Herne. Die Nachfrage nach einer Impfung ist bei Kindern ab zwölf Jahren in Herne groß. Die Kinderärzte müssen aber sehr selektieren, da Impfstoff fehlt.

Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren dürfen sich in Herne seit dem Ende der Impfpriorisierung gegen Covid-19 impfen lassen – zumindest theoretisch. Denn Herner Kinderärzte sagen, dass die Nachfrage bei Eltern und Kindern zwar groß sei, aber auch für diese Altersgruppe fehle der Impfstoff, um allen Wünschen nachzukommen. Ob eine Impfung im Einzelfall sinnvoll ist, müsse zudem genau abgewogen werden.

„Wir haben etwa 300 Anfragen für Impfungen und die können wir längst nicht alle bedienen“, bedauert Anja Schulenburg, Kinderärztin an der Kreuzkirche in Herne-Mitte. Die Menge an Impfstoff, die sie erhalte, sei von Woche zu Woche unterschiedlich. Einige Patienten spreche sie kurzfristig in ihrer Sprechstunde an. Eltern mit schwerkranken Kindern zum Beispiel oder junge Frauen mit akutem Kinderwunsch. „Wir raten jedem: Lassen Sie sich vor der Schwangerschaft impfen, dann sind Sie raus.“

Impfung für Kinder ab 12 Jahren mit Vorerkrankung

Und nun impfe sie immer häufiger auch Patienten unter 18 Jahren, vor allem, wenn eine Vorerkrankung wie Asthma, Adipositas oder Trisomie 21 vorliege, so die Obfrau der Herner Kinderärzte. In der vergangenen Woche habe sie beispielsweise rund 60 Erstimpfungen an Kinder und Jugendliche verimpfen können, hinzu kamen Eltern, und rund 50 Prozent aller Impfdosen müssten für Zweitimpfungen eingesetzt werden.

Kinderärztin Anja Schulenburg beobachtet eine große Nachfrage für Corona-Impfungen bei Kinder und Jugendlichen. Es fehlt ihr aber derzeit an Impfstoff.
Kinderärztin Anja Schulenburg beobachtet eine große Nachfrage für Corona-Impfungen bei Kinder und Jugendlichen. Es fehlt ihr aber derzeit an Impfstoff. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Auch die Kinderarzt-Praxen Paedicum Ruhrkidz in Herne und Wanne geben auf ihrer Homepage an: „Leider ist der Impfstoff von Biontech derzeit begrenzt lieferbar, so dass für unsere Praxis eine Planung derzeit nicht möglich ist. Unsere Wartelisten sind bis zu den Betriebsferien gefüllt.“ Erst ab 1. August könnten sich Kinder und Jugendliche wieder für eine Impfung anmelden. Am Standort Herne beginnen die Impfung gegen Covid-19 erst am 1. September, heißt es dort weiter.

Stiko gibt keine allgemeine Impfempfehlung

Zudem weisen die Ärzte darauf hin, dass die Ständige Impfkommission (Stiko) für Kinder von zwölf bis 15 Jahren noch keine allgemeine Impfempfehlung gegeben hat. Dieser Hinweis ist auch Anja Schulenburg wichtig: „Wir halten die Impfung für Kinder ab zwölf Jahren für sinnvoll, impfen aber nur, wenn Eltern und das Kind selbst die Impfung wünschen.“

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Das Risiko einer Covid-Erkrankung sei auch für Kinder extrem hoch, das Restrisiko von Komplikationen wie eine Herzmuskel- oder Herzbeutelentzündung als Folge einer Impfung im Vergleich sehr gering, so ihre Einschätzung. Zwar erkrankten Kinder sehr selten so, dass sie auf einer Intensivstation landeten und die schwere Folgeerkrankung PIMS sei gut zu behandeln, aber „Long Covid“ könne auch für diese Altersgruppe ein Problem werden. „Wir glauben, dass die allgemeine Einschätzung, dass Kinder es nicht bekommen, keine Grundlage hat.“

„Ich würde nicht auf die Idee kommen, ein Kind für den Herdenschutz zu impfen“, betont Schulenburg. Aber die Impfung sei – auch mit besorgtem Blick auf die Delta-Mutante – der einzige Weg zu mehr Normalität und die bräuchten gerade die Kinder ganz dringend. „Wir hoffen, dass gegen Ende der Sommerferien genug Impfstoff vorhanden ist, und dann mehr Eltern ihre Kinder impfen lassen“, so die Kinderärztin. Wichtig sei aber, dass die Impfung freiwillig sei, denn ein kleines Restrisiko bleibe - und das könne einem niemand abnehmen.

Impftermine für Vorerkrankte ab 16 Jahren im Impfzentrum

Jugendliche ab 16 Jahren haben ab Mittwoch auch im Impfzentrum wieder eine Chance auf einen Termin – aber nur, wenn sie eine Vorerkrankung haben, sagt Martin Krause, Geschäftsführer des DRK in Herne, das das Impfzentrum im Revierpark Gysenberg organisatorisch leitet. Er könne Eltern verstehen, die mehr Sicherheit für ihre Kinder möchten, aber der Impfstoff sei weiter knapp. „Wir sind noch nicht mit der Impfung aller über 60-Jährigen und chronisch Kranken durch“, betont Krause. Und die Impfung dieser Personen halte er für noch dringender.

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Das Individualrisiko für Kinder und Jugendliche schätze er als eher gering ein, sehe aber auch die Gefahr, dass Schüler das Coronavirus aus den Klassenräumen mit in die Familien schleppten. Deshalb kommt er zu dem Schluss: „Wenn man sich den Anteil an Kindern und Jugendlichen ansieht, wird man nicht drum herumkommen, sie auch zu impfen, um eine Herdenimmunität zu erzielen. Er wünsche sich sehr, dass bald ausreichend Impfstoff vorhanden sei. Denn er habe mit Blick auf den Herbst Sorge vor einer möglichen vierten Welle, so Krause. „Es ist ein Wettrennen gegen die Zeit.“

>>>WEITERE INFORMATIONEN: Keine Impfpflicht

• Das Impfen von Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren ist in der EU grundsätzlich erlaubt. Die Ständige Impfkommission empfiehlt eine Impfung bei 12- bis 17-Jährigen aber nur bei besonderen Vorerkrankungen.

• Damit gilt die Aussage, allen Bürgerinnen und Bürgern bis zum Ende des Sommers ein Impfangebot zu machen, nun auch für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel nach den Bund-Länder-Beratungen Ende Mai bekräftigte.

• Der Schulbesuch solle aber unabhängig davon möglich sein und kein indirekter Impfzwang auf die Eltern ausgeübt werden, so Merkel.