Herne. Seit Mittwoch campiert die Gruppe Gas Exit im Park vor dem Strünkeder Schloss. Sie protestiert gegen das Herner Gaskraftwerk. Ein Besuch.

Mittagspause im Klimacamp vor dem Schloß Strünkede. Es ist warm geworden. Die Sonne scheint auf eine bunte Zeltgruppe und die großen, weißen Pavillons daneben. „Workshopzelt“ steht auf einem, „Infozelt“ auf einem anderen. Einzig das leise Dudeln der Musikanlage eines Parkbesuchers durchdringt die ansonsten sehr ruhige Atmosphäre. In Schrittgeschwindigkeit rollt ein Polizeiwagen an dem Camp vorbei.

Seit Mittwoch campieren Aktivistinnen und Aktivisten der Gruppe Gas Exit im Schlosspark. So wollen sie gegen den Bau des Steag-Kohlekraftwerkes in Herne-Baukau protestieren. An diesem Freitagmittag fehlten ein paar Teilnehmer, erklärt Lena Maier (28), Sprecherin der Gruppe. „Einige sind mit dem Fahrrad zum Kraftwerk Datteln aufgebrochen.“ Insgesamt seien mittlerweile etwa 20 Leute aus ganz Deutschland und dem Ausland angereist. Die große Masse wird erst am Wochenende erwartet.

Workshops gehören zum Programm im Herner Protestcamp.
Workshops gehören zum Programm im Herner Protestcamp. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Gruppe setzt auf veganes Essen und Solar-Panels

Exkursionen, Workshops, Vorträge: So sieht der Alltag im Klimacamp aus. Warum man nicht einfach eine Demonstration gegen das Kraftwerk veranstalte? „Wir wollen ein Beispiel geben, wie klimafreundliches Leben aussehen kann“, sagt Maier. Das heißt: Es gibt ein veganes Buffet, Solar-Panels erzeugen den Strom für Licht und Technik, und die Notdurft wird auf der Komposttoilette verrichtet. Außerdem habe man einen Raum schaffen wollen, indem sich Menschen über ihren Kampf fürs Klima austauschen können, sagt Maier.

Jetzt gibt es aber erst einmal Mittagessen. Ordnungsgemäß mit Maske holen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Portion Nudelsalat, Brot und veganen Käse ab. Viele von ihnen laufen mit nackten Füßen durchs Gras. Kleine Grüppchen sitzen an Tischen im Schatten des rot-gelb gestreiften Zirkuszeltes, in dem später noch eine Band auftreten soll. Vor dem Infozelt liegt ein noch unfertiges knallgrünes Banner. „Gas is over“ wird am Ende dort in weißen Lettern stehen.

Gas Exit findet: Gasenergie ist eine vertane Chance

Dass man den Bau des Herner Gaskraftwerkes noch stoppen könnte, davon geht hier niemand aus. Aber: „Wir wollen den Finger in die Wunde legen“, sagt Hannah Fried, Co-Sprecherin von Gas Exit. „Wieder einmal wird Kohle durch Gas ersetzt, statt auf erneuerbare Energien zu setzen.“ Eine vertane Chance, findet sie.

Die Steag bezeichnet den Bau des Gaskraftwerkes auf ihrer Website als wichtigen Teil des unternehmensinternen Transformationsprozesses. Perspektivisch soll es das noch im Betrieb befindliche Kohlekraftwerk in Baukau ersetzen und „umweltfreundliche Fernwärme“ für die Region liefern. Das sehen die Aktivsten und Aktivistinnen anders.

Das Buffet im Herner Protestcamp: Vegane Ernährung steht auf dem Speiseplan.
Das Buffet im Herner Protestcamp: Vegane Ernährung steht auf dem Speiseplan. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

„Ohne den Verbrauch zu reduzieren, geht es nicht“

„Im Verbrennungsprozess setzt Erdgas weniger Emissionen frei als Kohle. Allerdings wird bei der Förderung und beim Transport so viel Methan ausgestoßen, dass die Klimabilanz am Ende ähnlich ausfällt“, betont Fried. Klimafreundliche Alternativen wie solare Fernwärme würden in Deutschland kaum subventioniert. Die Gruppe ist der Ansicht, dass nachhaltigere Alternativen schon längst einen großen Teil der Energieversorgung ausmachen könnten, wenn man sie stärker fördern würde. Fried sagt aber auch: „Ohne den Verbrauch zu reduzieren, geht es nicht.“

Für das Catering im Camp ist Pierre (54) zuständig. Er tischt vegane Aufstriche auf und kocht für die Teilnehmer. Wohlgemerkt, mit Gas. Eine Alternative für die Bewirtung so vieler Menschen habe man nicht finden können, sagen die Organisatoren. „Ich setze mich schon lange fürs Klima ein“, berichtet Pierre. Früher habe er sich schon gegen Atomkraft engagiert, jetzt auch gegen andere umweltschädliche Technologien. Bei einem Camp sei er zum ersten Mal 2008 gewesen.

Bis zu 100 Protestler am Samstag in Herne erwartet

Tobias Peters ist aus Köln angereist. Dort engagiert er sich in der Bürgerinitiative „Klimawende“, die für den Ausbau erneuerbarer Energien kämpft. Sehr nahe gehe ihm das Schicksal der Menschen im Umfeld des Braunkohletagebaus Garzweiler, erzählt der 42-Jährige: „Es ist schon Wahnsinn, wenn man sieht, was da für riesige Löcher in die Erde geschaufelt werden.“ Dass dort auch noch Menschen für die Braunkohle umgesiedelt werden sollen, „das geht gar nicht.“

Ike Teuling (38) ist sogar aus dem Ausland nach Herne gekommen. Die Belgierin engagiert sich bei der Gruppe „Tegengas“, die ebenfalls gegen den Neubau von Gaskraftwerken protestiert. „Es ist gut, sich zu vernetzen und Erfahrungen zu teilen“, sagt sie. Noch ist es allerdings relativ ruhig. Den Höhepunkt des Camps bildet eine Demonstration am Samstag. Bis zu 100 Menschen aus ganz Deutschland erwarten die Organisatoren dann.

>>> Weitere Informationen: Demonstration am Samstag

Am Samstag veranstaltet Gas Exit eine Demonstration unter dem Motto „Gas is over – Nachhaltige Wärme statt fossile Dinosaurier!” Los geht es um 11 Uhr am Herner Bahnhof, dann zieht die Gruppe bis zum Kohlekraftwerk.

Die Polizei weist darauf hin, dass es infolge der Demo zwischen 9 und 16 Uhr zu Verkehrsbeeinträchtigungen in den Stadtteilen Herne-Mitte und Baukau kommen kann.

Bürgerinnen und Bürger werden gebeten, etwas mehr Zeit einzuplanen und am besten die entsprechenden Bereiche weiträumig zu umfahren.