Herne. Anzeichen auf Demenz können auch mit Corona in Verbindung stehen, beobachtet Dr. Sylke Düllberg-Boden. Was dahinter steckt.

Ich vergesse öfter etwas, bin nicht mehr so auf Zack – all dies können Anzeichen für eine beginnende Demenz sein. Aber auch extremer Stress kann solche Probleme mit sich bringen. Deshalb ist es wichtig, genau hinzuschauen. In Vorträgen klärt Dr. Sylke Düllberg-Boden, Chefärztin der Neurologie am EvK Herne, über das Thema Demenz auf.

„Letztens habe ich das erste Mal seit Beginn der Pandemie wieder einen Vortrag für die Grünen Damen gehalten“, sagt Dr. Sylke Düllberg-Boden. Es ging der Gruppe unter anderem um Hausbesuche während der Coronazeit, aber auch darum, wie erkenne man eine Demenz oder wie man sich korrekt verhält? „Einige waren selber über 60 und wollten wissen, wo die Grenze zur Demenz liegt.“ Einfach sei diese Frage nicht zu beantworten.

Erste Anzeichen für Demenz

Trotzdem gebe es Anzeichen, ob sich eine Demenz entwickelt oder andere Ursachen vorliegen: „Man muss relativieren. Die zurückliegenden Monate brachten zahlreiche Einschränkungen und Schwierigkeiten mit sich. Vielen fehlt die kognitive Auseinandersetzung mit anderen, sodass man vielleicht nicht mehr ganz so eloquent ist wie vor der Pandemie.“ Verbessere sich allerdings die Situation, sobald der Stress nachlässt, ist dies ein positives Zeichen. „Eine Demenz wird selten besser, wenngleich es Schwankungen in der Ausprägung der Symptome geben kann, im Verlauf zeigt sich jedoch eher eine zunehmende Symptomatik.“

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Ein Großteil der Arbeit als Neurologe bestehe in der Erwägung und Abgrenzung von Differentialdiagnosen. Liegt wirklich eine Demenz vor und wenn ja, welche Art? Alzheimer sei die häufigste Form. Für die richtige Therapie und die weitere Begleitung des Patienten sei es wichtig, die Art zu bestimmen. Den einen Blutwert, der eine Demenz bestätigt, gibt es nicht. Aber es lassen sich zusätzliche Risikofaktoren ausmachen: „Herzkreislauf, Diabetes, Bluthochdruck, Cholesterinwerte – all diese Faktoren lassen sich positiv beeinflussen.“

Medikamente für besseren Stoffwechselprozess im Gehirn

Medikamente gegen Demenz verbessern die Stoffwechselprozesse im Gehirn und können alltägliche Abläufe erleichtern. Eine Heilung gibt es bislang nicht. „Da muss man auch ehrlich sein“, betont Düllberg-Boden. „Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, an dem die Medikamente keine Verzögerung und keinen Effekt mehr haben, ist mit dem Patienten und deren Angehörigen gegebenenfalls ein Therapieende zu besprechen.“

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Wichtig sei, Impulsgeber zu sein, falls man den Verdacht hat, jemand könnte eine Demenz entwickeln. Das Thema sei bei vielen mit Angst und Scham besetzt, deshalb solle man vorsichtig nachfragen, wenn einem Veränderungen auffallen. So könne man bei Berufstätigen die Kollegen fragen, ob sie zufrieden mit ihren Kollegen sind oder vorsichtig ein Gespräch mit dem Hausarzt vorschlagen.

Gerade innerhalb der Familie gebe es oft Konflikte. „Eine häufige Frage ist, ob der Betroffene noch Auto fahren darf.“ Die Antwort darauf muss gut abgewägt werden. Was erzählen Fahrbegleiter? Gab es häufiger Bagatellunfälle? Hat der Betroffen eine supervisierte Fahrstunde gemacht? „Dabei gilt aber immer zu beachten, dass die Krankheit sehr schwankt und die Person an einem Tag topfit und am anderen ganz daneben sein kann.“

Erkrankung belastet ganze Familie

Demenz birgt eine familiäre Belastung, ist aber nur in seltenen Fällen vererbbar: „Manche kommen, bevor sie wichtige Lebensentscheidungen treffen müssen, um ihr Risiko für eine mögliche Demenzerkrankung zu klären.“ Neuerdings gelte es noch ein weiteres Krankheitsbild von der Demenz zu unterscheiden: Long-Covid. „Die Patienten haben Wortfindungsstörungen, können nicht mehr so prompt reagieren, alles fällt schwer – diese Parallelen weisen viele Long-Covid-Patienten auf.“

Auch wenn es noch kein Heilmittel gegen Demenz gibt, tut sich in der Forschung einiges: „Die Forscher konzentrieren sich auf die Veränderungen in den Gehirnzellen, sodass in nicht allzu ferner Zukunft Therapieansätze nicht nur die Symptome lindern, sondern direkt in die geschädigten Bereiche eingreifen“, hofft die Neurologin. Viele gute Ideen und Ansätze kursierten bereits.

„Der Umgang mit den Betroffenen und den Pflegenden ist in den letzten Jahren ein ganz anderer. Die Menschen werden nicht mehr aus der Gesellschaft ausgegrenzt.“ Es gibt Demenz-WGs, palliative Pflege, kulturelle Veranstaltungen für Menschen mit Demenz. „Wer etwas zur Vorbeugung tun möchte, sollte sich gut ernähren, geistig und körperlich aktiv sein, um das Risiko für Herzinfarkte oder Schlaganfälle gering zu halten, die das Gehirn schädigen.“

>>>WEITERE INFORMATIONEN: Vorträge und Informationen

• Dr. Sylke Düllberg-Boden gibt auf Anfrage Vorträge zum Thema Demenz.

Wer sich dafür interessiert, wendet sich an das Sekretariat Herne-Mitte unter 02323 498 2031.