Herne. Friseure und Kunden sind erleichtert: Seit Montag sind die Salons in Herne wieder geöffnet. Warum die Zeit für Auszubildende schwierig bleibt.
„Endlich“, sagt Dagmar Leberkern, als sie am Montagmorgen den Reißverschluss ihres langen schwarzen Mantels öffnet und die schwere Jacke an die Garderobe hängt. Es ist erst kurz vor neun. Aber die großen Glastüren des Herner Friseursalons „Perfect Hair“ an der Bahnhofstraße stehen bereits sperrangelweit offen. Draußen, zwischen den Häusern, hängt noch dichter Nebel. Doch in dem Friseursalon kehrt so langsam wieder Leben ein.
Es ist der Ansatz, der Dagmar Leberkern so stört. „Man fühlt sich einfach nicht mehr wohl“, sagt sie, schaut in den Spiegel und fährt sich durch das kurze blonde Haar. Währenddessen fallen ein paar Meter weiter bereits die ersten Haare zu Boden. Der 90-jährige Karl-Heinz Wischinski stand am Morgen als allererster vor der Ladentür. Das Surren der Haarschneidemaschine hat der langjährige Stammkunde sichtlich vermisst.
„Es wurde höchster Zeit“, sagt Wischinski, als er zehn Minuten später vom Friseurstuhl aufsteht. Zwar habe seine Schwiegertochter ihm angeboten, die grauen Haare selbst zu stutzen. Aber der 90-Jährige lässt nur die Profis ans Werk: „Das muss korrekt sein“, sagt er und streift sich durch seine nun nur noch wenige Millimeter kurzen Haare.
Erster Friseurtermin nach dem Lockdown: „Ich habe mich gefreut wie Bolle“
Zehn Kunden können Inhaber Dirk Gresch und seine Mitarbeiterinnen in dem Salon gleichzeitig frisieren. Doch längst nicht alle Plätze sind am Montagmorgen besetzt. „Es bringt nichts, alle Kunden gleich in den ersten beiden Wochen zu bedienen“, begründet der Geschäftsführer die zwei, drei freien Stühle in dem 140 Quadratmeter großen Salon. Das würde nur dazu führen, dass die Friseurinnen in einigen Wochen wieder weniger zu tun hätten – und vielleicht sogar in Kurzarbeit müssten.
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Außerdem sei der erste Tag für die Mitarbeiterinnen nach wochenlangem zuhause sitzen aufregend und anstrengend genug. Alexandra Tomczak kann das bestätigen. Sie arbeitet seit sieben Jahren in dem Herner Friseursalon. Doch eine so lange Pause vom Haareschneiden habe sie bislang nicht gehabt. Dass es plötzlich „von 0 auf 100“ wieder losgeht, habe ihr daher auch Sorgen bereitet: „Zwei Tage vor der Öffnung hatte ich schon ein bisschen Angst“, gibt sie zu. „Ob ich das Handwerk überhaupt noch beherrsche?“
Doch ihr Kunde Kai Böning ist zufrieden. „Es ist eine Befreiung“, sagt er, als die ersten Strähnen zu Boden fallen. Normalerweise lässt sich der Herner alle drei Wochen die Haare schneiden. „Ich habe mich gefreut wie Bolle, dass ich direkt für heute einen Termin bekommen habe“, erzählt er. „Mich hat man nur noch mit Mütze oder Cappy gesehen.“
Friseur aus Herne: „Die gesamte Branche zeigt weniger Ausbildungsbereitschaft“
Dirk Gresch, der insgesamt 17 Friseursalons im Ruhrgebiet betreibt, blickt trotz aller Freude über die Wiedereröffnung ungewiss in die Zukunft. Ob es noch einen dritten Lockdown geben wird? „Ich kann es nicht sagen“, antwortet Gresch und zuckt mit den Schultern. Viele seine Kollegen würden einen erneuten Shutdown aber nicht überstehen, einige seien bereits an ihre private Altersvorsorge gegangen.
Und auch für den Nachwuchs wird es schwerer. Weil sie noch nicht selbst zur Schere griffen, sondern oft nur über die Schulter schauen dürften, sei vor allem in den kleineren „Perfect Hair“-Filialen kein Platz für sie. Haareschneiden können sie allenfalls nach Ladenschluss in den Abendstunden üben. „Die gesamte Branche zeigt weniger Ausbildungsbereitschaft“, sagt Gresch – und das, obwohl auf dem Markt ohnehin ein Mangel herrsche. Dazu komme: „60 Prozent der Auszubildenden brechen ab.“ Lange Arbeitstage, das viele Stehen und die Geduld, „das viele Üben, bis man etwas kann“, seien das Problem.
Friseurinnen und Kunden freuen sich auf das persönliche Gespräch
Das Telefon steht am Montagmorgen kaum still. „Wir brauchen unbedingt noch jemanden, der an der Rezeption steht“, sagt Dirk Gresch und nimmt den Hörer in die Hand. Immer wieder kommen Kunden vorbei, die einen Termin vereinbaren möchten – und die letzten Lücken im März füllen.
Und es zeigt sich: Es ist nicht nur der frische Haarschnitt, der vielen Menschen in diesen Zeiten fehlt. „Es sind die persönlichen Gespräche, der soziale Kontakt“, sagt Friseurin Alexandra Tomczak, „einfach mal wieder andere Menschen sehen, sich unterhalten“ – auch wenn es nur ein Friseurtermin in vier Wochen ist, den man vereinbart.
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WEITERE INFORMATIONEN
Seit dem 1. März dürfen die Friseurbetriebe sowie Fußpfleger in NRW wieder öffnen. Kosmetikbetriebe bleiben weiterhin geschlossen.
Kunden und Mitarbeiterinnen müssen im Salon eine medizinische Maske oder eine FFP2-Maske ohne Ausatemventil tragen. Außerdem müssen die Kunden vorab einen Termin vereinbaren. Spontane Friseurbesuche sind nicht erlaubt.