beim Ausbau der Kita-Plätze angeboten – Finanzierbarkeit vorausgesetzt.
Corona hat die Arbeit in den Kitas in den letzten Jahren sehr geprägt…
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… Ja, die Coronazeit war für alle involvierten Personen eine anstrengende Zeit. Die Eltern wollten ihre Kinder vernünftig in den Kitas versorgt wissen, wir hatten einen hohen Krankenstand und als Folge Einschränkungen in der Betreuungszeit. Es war eine Mangelverwaltung; Dank des enormen Einsatzes meiner Mitarbeitenden mussten wir aber in der ganzen Zeit keine Kita schließen.
Kehrt denn nun wieder Alltag in die Kitas ein? Finden Ausflüge und Übernachtungen statt?
Wir stellen gerade eine Entkrampfung der Situation fest. Es geht immer mehr in Richtung Regelbetrieb. Die ersten Kitas bieten wieder Übernachtungen und Abschlussfahrten für die Vorschulkinder an. Ich habe den Kitas freigestellt, ob sie dieses Angebot machen möchten. Wir hoffen, dass nun wieder Normalität einzieht und nicht im Herbst die nächste Corona-Welle kommt.
Neben den Ausfällen durch Corona haben Sie auch mit einem generellen Personalmangel zu kämpfen.
Der Fachkräftemangel ist für jeden Träger gerade ein großes Thema – in Herne, aber auch in anderen Städten. Wir haben derzeit 20 Stellen, die wir gerne besetzen würden, aber kein qualifiziertes Personal finden.
Was möchten Sie dagegen unternehmen?
Der Kita-Bereich ist ein regionaler. Ich glaube, dass wir einen großen potenziellen Pool an Fachkräften an den Schulen haben. Wir müssen dort nur präsenter und sichtbarer werden. Wir möchten die Schüler in Herne für diesen Beruf begeistern, der unheimlich verantwortungsvoll und vielseitig und aus meiner Sicht auch finanziell nicht durchaus unattraktiv ist. Und wir müssen diesen Beruf auch für Männer attraktiver machen. Außerdem möchten wir unseren Mitarbeitern auch einige attraktive Benefits bieten.
An was denken Sie da zum Beispiel?
Wir möchten befristete Verträge mit Fachkräften schneller entfristen und Fachkräfte langfristig an uns binden. Außerdem prüfen wir verschiedene klima- und kostenfreundliche Mobilitätsangebote sowie Gesundheitspräventionsangebote für unsere Mitarbeitenden, um so die Kindergartengemeinschaft als attraktiven Arbeitgeber zu unterstreichen.
Und als Ausbilder?
Wenn wir zusätzliche Fachkräfte gewinnen wollen, müssen wir auch den nächsten Schritt gehen und die Ausbildungsquote erhöhen. Als eine meiner ersten Maßnahmen haben wir zum kommenden Kita-Jahr die Ausbildungsquote fast verfünffacht. Drei aufgrund erfolgreichem Ausbildungsabschluss freigewordene Stellen haben wir durch 14 neu eingestellte Auszubildende überkompensiert. So möchten wir in drei Jahren aus einem größeren Pool von Mitarbeitern schöpfen.
Und wie können die Mitarbeiter etwa von administrativen Aufgaben entlastet werden, um mehr Zeit für die pädagogische Arbeit am Kind zu haben?
Wir müssen die Prozesse auf digitale Füße stellen, um den Mitarbeitern die Prozesse zu erleichtern. So kann ich mir gut vorstellen, dass die Mittagessensbuchung künftig über eine App laufen. Bei der Personalplanung muss es dahin gehen, dass wir durch einen Knopfdruck sehen können, in welcher Kita durch Erkrankungen Personal ausfällt. So könnten Abläufe für die Mitarbeiter und die Eltern erleichtert werden.
>>> WEITERE INFORMATIONEN: Zur Person
- Markus Mieberg ist 59 Jahre alt. Er hat drei erwachsene Kinder und lebt mit seiner Frau in Gelsenkirchen.
- Er hat eine kaufmännische Ausbildung als Industrie-Kaufmann gemacht, hat an der Universität in Essen Wirtschaftswissenschaften studiert und sieht sich als Kind des Ruhrgebiets.
- Seine Hobbys sind reisen und Jazz-Musik.