Herne. Orientierung nach der Schule und oft Sprungbrett in den Beruf: 59 vor allem junge Menschen sind in Herne als Bundesfreiwillige im Dienst.
Der Zivildienst war früher für viele junge Leute eine Zeit der Orientierung. Die Möglichkeit in Bereiche reinzuschnuppern – und das länger und intensiver als bei einem Praktikum. Vor zehn Jahren kam stattdessen der Bundesfreiwilligendienst (BFD), bei dem sich nicht nur junge, sondern auch ältere Menschen engagieren können.
Möglichkeit sich zu orientieren
Bei der Stadt Herne können BFDler sich im Fachbereich Stadtgrün, in der Stadtbibliothek oder in der Seniorenberatungsstelle/ Altenbegegnungsstätte engagieren. „Aktuell haben wir einen BFDler, der nun bei uns eine Ausbildung im gärtnerischen Bereich anfängt“, sagt Sprecher Christoph Hüsken. „Die meisten kommen nach der Schule, wenn sie sich noch nicht ganz orientiert haben.“ Es sei eine tolle Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. „Wir freuen uns über die Unterstützung und bieten die Stellen deshalb gerne an.“
Bei der Caritas gibt es insgesamt 20 BFD-Stellen zu besetzen, wovon meistens rund 15 vergeben sind. Hier können Freiwillige sich in den Bereichen Verwaltung, mobiler Sozialer Dienst, Seniorenwohngemeinschaften, Schulbetreuung oder Möbelhof engagieren. „Am beliebtesten ist die Schulbetreuung“, sagt Elisabeth Bruns, die bei der Caritas im Bereich Personal und Controlling tätig ist. Die BFDler sind an offenen Ganztagsschulen, der Realschule Strünkede oder dem Haranni Gymnasium in der Übermittagsbetreuung. Da der BFD in Vollzeit läuft, können die Engagierten auch vormittags in den Unterricht eingebunden werden. „Das macht es für viele attraktiv, die gerne in Richtung Erzieher oder Lehramt gehen möchten.“ Verschiedene BFDler fangen nach ihrem Jahr eine Ausbildung bei der Caritas an oder machen ein duales Studium im Bereich Soziale Arbeit oder Gesundheitsmanagement, bei dem die Caritas dann Praxispartner ist.
Seniorenwohnungen haben Bedarf
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Durch Corona haben sich die Bewerbungen etwas verzögert. „Vor allem im Bereich der Seniorenwohnungen könnten wir noch mehr gebrauchen“, sagt Elisabeth Bruns. „Der Umgang mit dementiell veränderten Menschen ist für junge Leute oft nicht einfach und das verstehen wir.“ Trotzdem freuen sie sich über jeden, der sich für diesen Bereich interessiert. Dies müssen beim BFD übrigens nicht nur junge Leute sein, da die Möglichkeit auch für über 27-Jährige besteht. Jedoch: „Ältere haben wir ganz selten. Die sind meist auf dem Möbelhof. Obwohl sie natürlich in allen Bereichen eingesetzt werden können.“
Beim THW sind lediglich zehn Prozent der BFDler älter als 27 Jahre. Der Prozentsatz nehme durch den engagierten Ruhestand – ein Programm für Beamte der Postnachfolgeunternehmen – aber zu. „Der Großteil kommt nach der Schule oder nach einem ersten Studium“, sagt Alessia Sommer, Sachbearbeiterin BFD beim THW. Die Freiwilligen können entweder im Ortsverband eingesetzt werden, wo sie Dienste mit vorbereiten und unterstützen oder in der Regionalstelle im technischen oder Verwaltungsbereich.
Ziel des THW sei, bundesweit 2000 BFDler zu beschäftigen. In NRW sind es aktuell 90, davon drei in Herne im Ortsverein. „Der Bereich Elektrotechnik ist immer sehr beliebt.“ Zeigt sich, dass sich ein BFDler in einem Bereich besonders wohl fühlt, setzen die Betreuer sich dafür ein, dass er in diesem Gebiet bleiben und weitere Erfahrungen sammeln kann. „Unser Ziel ist, dass jeder eine Grundausbildung macht oder in unserem eigenen Bildungszentrum das Basiswissen lernt, um den Grundstock für ein späteres Ehrenamt zu legen.“ Bewerbungen erhalte das THW aktuell mehr als vor Corona: „Der BFD gibt einem Perspektiven für später und ist eine gute Möglichkeit festzustellen, was einem liegt.“
Berufswunsch überprüfen
Wer schon einen Berufswunsch nach der Schule hat, kann im BFD feststellen, ob dieser überhaupt zu ihm passt. So war es bei Lia Barschdorf. Die Wanne-Eickelerin machte ihr Abi auf dem Gymnasium Eickel, wollte eigentlich Automobilkauffrau werden. „Eine Freundin meiner Mutter arbeitet hier in der Tagespflege und hat mich gefragt, ob ich nicht ein freiwilliges Jahr machen möchte“, erzählt die 21-Jährige. Warum nicht, dachte sie sich, und begann ihren BFD im DRK-Altenhilfezentrum Königsgruber Park.
„Ich habe sehr schnell gemerkt, dass das genau mein Ding ist.“ Lia Barschdorf fühlte sich im Team direkt wohl und auch die Arbeit mit den alten Menschen erfüllte sie. „Anfangs hätte ich das nicht gedacht, aber es ist mein Traumberuf“, sagt sie strahlend. „Es ist so ein schönes Gefühl, was man an Dankbarkeit und Wertschätzung von den Bewohnern zurückbekommt.“ Noch während ihres BFD habe die Pflegedienstleitung sie angesprochen, ob sie nicht die Ausbildung zur Pflegefachkraft machen möchte. Seit Oktober 2020 ist sie nun in der Ausbildung. „Ich gehe jeden Tag zufrieden nach Hause.“
Als Auszubildende übernommen
Beim DRK Herne und Wanne-Eickel gibt es aber noch mehr Bereiche mit BFD-Stellen: Pflege und Betreuung in den Einrichtungen und im ambulanten Dienst, Fahrdienst, Beförderung von Rollstuhlfahrern, in der EDV-Abteilung und der Verwaltung, in der Organisation der Ersten Hilfe und in den Kleiderläden. Besonders beliebt seien Pflege und Betreuung sowie die Kleiderläden. „Alle Bundesfreiwilligen, die durch ihr Engagement in der Pflege dort einen Einblick bekommen haben, wurden bisher von uns als Auszubildende übernommen“, erklärt Sabine Bonk vom DRK. „In diesem Jahr gibt es sehr wenige Bewerbungen, so dass noch Plätze frei sind.“ Gestartet werden kann jederzeit.
Über 400.000 Menschen haben in den vergangenen zehn Jahren die vielfältigen Angebote des BFD genutzt.
Dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben zufolge sind aktuell in Herne 59 Bundesfreiwillige im Dienst – 57 im Alter bis 27 Jahre (18 männlich, 39 weiblich) und zwei männliche, die älter als 27 sind.
Freiwillige bekommen ein Taschengeld von maximal 426 Euro monatlich
Infos zum BFD unter www.bundesfreiwilligendienst.de