Herne. Zwei Veranstalter, fünf Experten, ein Thema: Antisemitismus. Wie die live auf YouTube gestreamte Podiumsdiskussion im Herner Pluto ablief.

„Shalom und Salam“ - über Antisemitismus und die Auswirkungen des Nahostkonflikts auf das Miteinander in Deutschland hat am Mittwochabend eine Expertenrunde im Stadtteilzentrum Pluto in Bickern gesprochen. Sie hätte noch stundenlang dieser Diskussion folgen könnte, lobte eine Zuschauerin am Ende der per Live-Stream auf YouTube übertragenen Veranstaltung.

Ruf nach mehr Präventions- und Bildungsarbeit

Fünf Experten mit unterschiedlichem Background hatten das Bündnis Herne und der Verein Partnerschaft für Demokratien eingeladen, die ab 19 Uhr mit einer Ausnahme – ein Gast war zugeschaltet - auf dem Podium beziehungsweise vor der Kamera Platz nahmen. Der Konflikt sei komplex und in 90 Minuten nicht zu lösen, doch man wolle einige Ankerpunkte setzen, gab Moderator Fadl Speck (Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus) zu Beginn eine Richtung vor.

Auch über propalästinensische Demonstrationen - hier in Bochum am 15. Mai - und antisemitische Ausschreitungen wie in Gelsenkirchen sprachen die Teilnehmer der Diskussionsrunde im Pluto.
Auch über propalästinensische Demonstrationen - hier in Bochum am 15. Mai - und antisemitische Ausschreitungen wie in Gelsenkirchen sprachen die Teilnehmer der Diskussionsrunde im Pluto. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

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Unterschiedliche Erfahrungen, Ansätze und Facetten brachte das Quintett in die Diskussion ein. Nach einem persönlichen Blick auf die antisemitische Proteste in Deutschland im Mai lenkten die Teilnehmer den Fokus auf Ursachen von Antisemitismus - vor allem Unwissenheit wurde hier genannt - und in die Zukunft. Eine zentrale Frage: Wie kann man insbesondere bei jungen Menschen ansetzen?

So forderten Sobitha Balakrishnan (DINX-Instutut) und Micha Neumann (Antidiskriminierungsberatung ADIRA) mehr Bildungs- und Präventionsarbeit sowie den Aufbau von nachhaltigen Strukturen. Von durchaus positiven Erfahrungen bei der Arbeit mit Schülern berichteten Rabeya Müller vom Liberal-Islamischen Bund und Tuncay Nazik von der Islamischen Gemeinde Röhlinghausen. Anton Tsirin, Präsident der Jugend von Makkabi Deutschland, sagte, dass auch Lehrer bei diesem Thema häufig unsicher und unwissend seien. Man müsse das Thema Antisemitismus stärker in der Ausbildung von Lehrern und auch Schulsozialarbeitern verankern, um sie besser auf die Realität in den Klassenräumen vorzubereiten, sagte Neumann.

Live-Stream mit geringer Resonanz

Zahlreiche weitere Themen, Erlebnisse und Meinungen kamen an diesem Abend zur Sprache. Tuncay Nazik betonte beispielsweise die Bedeutung des Austauschs von muslimischen und jüdischen Gemeinden. „Es reicht nicht, wenn die Vertreter großer Organisationen ,Shalom und Salam’ sagen.“ Der persönliche Kontakt mit anderen Religionen sei sehr wichtig und werde von seiner Gemeinde auch gepflegt.

Zum Ende der 105-minütigen Diskussion konnten die Gäste noch einen Wunsch oder eine Hoffnung formulieren. Rabeya Müller verlieh der Hoffnung Ausdruck, dass sich Menschen unabhängig von ihrer Religion Seite an Seite den großen Problemen der Gesellschaft widmeten - wie zum Beispiel dem Klimawandel. Micha Neumann und Sobitha Balakrishnan wünschten sich derweil mehr Formate wie das im Stadtteilzentrum Pluto.

Die Reichweite blieb allerdings gering. Die Zuschauerin, die nach eigener Aussage noch stundenlang hätte zuschauen können, war am Mittwochabend eine große Ausnahme, denn: In der Spitze verfolgten nur 39 Menschen auf YouTube diese Veranstaltung.

Für sie sei die eher geringe Resonanz leider nicht neu, sagte Jacob Liedtke vom Bündnis im Nachgang der Diskussion zur WAZ. Bei früheren Live-Streams hätten sie allerdings die Erfahrung gemacht, dass die Beiträge anschließend auf YouTube deutlich häufiger angeschaut worden seien.

>>> Israelbezogener Antisemitismus

Den Begriff „israelbezogener Antisemitismus“ erklärte Antidiskriminierungsberater Micha Neumann im Pluto so: Wenn auf den Staat Israel antisemitische Stereotypen übertragen würden, wenn Juden mit dem Staat Israel gleichgesetzt würden und wenn der Staat Israel dämonisiert werde.

Differenzierte Meinungen ohne Verwendung solcher Stereotypen höre man in Diskussionen über den Nahostkonflikt leider nur sehr selten, so Neumann.