Herne. In der Wahlarena Herne haben sich vier Landtagskandidaten den Fragen von WAZ und Radio Herne gestellt. Was sie zu Klima, Bildung & Co. sagten.

Kurz vor der anstehenden Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am kommenden Sonntag haben die Volkshochschule (VHS), Radio Herne und die WAZ Herne zur Wahlarena in das Flottmann-Zelt eingeladen. Am 15. Mai treten im Wahlkreis Bochum/Herne II acht Direktkandidaten an, eingeladen hat die VHS die vier der im Landtag vertretenen Parteien. In einer zweistündigen Podiumsdiskussion, die coronabedingt ohne Live-Publikum auskommen musste, tauschten sich Alexander Vogt (SPD), Markus Mähler (CDU), Fabian May (Grüne) und Thomas Nückel (FDP) zu den Themenschwerpunkten Bildung, Sicherheit, Soziales und Umwelt aus. Durch den Abend führten Nadine Richter (Radio Herne) und Michael Muscheid (WAZ), Zuschauerinnen und Zuschauer hatten während der Sendung, die bei Facebook und den Portalen der Veranstalter übertragen wurde, die Möglichkeit, Fragen einzusenden.

Nadine Richter (Radio Herne) und Michael Muscheid (WAZ) moderierten den Abend im Flottmann-Zelt.
Nadine Richter (Radio Herne) und Michael Muscheid (WAZ) moderierten den Abend im Flottmann-Zelt. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Bildung

Gleich zu Beginn des Talk-Formates bat das Moderations-Duo die vier Politiker, der Landesregierung Schulnoten in den Kategorien Ausbau der Lehrstellen, Digitalisierung und Bewältigung der soziale Herausforderungen zu geben. Während Alexander Vogt (43) und Fabian May (27) überwiegend Vieren und Fünfen verteilten, zeigten sich Markus Mähler (31) und Thomas Nückel (59) etwas zufriedener und vergaben überwiegend Einsen und Zweien. Worin sich alle vier Direktkandidaten einig waren: Es braucht mehr Lehrpersonal. „Stellen sind aber noch lange keine Lehrerinnen und Lehrer“, mahnte Vogt an. „Aber Lehrer lassen sich nun mal nicht backen, wir sind da auf einem guten Weg“, erwiderte Mähler.

Fabian May von den Grünen übte Kritik an Bildungsministerin Yvonne Gebauer.
Fabian May von den Grünen übte Kritik an Bildungsministerin Yvonne Gebauer. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

In Sachen Digitalisierung nutzte der grüne Direktkandidat Fabian May die Gelegenheit, die Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) zu kritisieren: „Wir haben etliche Geräte, die in Schränken schlummern, aber nur wenig Lehrpersonal, das im Umgang geschult ist.“ Die Pandemie habe zudem gezeigt, dass das Bildungssystem krisenresistenter werden müsse. Nückel merkte indes an, dass zwar rund zwei Milliarden Euro in Digitalisierungsmaßnahmen flössen, „aber nicht alle rufen das ab. Das Geld ist da“.

Dass Herne ein Problem mit der hohen Schulabbrecherquote hat, ist vielfach bekannt. Der schulscharfe Sozialindex sei aber nicht laut allen vier Direktkandidaten das richtige Mittel, um die Missstände abzubilden. So stellte etwa Landtagsabgeordneter Alexander Vogt (SPD) die These auf: „Wenn ich die Bewertungsmaßstäbe heruntersetze, schneiden alle einigermaßen gut ab.“ Echte Problematiken blieben so versteckt, Bildung sollte nicht von der Postleitzahl abhängig sein. Und auch CDU-Kandidat Markus Mähler räumte ein, dass „der Sozialindex sicherlich nicht perfekt ist“. Drastischer formulierte es Fabian May von den Grünen: „Wir haben riesige Herausforderungen in den Schulen und der Sozialindex bildet diese Realität einfach nicht ab.“ Laut FDP-Direktkandidat Thomas Nückel seien Talentschulen ein wichtiges Mittel, um mögliche Defizite aufzufangen.

Sicherheit und Ordnung

Im Themenblock Sicherheit und Ordnung ging es zunächst um die Null-Toleranz-Strategie, die der NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) öffentlich fährt. „Das Thema Clan-Kriminalität hat Ressentiments geschürt“, erklärte May seinen Standpunkt dazu. Er sei dagegen, die Polizei weiter aufzurüsten – sie sollte Freund und Helfer sein. Markus Mähler (CDU) erwiderte: „Wir brauchen gut ausgerüstete Polizisten, die müssen diesen Typen auf den Füßen stehen.“ Und auch Thomas Nückel (FDP) begrüßte Reuls Arbeit. „Wir dürfen Mafia-ähnliche Strukturen nicht wachsen lassen. Der Innenminister macht das schon richtig.“

Thomas Nückel (FDP) sieht in der sogenannten Clan-Kriminalität eine zu bändigende Gefahr.
Thomas Nückel (FDP) sieht in der sogenannten Clan-Kriminalität eine zu bändigende Gefahr. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Gab es 2021 noch 50 Problemimmobilien in Herne, so sind es dieses Jahr 70. Die Beschwerden aus der Anwohnerschaft seien immer wieder Thema. Zudem gelten die Bahnhöfe Herne und Wanne-Eickel als Angsträume. „Es gibt Probleme, die angegangen werden müssen“, erklärte Alexander Vogt. Vieles sei bei der Landesregierung hinten rüber gefallen, nicht zuletzt auch, weil der Fokus auf der Null-Toleranz-Strategie gelegen habe. Nückel hingegen sehe gar nicht so sehr die Bahnhöfe als Problem, vielmehr seien die Bahnhofsviertel Hotspots von Straftaten.

Soziales

In der Altschulden-Frage mangelt es laut Markus Mähler (CDU) an nationalem Konsens.
In der Altschulden-Frage mangelt es laut Markus Mähler (CDU) an nationalem Konsens. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Die Stadt Herne hat Altschulden in Höhe von einer halbe Milliarde Euro. Das Angebot des damaligen Finanzministers Olaf Scholz (SPD), sie zu erlassen, wurde nicht angenommen. Markus Mähler (CDU) erklärte dazu: „Hier fehlt es an nationalem Konsens. Wir müssen den kommunalen Haushalt nachhaltig aufstellen.“ Das größte Problem aus seiner Sicht sei die hohe Arbeitslosigkeit. SPD-Direktkandidat Vogt wiederum sagte, Herne müsse Interesse an einer Altschulden-Lösung haben: „Die Finanzsituation in Herne bildet die Grundlage, auf der wir aufbauen.“ Nückel mahnte zur Vorsicht: „Wenn die Altschulden erlassen werden, sind wir nicht plötzlich reich.“ Die kommunale Finanzierung müsse angepasst werden, sonst häufe man nur neue Schulden an und darauf können man nicht spekulieren. Aus Sicht von Fabian May sei der derzeitige Zustand nicht tragbar. „Es ist nicht nur auf Kante genäht, Herne ist nackig“, sagte der Direktkandidat der Grünen.

Mit Blick auf die hohen Mietpreise sagte Vogt: „Das ist aktuell mit den Energiekosten das Thema im Wahlkampf.“ Er forderte eine Landeswohnungsbaugesellschaft. CDU-Kandidat Mähler sah das anders: „Wir brauchen mehr innovative Premienmodelle, um dadurch Privatinvestoren zu finden.“ Die öffentliche Wohnungsbauförderung sei zuletzt bereits stark subventioniert worden. „Der soziale Wohnungsbau hilft aber nicht bei der Frage der steigenden Energiekosten“, entgegnete Nückel. Hier sei es laut dem Grünen May wichtig, die Vermieter in die Pflicht zu nehmen und Energie und Wärme vor Ort zu gewinnen: „Private Miethaie muss man in ihre Schranken weisen.“

Umwelt und Verkehr

Alexander Vogt (SPD) fordert die Unabhängigkeit von fossilen Energien.
Alexander Vogt (SPD) fordert die Unabhängigkeit von fossilen Energien. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Im letzten Themenblock des Abends warf Alexander Vogt die Frage auf: „Wie erzeugen wir langfristig Energie?“ Auf lange Sicht müsse man sich von fossilen Energien unabhängig machen. Fabian May benannte hier Versäumnisse der amtierenden Landesregierung. „Wir müssen Solar- und Windenergie in Nordrhein-Westfalen noch stärker fördern.“ Markus Mähler nahm den ÖPNV in den Fokus. Das Fahren mit Bus und Bahn müsse durch günstigere Preise und höhere Taktungen attraktiver gestaltet werden. Laut Thomas Nückel könne das gelingen, indem Geflüchtete vermehrt als Fahrer ausgebildet werden und auf fahrerlose Fahrzeuge gesetzt werde.

Eine der Zuschauerfragen des Abends kam von Elke Rether: „Was kann Herne tun, um fitter für den Klimawandel zu werden?“ Sie beobachte zunehmend, dass Bäume abgeholzt werden. Alexander Vogt erklärte dazu: „Ziel sollte nicht nur sein, die Auswirkungen des Klimawandels zu bekämpfen.“ Es müsse mehr in Prävention investiert werden. Fabian May antwortete auf die Frage, dass der Fachbereich Stadtgrün eingekürzt worden sei. „Da verwundert es nicht, wenn Bäume krank werden und gefällt werden müssen.“

Schlussrunde

30 Sekunden Zeit für ein letztes Statement – dabei sollten die Direktkandidaten in aller Kürze ihre wichtigsten Punkte nennen. Alexander Vogt nannte die Abschaffung der Kita-Beiträge, Bildungsgleichheit und genossenschaftliches Wohnen als Schwerpunkte. Markus Mähler wolle die Herausforderungen der aktuellen Zeit klar benennen und angehen. So brauche es etwa mehr Bildungsaufsteiger und weniger Schulabbrecher, mehr Sicherheit und weniger Kriminalität. Fabian May wolle die Bildung in den Vordergrund stellen und Entlastung für Familien schaffen. Thomas Nückel setze seinen Fokus auf die Förderung von starken Unternehmen und einer Gründerkultur.

Hinweis: In einer älteren Version des Textes war zu lesen, dass Alexander Vogt (SPD) eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft gefordert habe. Das ist falsch, er forderte eine Landeswohnungsbaugesellschaft. Wir haben die entsprechende Stelle geändert.

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