Herne. Anfang Juli ist ein neuer Glücksspielstaatsvertrag in Kraft getreten. Welche Auswirkungen er auf die Branche in Herne haben wird.
Anfang Juli ist ein neuer Glücksspielstaatsvertrag in Kraft getreten. Wesentliche Neuerungen sind die Legalisierung von Sportwetten und Online-Casinos sowie die Einführung einer Sperrdatei für Spieler. Die WAZ hat auf die Situation in Herne geschaut.
Der neue Glücksspielstaatsvertrag, der 2012 in Kraft trat, aber eine Übergangsfrist bis 2017 gewährte, löst den alten ab, obwohl dessen Nachwehen gerade erst verarbeitet sind. Und der bisherige Vertrag hatte deutliche Auswirkungen auf die Branche in Herne. Birgit Stegemann, Teamleiterin für Gewerbeangelegenheiten im Fachbereich Ordnung der Stadt Herne, tritt im Gespräch mit der WAZ einem Eindruck entschieden entgegen: Es gebe keine Flut an Spielhallen in Herne. Im Zuge der Umsetzung des Staatsvertrags seien neun Standorte mit insgesamt 26 Konzessionen abgebaut worden. In vier Fällen habe die Stadt gerichtliche Auseinandersetzungen mit Spielhallenbetreibern geführt - und alle gewonnen.
Stadt: Es gibt keine Spielhallenflut in Herne
Im Zuge der Standortüberprüfung habe die Stadt zunächst alle Betreiber auf ihre Zuverlässigkeit hin durchleuchtet, zum Beispiel mit Blick auf die erlaubte Anzahl der Geräte, Sperrzeiten oder Jugendschutz. So seien die „schwarzen Schafe“ aussortiert worden. In vier Fällen habe die Stadt gerichtliche Auseinandersetzungen mit Spielhallenbetreibern geführt - und alle gewonnen. Mit den anderen Betreibern habe man über Standort und Anzahl der Konzessionen verhandelt und sich geeinigt. Das bedeute, dass es im Zuge des neuen Staatsvertrags keinen wesentlichen Abbau von Standorten und Konzessionen mehr geben werde, so Werner Friedhoff, Leiter des Ordnungsamts.
Der Abbau habe sich nicht wesentlich auf das Steueraufkommen ausgewirkt, weil die Auslastung der einzelnen Geräte gestiegen sei. Deshalb geht man bei der Stadt zunächst nicht davon aus, dass die Steuereinnahmen sinken, weil Spieler mit der Legalisierung der Online-Casinos ins Internet abwandern.
Bei der Genehmigung von Wettbüros ist die Stadt außen vor. Hier ist die Bezirksregierung in Arnsberg Genehmigungsbehörde. Die Stadt Herne warte auf den Abschluss des Konzessionierungsverfahrens. So lange seien die Wettbüros geöffnet und würden toleriert, sagt Werner Friedhoff, Leiter des Ordnungsamts. Dieses Verfahren laufe - auch wegen Klagen - bereits seit 2012.
In der Pandemie wanderte das Glücksspiel teilweise in die Illegalität ab
Die Corona-Pandemie hat nach Beobachtung von Birgit Stegemann dazu geführt, dass sich das illegale Glücksspiel durch die Schließung der Spielhallen ausgebreitet habe und nicht einzufangen gewesen sei. Die Stadt habe Informationen, dass teilweise Kellerräume genutzt worden seien. Für die Strafverfolgung sei die Stadt allerdings nicht zuständig. Hinweise gebe die Stadt weiter an die Staatsanwaltschaft.
Für Friedhoff und Stegemann liegen die wesentlichen Änderungen des Staatsvertrags darin, dass Betreiber nun einen Sachkundenachweis erbringen muss. Dies sei mit einer schriftlichen Prüfung verbunden. Die Durchführung übernehmen spezielle Firmen. Darüber hinaus wird ein Sperrsystem bundesweit eingeführt, bei dem sich ein Spieler selbst sperren lassen kann oder durch die Spielhalle gesperrt wird, wenn es Hinweise auf Suchtverhalten gibt. Stegemann: „Der Spielhallenbesitzer möchte den Süchtigen gar nicht haben, weil er langfristig kein Geld bringt, weil irgendwann das ganze Geld weg ist.“ Die Stadt kontrolliere, ob das System in der Spielhalle installiert ist. Alle Herner Betreiber seien bereits dabei, die Vorgaben umzusetzen.
Auch das Personal müsse gesondert geschult werden. Dafür gebe es eine Übergangsfrist, weil die Zertifizierung erst jetzt, nach Inkrafttreten des Staatsvertrags, in Auftrag gegeben werden könne, so Stegemann. Die Schulung müsse bei der Stadt Herne nachgewiesen werden. Dies werde den Kontrollaufwand für die Stadt Herne erhöhen.
>>> DAS SAGT DER VEREIN KADESCH ZU DEN NEUEN REGELN
Bei Kadesch, der Herner Gesellschaft für Förderung der Jugend- und Suchtkrankenhilfe, gibt man sich zurückhaltend, was die neuen Regeln anbelangt. Die Schwelle, dass grundsätzlich mehr Glücksspiele in Anspruch genommen werden, werde durch die neuen erlaubten Angebote deutlich herabgesetzt, so Kristin Pfotenhauer, Geschäftsführerin der Jugend-, Konflikt- und Drogenberatung (JKD) bei Kadesch. Die virtuellen Angebote eröffneten die Gefahr der Verharmlosung, da etwa nicht unmittelbar mit „echtem Geld“ gespielt wird, sondern mit hinterlegten Konten bezahlt wird. Auch bleibe abzuwarten, inwieweit der Kinder- und Jugendschutz gewährleistet werde.
Die Frage, ob der neue Staatsvertrag Spielsüchtige schützen kann, lasse sich zum aktuellen Zeitpunkt nicht beantworten. Es bleibe abzuwarten, wie die Schutzmechanismen in der täglichen Praxis von den Anbietern und Betreibern umgesetzt werden.