Herne. Alle Herner Schulen sind vom Land auf einer Skala von eins bis neun eingestuft worden. Das sind die Ergebnisse des „schulscharfen Sozialindex“.

Ein neuer „schulscharfer Sozialindex“ der Landesregierung stuft alle Schulen in NRW auf einer Skala von eins bis neun ein. Das Ergebnis zeigt, dass die Herner Schulen im Schnitt im Mittelfeld der Auswertungsskala eingeordnet werden. Bei einer bisherigen Einstufung war das noch anders. Deshalb sorgt der neue Sozialindex in der Herner Politik für Stirnrunzeln, aber auch für scharfe Kritik.

Zum Hintergrund: Eingestuft werden Grund-, Haupt- und Realschulen sowie die Gymnasien und Gesamtschulen auf einer Skala von eins bis neun. Stufe eins steht für keine besonderen Herausforderungen an den Schulen, Stufe neun für extreme Herausforderungen. Die Stufen sieben und acht gibt es in Herne gar nicht, die Stufen sechs nur an den Grundschulen Josefschule (Wanne), Kunterbunt (Herne-Mitte) und Freiherr-vom-Stein (Wanne). Am besten eingestuft wurden auf der Skala eins das Gymnasium Eickel und die Katholische Grundschule Bergstraße (Herne-Süd).

Land: Soziale Zusammensetzung der Schülerschaft kann jetzt genau ermittelt werden

Als Kriterien für die Einstufungen nennt das Land Kinder- und Jugendarmut, berechnet nach der Hartz-IV-Quote der Minderjährigen im Einzugsbereich der Schule, den Anteil der Kinder mit vorwiegend nicht deutscher Familiensprache, den Anteil der Kinder, die selbst zugezogen sind und somit kaum Sprachkenntnisse haben, sowie den Anteil der Kinder mit Förderbedarf. Mit Hilfe des „schulscharfen Sozialindex“, so das Land, sei es jetzt erstmals möglich, die soziale Zusammensetzung der Schülerschaft an jeder einzelnen Schule zu ermitteln – um dann, wenn nötig, „Ressourcen“ besser verteilen zu können. Soll heißen: Schulen, die niedrig eingestuft werden, erhalten weniger Personal, etwa Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Schulen, die in einer höheren Stufe liegen, entsprechend mehr.

„Die Landesregierung rechnet die Bedarfe schön“: Fabian May, schulpolitischer Sprecher der grünen Ratsfraktion in Herne.
„Die Landesregierung rechnet die Bedarfe schön“: Fabian May, schulpolitischer Sprecher der grünen Ratsfraktion in Herne. © Grüne

Das sorgt bei den Parteien in Herne für große Unruhe. Bislang hat das Land Schulen in fünf Standorttypen eingeteilt. Dabei kam Herne vergleichsweise schlecht weg: Die Hälfte der Schulen, sagt Fabian May, schulpolitischer Sprecher der Grünen Ratsfraktion, habe dabei den schlechtesten Standortfaktor fünf erhalten, weitere 40 Prozent den nicht viel besseren Faktor vier. Entsprechend groß habe das Land den Hilfebedarf für die Herner Schulen eingeschätzt.

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Herne: Grünen-Ratsherr May spricht von Mogelpackung des Landes

Und jetzt? Hat sich in der Stadt alles zum Besseren gewandelt? Nein, meint May: „Die Landesregierung rechnet die Bedarfe schön.“ Dass in Herne Schulen aus dem schlechtesten Standortfaktor in deutlich bessere Indexstufen rutschen, habe nichts mit der Realität zu tun, sondern mit einem Sparzwang von CDU und FDP – „auf Kosten der Schwächsten in unseren Schulen“. Der schulscharfe Sozialindex sei für Herne „absolut katastrophal“, weil Schulen nun weniger Ressourcen bekämen – obwohl sie eigentlich mehr bräuchten. Der Ratsherr der Grünen fordert deshalb gegenüber der WAZ eine Reform des schulscharfen Sozialindex: „Herne hat keine weiteren Mogelpackungen von Landesseite nötig, wir brauchen dringend massive Investitionen in die Schulen.“

„Es darf nicht passieren, dass Städte wie Herne weniger vom Kuchen erhalten“: Hernes Bildungsdezernent Andreas Merkendorf.
„Es darf nicht passieren, dass Städte wie Herne weniger vom Kuchen erhalten“: Hernes Bildungsdezernent Andreas Merkendorf. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Bauchschmerzen hat auch Hernes Bildungsdezernent Andreas Merkendorf. Nicht aber wegen des schulscharfen Sozialindex, den er nicht kritisiert. Dieser sei mit wissenschaftlicher Unterstützung der Ruhr-Uni erarbeitet worden und beinhalte viel mehr Indikatoren als die bisherigen Standorttypen. Vielmehr befürchtet auch Merkendorf, dass Herne künftig weniger Personal zugewiesen bekomme. „Es darf nicht passieren, dass Städte wie Herne weniger vom Kuchen erhalten“, fordert auch er.

Die Lage vor Ort habe sich nicht verbessert, und gerade nach Corona sei etwa Schulsozialarbeit noch wichtiger als bislang schon. Soll heißen: Das Land müsse insgesamt mehr Geld in die Bildung und in die Schulen stecken, das sei eine gute und wichtige Investition in die Zukunft. Für Herne bedeute das: Trotz der Ergebnisse des Sozialindex müsse Herne sein bisheriges Personal nicht nur behalten können, sondern es müsse noch ausgebaut werden.

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>>> WEITERE INFORMATIONEN: Fraktionen bereiten Resolution vor

Auf Anstoß der Grünen soll in der Politik eine Resolution verabschiedet werden. Die Forderung: „Bedarfe in der Schulsozialarbeit nicht kleinrechnen! Sozialindex nachschärfen!“ Mehrere Fraktionen wollen den Antrag gemeinsam in der kommenden Ratssitzung Ende November einbringen, nach bisherigem Stand SPD, CDU, Grüne, Linke und SPD.

In einem Entwurf der Resolution heißt es unter anderem: „Der Rat der Stadt Herne fordert die Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen auf, den schulscharfen Sozialindex für die Stadt Herne stärker zu prüfen und neu festzulegen! Begründung: Der schulscharfe Sozialindex ist ein lang herbeigewünschtes Instrument in der Förderung der Schulen in NRW. Leider verfehlt er in seiner aktuellen Ausprägung sein Ziel, Förderbedarfe an den einzelnen Schulen besonders aufzudecken und verkennt teilweise die Realität in den Schulen.“