Herne. . Am Donnerstag ist Welt-Parkinson-Tag. Über die Facetten der Krankheit sprach die WAZ mit Dr. Sylke Düllberg-Boden, Chefärztin am EvK in Herne.

Die Krankheit Parkinson ist noch nicht heilbar, aber seit ihrer Entdeckung vor über 200 Jahren haben sich die Therapien stark verändert: Seit 1997 findet am 11. April der Welt-Parkinson-Tag statt. Dr. Sylke Düllberg-Boden, Chefärztin der Neurologie am EvK, sprach dazu mit der WAZ über den Stand der Forschung und darüber, warum es für Betroffene Hoffnung gibt.

Was ist Parkinson?

Es ist eine Erkrankung, die im Schwerpunkt mit Bewegungsstörungen einhergeht. Die Bewegungen verlangsamen sich, sind steifer. Heute weiß man, dass Parkinson viel mehr ist, als die von James Parkinson erstbeschriebene verlangsamte Bewegung oder das Zittern. Vielfach gibt es psychische Veränderungen mit Depressionen, mit Unruhe, mit Angst. Es gibt zuweilen Beeinträchtigungen der Gedächtnisfunktion. Es kann zu Scheinbildern oder zu richtigen Halluzinationen kommen, die dann oft für die Patienten beängstigend und bedrohlich sind.

Was ist die Ursache?

In den letzten Jahren ist, als möglicher Ausgangspunkt der Parkinson Erkrankung, der Magen-Darm-Trakt in den Vordergrund gerückt. Man vermutet, ohne es ganz genau im Detail zu verstehen, dass etwas Krankmachendes, eventuell eine Eiweißstruktur, über den Magen-Darm-Trakt oder über das Riechsystem das Gehirn erreicht. Die Frage aber, ob dies bei dem einen Parkinson auslösen kann und bei dem anderen dies nicht tut, hat offensichtlich auch etwas mit Anlagefaktoren zu tun.

Parkinson wird oft erst spät erkannt. . .

Das liegt daran, dass die Erkrankungssymptome sehr vielfältig sein können und vielfach vielleicht der Wunsch besteht, andere Diagnosen als plausibel anzunehmen. Zum Beispiel bei Steifigkeit im Schulterbereich wird gerne die Schulter selber angeschuldigt. Wenn das Kardinalsymptom eine Verlangsamung des Gangbildes ist, kommen auch andere Erkrankungen in Betracht wie eine Polyneuropathie. Allerdings sieht man mit dem geübten Blick des Klinikers schon, dass es anders aussieht. Der Parkinsonpatient trippelt klassischerweise ganz eng mit den Füßen nebeneinander, während der Patient mit einer Polyneuropathie eher die Schrittspur verbreitert und so versucht sein Gleichgewicht zurückzugewinnen.

Wann erhalten die meisten die Diagnose?

Man geht davon aus, dass Parkinson mit Symptomen beginnt, die vor der Bewegungsstörung auftreten. Das sind klassischerweise vom Patienten oft nicht bemerkte Riechstörungen oder Verdauungsstörungen. Man unterscheidet fünf Stadien der Erkrankung. Die meisten Patienten diagnostizieren wir im Stadium zwei.

Wann sollte ich einen Neurologen aufsuchen?

Vor allem geht es um Abklärung von Bewegungsstörungen. Wenn jemand das Gefühl hat, dass er sich unsicher bewegt, es häufiger zu Stürzen oder Stolpern kommt. Wenn sich das Schriftbild verändert oder wenn Sie beim Ausüben des Hobbys merken, dass es einfach schwerer fällt.

Wie lässt es sich behandeln?

Man hat diesen schönen Begriff des Honeymoons, der Flitterwochen, wenn man die Parkinsonerkrankung an einem Zeitpunkt diagnostiziert, wo sie sich noch nicht schon seit Jahren ausgeprägt hat. Da hat man durch die medikamentöse Behandlung die Möglichkeit, den Patienten quasi so aufzustellen, wie er vor Beginn der Erkrankung war. Im Untergrund läuft sie natürlich weiter. Es gibt vieles, dass man zusätzlich machen kann wie Krankengymnastik, Ergo- und Sprachtherapie. Aber wir haben es mit einer im Grunde stoffwechselgestörten Situation im Gehirn zu tun. Es besteht ein Mangel des Nervenüberträgerstoffs Dopamin. Die Behandlung wird herausfordernder, weil der Degenerationsprozess auch unter einer gut eingestellten Therapie fortschreitet.

Was bereitet den Patienten die meisten Probleme?

Es ist ganz unterschiedlich, je nachdem, in welchem Stadium man ist. Am Anfang ist es das wichtigste, die Diagnose sicher zu stellen, den Patienten mitzunehmen. Er hat unter Umständen viel Angst unter anderem vor sozialem Statusverlust, ob man es ihm anmerkt, ob er in seinem Verein oder wo er vielleicht politisch aktiv ist, noch für voll genommen wird. Ab dem mittleren Krankheitsstadium ist problematisch, dass man die Beweglichkeit nicht mehr durchgehend stabil gebessert bekommt. Wenn jemand sturzgefährdet ist, kann man das richtige Stürzen lernen, da gibt es das sogenannte Schubs-Training.

Trügt der Eindruck, dass viele Menschen die Krankheit vor ihrem Umfeld verbergen möchten?

Eine der ersten Fragen, die gestellt werden, ist: Wie offen soll ich damit umgehen? Wen soll ich einbeziehen? Da gibt es keine grundsätzlichen Ratschläge, man muss individuell prüfen, wie das Vertrauensverhältnis ist. Die Menschen haben Bilder im Kopf. Manche kennen auch aus der eigenen Familie Betroffene und transportieren dann das Bild und denken, das und das steht mir ganz genau so bevor. Natürlich ist das nicht so, Verläufe sind unterschiedlich. Die Behandlung ist besser geworden.

Ist Parkinson denn in der Gesellschaft stark stigmatisiert?

Ich glaube, die Betroffenen sehen es selber eher so, als dass es in der Gesellschaft wirklich so ist. Sie haben einfach Angst, sie bemerken eine Veränderung, die viele Bereiche betrifft, die nicht in der Motorik alleine stehen bleibt und fürchten vor den Konsequenzen.

Welchen Stellenwert nimmt die Forschung ein?

Es gibt aktuell einen großen Forschungshype darum, dass man vielleicht über den Magen-Darm-Trakt therapeutisch behandeln kann. Es geht darum, die Behandlung auf die Ebene zu heben, wo wir wirklich am Krankheitsprozess und eben nicht nur an den Symptomen angreifen können. Da gibt es durchaus einige vielversprechende Ansätze.

Ist es hilfreich, wenn das Bewusstsein für Krankheiten durch berühmte Menschen wie Michael J. Fox oder Muhammed Ali verstärkt wird?

Das spielt sicherlich eine Rolle. Aber Parkinson ist wirklich eine häufige Erkrankung. Es gibt gute Organisationsstrukturen wie die Deutsche Parkinson Vereinigung, die auch in Sachen Forschung Lobbyarbeit leistet. Die Menschen haben sich formiert und strukturiert und fordern Dinge ein.

Wie hat sich die Prognose in den letzten zehn Jahren verändert?

Die Lebenserwartung ist so, dass man, bis auf wenige Ausnahmeformen der atypischen Parkinsonsymptome, sagen kann, dass ein Parkinsonpatient ein normales Alter erreichen kann. Die Prognose hat sich deutlich verbessert sowie die Möglichkeiten bestimmte Herausforderungen in der Behandlung anzunehmen.

Nimmt die Zahl an Fällen zu?

Ja, es scheint tatsächlich in den letzten Jahren leicht zuzunehmen. Ob es an der verbesserten Diagnostik liegt oder ob es tatsächlich dieser Erkrankung selber zugrunde liegt, darüber streitet man noch.

Warum sollte man in ein Parkinsonzentrum gehen?

Wir haben Patienten, die mit der Diagnose zu uns kommen, weil es für sie sehr schwierig ist, die Diagnose zu akzeptieren oder einfach noch eine zweite Meinung haben möchten. Sonst bekommen wir die Patienten in der Regel, wenn bestimmte Probleme auftreten, wie Blockaden beim Laufen, das sogenannte Freezing, um die Möglichkeiten einer neuen Medikation zu prüfen.

Was ist Ihr Schwerpunkt?

Ich persönlich beschäftige mich neurologisch gerne mit Erkrankungen mit Bewegungsstörungen, also sowohl Parkinson als auch Polyneuropathie, das ist mein Steckenpferd. Mich fasziniert immer noch, dass man ganz viel durch gründliche Untersuchungen, aber auch gründliches Hinhören erfahren kann. Gerade bei einer Erkrankung wie Parkinson baut sich eine sehr tragfähige Beziehung zwischen Arzt und Patienten auf. Auf dieser Beziehungsebene zu arbeiten, mache ich wirklich gerne.