Herne. „Kader – The Fate“: So heißt ein Kurzfilm der Jung-Regisseurin Zehra Karahan aus Herne. In dem Film greift sie das Schicksal einer Flucht auf.

Bei Flüchtlingen denken die meisten wohl an Menschen, die vor einem Krieg etwa in Syrien fliehen. Dass es aber auch viele Menschen gibt, die aus der Türkei flüchten, weil sie anders denken als die Regierung, ist weniger bekannt. Zehra Karahan, die Filmproduktion am „SAE Institute“ in Bochum studiert, möchte mit ihrem Kurzfilm „Kader – The Fate“ auf das Schicksal dieser Menschen aufmerksam machen.

„Ich möchte nicht wegsehen und still bleiben“, sagt Zehra Karahan, die vor fünf Monaten mit ihrem Mann nach Herne gezogen ist. Geboren und aufgewachsen ist sie in Bayern, hat zunächst in Stuttgart studiert und macht nun ihren Bachelor in Bochum. Die 28-Jährige hat mit Flüchtlingen aus der Türkei gesprochen, einige sind ihre Freunde. „Journalisten, Anwälte, Politiker, Hausfrauen – jeder, der versucht, sich zu wehren, wird verhaftet oder unterdrückt“, berichtet sie. Oft bleibe nur die Flucht. „Deshalb habe ich dieses Thema für meine Abschlussarbeit gewählt.“

Herne: Das Skript zu dem Film schrieb die Filmemacherin selbst

Teddy Pamuk spielt in „Kader – The Fate“, dem Kurzfilm von Zehra Karahan (Bild), eine tragende Rolle.
Teddy Pamuk spielt in „Kader – The Fate“, dem Kurzfilm von Zehra Karahan (Bild), eine tragende Rolle. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Stellvertretend für unzählige Schicksale entwarf sie eine Geschichte um das kleine Mädchen Kader und ihre Eltern. Der Vater, ein Journalist, wurde inhaftiert, weil er sich systemkritisch äußerte. Nach seiner Freilassung plant die Familie die Flucht nach Griechenland. Erzählt wird in dem 15-minütigen Streifen – auf Türkisch mit englischen Untertiteln – alles aus der Sicht von Kader, die nur einige Habseligkeiten, darunter ihren geliebten Teddy Pamuk, mitnehmen kann. In eindrucksvollen Bildern zeigt Karahan, mit welchen Sorgen und Ängsten die Familie aufbricht und schließlich mit dem Boot den Fluss Mariza überqueren möchte.

Das Skript dazu schrieb sie alleine: „Es ist ein kritisches Thema“, erklärt sie. Dennoch schrieb sie unzählige Kameramänner, Editoren und ähnliche Beteiligte an. „Ich hatte ja kein Budget und fand es toll, dass sich einige, sogar bekannte Filmmenschen meldeten, die nichts für ihre Arbeit verlangten.“ Fünf Tage dauerte der Dreh in Stuttgart. Unter den Schauspielern einer, der selber geflüchtet ist. Seine Frau und Kinder sollten nachkommen und steckten lange in Griechenland fest. „Seine Frau hat die Strapazen nicht überlebt, deshalb setzt er sich heute dafür ein, dass sich die Situation ändert.“ Azra Engin spielt das Kind, Derya Şahin die Mutter und Uzay Gökhan Irmak den Vater.

Ein Teil ihrer Familie lebt noch in der Türkei

Auf der Flucht: Azra Engin spielt das Kind, Derya Şahin die Mutter, Uzay Gökhan Irmak den Vater.
Auf der Flucht: Azra Engin spielt das Kind, Derya Şahin die Mutter, Uzay Gökhan Irmak den Vater. © Zehra Karahan

Das, was die junge Frau bislang von Herne und dem Ruhrgebiet gesehen hat, gefällt ihr gut: „Die Menschen sind sehr nett und offen.“ Allgemein sei sie sehr froh, in einem Land zu leben, in dem jeder ohne Angst offen seine Meinung sagen kann: „Ich darf für die Freiheit von unschuldigen Menschen kämpfen, ohne zu fürchten, dass ich deswegen verhaftet werde.“ Ein Teil ihrer Familie lebt noch in der Türkei, erzählt die Wanne-Eickelerin. Es gebe eine gewisse Verbundenheit. Trotzdem sei sie seit einigen Jahren nicht mehr in die Türkei gereist: „Ich finde es unmoralisch, in einem Land Urlaub zu machen, in dem Unschuldige im Gefängnis sitzen.“

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Ihre Eltern, die schon seit einigen Jahren in Herne leben, seien sehr stolz auf sie und ihren Kurzfilm. Auch ihre Freunde, vor allem diejenigen, die selber flüchten mussten, waren sehr glücklich darüber. „Ich habe bislang nichts Negatives gehört“, freut sich Karahan, die sich gut vorstellen kann, in Herne zu bleiben. Nach dem Studium möchte sie Erfahrungen sammeln, um später selber Regie zu führen und irgendwann Filme komplett zu produzieren. Mit ihrer Abschlussarbeit konnte sie übrigens nicht nur Familie und Freunde überzeugen. Insgesamt wurde „Kader – The Fate“ bei vier Festivals nominiert, zwei Preise gewann der Kurzfilm.

>> WEITERE INFORMATIONEN: Preise gewonnen

Am 1. November 2020 wurde „Kader – The Fate“ beim Refugees Welcome Film Fest im Kino Babylon in Berlin gezeigt. Er wurde als „Best Short Drama Honorable Mention“ beim New Cinema – Lisbon Monthly Film Festival ausgezeichnet und erhielt den „Audience Award“ beim Feel The Reel International Film Festival.

Der Kurzfilm ist bei YouTube unter Kader – The Fate (https://youtu.be/gjarwxmibfo) zu finden.