Herne. In Herne startet im Sommer die private Quinoa-Schule. Schulleiterin Barbara van der Wielen sagt, wen sie aufnimmt und wie der Unterricht abläuft.
Im August geht in Herne die private Quinoa-Schule im Gebäude der ehemaligen Grundschule Drögenkamp in Baukau-West an den Start. Nun ist klar, wer Schulleiterin wird: Barbara van der Wielen. Die WAZ sprach mit der 65-jährigen Dorstenerin über ihre Pläne.
Mit 65 Jahren tritt man normalerweise in den Ruhestand, Sie treten in diesem Alter eine Stelle als Schulleiterin der neuen Quinoa-Schule an. Was reizt Sie an dieser Aufgabe?
Ich war 22 Jahre lang Schulleiterin und bin eigentlich schon pensioniert. Meine letzte Wirkungsstätte war auch eine Schule in freier Trägerschaft. Die habe ich mit aufgebaut. Nun wurde ich gefragt, ob ich Interesse an der Schulleitung der Quinoa-Schule hätte. Da habe ich mich mit dem Konzept vertraut gemacht und mit der Geschäftsführerin getroffen. Die Chemie stimmte von Anfang an. Die Quinoa-Schule gibt mir die Möglichkeit, alles das, was ich mir für eine gute Schule vorstelle, umzusetzen.
Was ist das?
Wir wollen jedes einzelne Kind in den Blick nehmen. Wir wollen für jedes einzelne Kind Zeit haben, um Chancengerechtigkeit herzustellen, die in Deutschland ja nicht existiert. Bildungserfolg ist ganz stark an die soziale Herkunft der Kinder gebunden. Das wollen wir aufbrechen und endlich eine Schule schaffen, in der ein Kind eine echte Chance hat, seine Potenziale zu entfalten.
Wie wollen Sie das schaffen?
Mit zwei Säulen: Wir wollen mit einem digitalisierten Lernweg arbeiten, bei dem jedes Kind in seinem eigenen Tempo voranschreiten kann. Und wir werden in kooperativen Lernformen arbeiten, bei denen es fachübergreifende Themen gibt. Dabei legen wir großen Wert auf die Begleitung der Kinder, auf eine enge, stabile und langfristige Bindung zwischen Schülerinnen und Schülern sowie Tutorinnen und Tutoren, auch über den Schulabschluss hinaus. Starten wollen wir mit den Jahrgängen fünf, sechs und sieben in einer Klasse.
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Wie sieht das konkret aus?
Unsere Klassengröße beträgt maximal 26. In der Klasse werden wir in einem Tutorensystem arbeiten. Die Kinder beschreiten dabei einen individuellen Lernweg, der digital aufbereitet ist. Die Lehrerinnen und Lehrer geben einen Input und sind anschließend immer dabei und beraten. Wenn eine Aufgabe erledigt ist, dann wird sie ausgewertet, und ein Leistungsnachweis wird erbracht – so wie an jeder anderen Schule auch. Dann geht der Lernweg weiter. Dabei ist es ziemlich egal, ob jemand in einem Jahrgang fünf, sechs oder sieben ist: Die Kinder sind dort, wo sie gerade sind, und wir holen sie dort ab und begleiten sie. Darüber hinaus suchen wir Themen, die auch jahrgangsübergreifend im Verbund bearbeitet werden können.
Wie viele Klassen planen Sie?
Geplant ist eine zum Start mit den Jahrgängen 5, 6 und 7, später soll es für diese Jahrgänge zwei Klassen geben, ebenso zwei für die Jahrgänge 8, 9 und 10. Dort liegt ein Schwerpunkt dann auf der Berufswahlorientierung.
Welche Schülerklientel nehmen Sie jetzt auf?
Unsere Schule verfolgt klar das Ziel, Chancengleichheit herzustellen und die Kinder fit zu machen für das, was in der Zukunft auf sie wartet. Sie müssen sich mit dem Klimawandel auseinandersetzen, mit sozialer Gerechtigkeit und globalen Machtansprüchen. Unsere Schule zielt dabei sehr genau ab auf Kinder aus schwachen Hintergründen. Sei es, dass die Sprachbarrieren oder die finanziellen Schwierigkeiten in den Familien groß sind. Das ist die erste Zielgruppe. Aber wir werden nicht die Tür zumachen für Kinder, die aus anderen Milieus kommen.
Wie kommen Sie an Ihre Schülerinnen und Schüler?
Über die Grundschulen, wir haben dort viele Flyer verteilt. Und wir haben jetzt die weiterführenden Schulen gebeten, gezielt Flyer zu verteilen, wenn die Pädagoginnen und Pädagogen der Meinung sind, dass das Konzept der Quinoa-Schule den Kindern zugutekommen könnte.
Herne hat mit knapp 6 Prozent die zweithöchste Quote an Schulabbrecherinnen und -abbrechern in NRW. Wird sich das durch die Quinoa-Schule ändern?
Ja, davon sind wir fest überzeugt. Es ist unser erklärtes Ziel, die Kinder anschlussfähig zu machen. In den Aufnahmegesprächen haben wir großartige Kinder kennengelernt. Die meisten kommen mit einer Versagenserfahrung zu uns. Sie sollen wieder merken, wo ihre Stärken sind. Die versuchen wir ihnen zu vermitteln. Jeder Mensch hat seine Talente.
Ziel ist es also, wie am Standort Berlin, dass alle oder fast alle Schülerinnen und Schüler einen Abschluss machen?
Ja, unser Bestreben ist es, dass jedes Kind den Abschluss erreicht, den es auch erreichen kann. Wir bieten alle Schulabschlüsse an, die eine Sekundarschule I vergeben kann. Für diejenigen, die in eine gymnasiale Oberstufe wechseln wollen, sind wir eine Kooperation mit der Mont-Cenis-Gesamtschule eingegangen. Unsere Schülerinnen und Schüler bekommen dort einen garantierten Platz in der Oberstufe, sie können aber natürlich auch andere Oberstufen besuchen. Unser Ziel ist es aber auch, dass die Kinder weitervermittelt werden in Berufe, dann in Weiterbildungen, je nachdem, welchen Weg sie wählen wollen. Deshalb reißt der Kontakt mit ihnen nicht ab, wenn die Schule beendet ist: Wir bieten ausbildungsbegleitende Hilfen an und wollen, dass wir sie weiter unterstützen können, dass wir Vertrauenspersonen und Ansprechpartner bleiben. So bleiben wir Anlaufstelle für Fragen rund um Ausbildung, Beruf oder Studium.
>> WEITERE INFORMATIONEN: Vertretungslehrerin in Gelsenkirchen
Barbara van der Wielen wurde in Duisburg geboren und machte dort ihr Abitur. Sie studierte in Münster und Duisburg katholische Religionslehre, Musik und Sozialwissenschaften. Sie arbeitete als Schulleiterin mehrerer Schulen, darunter der Realschule Billerbeck, der Gesamtschule Haan und zuletzt der Freien Aktiven Schule am Niederrhein (Fasan), wo sie im August 2021 pensioniert wurde. Aktuell ist sie bis zum Ende dieses Schuljahrs Vertretungslehrerin an der Grundschule Im Brömm in Gelsenkirchen.
Die 65-Jährige lebt in Dorsten, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Privat liest sie gerne, fährt Rad und wandert und geht gerne ins (Musik-)Theater: „Ich bin großer Fan der Ruhrfestspiele und des MiR.“