Herne. Durch das Impfen kommen Herner Ärzte an die Grenze ihrer Kapazitäten. Hausbesuche etwa bleiben auf der Strecke. Das Impfzentrum bleibt geöffnet.

Seit einigen Wochen können sich Herner nicht nur im Impfzentrum, sondern auch bei niedergelassenen Ärzten gegen das Coronavirus impfen lassen. Für die Ärzte bedeutet das deutlich mehr Arbeit und Zeitaufwand. Denn das Impfen komme „einfach oben drauf“, sagt Ärztesprecher Dr. Heinz Johann Struckhoff. Schon jetzt arbeiteten die niedergelassenen Ärzte an ihren Kapazitätsgrenzen.

Für viele alltägliche Tätigkeiten, wie etwa Hausbesuche, bleibe momentan kaum Zeit, so Struckhoff. Vor allem der bürokratische Teil des Impfens – beispielsweise Patienten anzurufen, wenn ein Termin kurzfristig freigeworden ist – fordere viel Zeit. Die Belastung sei sowohl für die Ärzte als auch für die Mitarbeiter sehr hoch.

Nur mit Hilfe des Impfzentrums sei es möglich, viele Herner zu impfen. „So können die Menschen, die praxisungebunden sind, ins Impfzentrum gehen.“ Struckhoff hofft, dass er – sobald er seine Patienten durchgeimpft hat – wieder seinen alltäglichen ärztlichen Tätigkeiten nachkommen kann. „Ich möchte schließlich nicht nur noch Impfarzt sein.“

Herner Ärztesprecher: „Die Jugendlichen wurden bisher vergessen“

Auch interessant

Eine mögliche Lösung sieht der Allgemeinmediziner in der Einbindung von Betriebsärzten. Diese könnten Routineuntersuchungen kurzzeitig aussetzen und sich voll und ganz aufs Impfen konzentrieren. „Zudem erreichen Betriebsärzte in großen Firmen Tausende Angestellte.“

Das Wichtigste sei nun, dass es möglichst schnell neuen Impfstoff gebe „und dann endlich die Impfpriorisierung aufgehoben wird“. In seiner Praxis habe er bereits die chronisch Kranken geimpft. Auch die Alten- und Pflegeheime in Herne seien durchgeimpft. Es sei nun dringend an der Zeit, dass auch Jugendliche und junge Erwachsene Impfstoff erhielten, so Struckhoff. „Die wurden bisher von der Politik komplett vergessen.“

Die Impfkampagne hat in Herne in den vergangenen Wochen deutlich an Fahrt aufgenommen. Nach Angaben der Stadt haben bislang mehr als 51.000 Menschen in Herne eine Impfung erhalten. Trotz des Tempos sehen DRK-Geschäftsführer Martin Krause und auch die Stadt keinen Anlass für eine baldige Schließung des Impfzentrums am Gysenberg.

Auch interessant

Die Quote der Erstimpfungen liegt laut Krause bei 31,56 Prozent, bei den Zweitimpfungen bei 8,59 Prozent. Beim Anteil der Erstgeimpften liegt Herne im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe hinter Münster, Olpe, Hagen, Bottrop und Höxter auf dem sechsten Rang.

Stadt Herne: „Das Impfzentrum ist sehr wichtig für die Stadt“

Angesichts des Fortschritts sind in der Bundespolitik erste Forderungen laut geworden, die Impfzentren zu schließen und das Impfen den Hausärzten zu überlassen, wenn Anfang Juni die Impfpriorisierung aufgehoben werden sollte. Doch bei der Stadt Herne und beim DRK denkt man nicht an eine Schließung. „Das Impfzentrum ist sehr wichtig für die Stadt“, so Stadtsprecher Christoph Hüsken. Ohne es stünde die Impfkampagne nicht dort, wo sie jetzt sei. Es sei notwendig, das Impfzentrum „bis auf Weiteres“ aufrecht zu erhalten.

Das Land habe die Finanzierung des Impfzentrums bis Ende September sichergestellt, so DRK-Geschäftsführer Martin Krause im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. DRK-Mitarbeiter sind im Impfzentrum für die Registrierung und Betreuung der Impflinge zuständig. Krause bezeichnet das Zentrum als „wichtigen Baustein“ in der Impfkampagne. Schön wäre es, wenn endlich so viel Impfstoff zur Verfügung stünde, dass das Impfzentrum mal an die Belastungsgrenze komme. Im Schnitt würden 600 bis 700 Impfungen pro Tag durchgeführt, es seien aber auch mehr als 1000 möglich.

Auch die Kassenärztliche Vereinigung lehnt eine Schließung der Impfzentren ab, sie leisteten einen wichtigen Beitrag zu den Impfungen gegen Corona. Die KVWL sieht eher die Notwendigkeit einer Doppelstrategie. „Einen großen Schritt nach vorn hat die Einbeziehung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in die Kampagne gebracht. Nur so kann das Ziel der Durchimpfung der Bevölkerung bis Mitte des Jahres erreicht werden.“