Herne. Ab heute sind alle Kinder eingeladen, wieder die Kitas zu besuchen. Eltern und Kinder freuen sich. Kita-Leiterin findet es „ganz schrecklich“.

Mit leuchtenden Augen und einem Strahlen im Gesicht ist am Montag nach mehr als zwei Monaten wieder die Mehrzahl der Kinder in die Kitas zurückgekehrt. Nach dem wochenlangen Appell an die Eltern, ihre Kinder wenn irgend möglich zu Hause zu betreuen, hatte sie NRW-Familienminister Joachim Stamp eingeladen, ab heute wieder in die Kitas zu kommen – wenn auch mit um zehn Stunden reduziertem Betreuungsumfang.

„Das ist ganz schrecklich“, platzt es aus Ute Rotthoff heraus. Die Leiterin der katholischen Kita St. Barbara in Röhlinghausen ist über diesen Schritt bestürzt: „Ich halte gar nichts davon. Wir sind schutzlos ausgeliefert, können als einzige Berufsgruppe keine Maske zum Schutz tragen.“ Zudem könne beim Wickeln und Trösten kein Abstand gehalten werden. Es werde höchste Zeit, dass Erzieherinnen und Erzieher in die Impfgruppe 2 hochgezogen würden.

Kita-Leiterin rechnet mit erneuter Schließung in ein paar Wochen

Natürlich sei es für die Kinder besser, wieder in die Kita zu kommen und sie betont auch: „Natürlich freuen wir uns auf die Kinder. Was ist eine Kita ohne Kinder?“ Dennoch wäre es aus Sicht des Infektionsschutzes besser gewesen, den Appell aufrecht zu halten, die Kinder möglichst zu Hause zu betreuen, findet Ute Rotthoff. Sie fürchtet, dass die Zahlen durch die Mutationen nun explodieren und die Kitas dann in zwei, drei Wochen wieder schließen oder auf eine Notbetreuung umstellen. „Ich bin überzeugt, dass die Inzidenz so hoch geht, dass wir ab Ostern eine Ausgangssperre haben.“

Ute Rotthoff, Leiterin der Kita St. Barbara, fühlt sich und alle Erzieherinnen und Erzieher von der Politik im Stich gelassen. Sie fordert eine schnelle Impfung dieser Berufsgruppe.
Ute Rotthoff, Leiterin der Kita St. Barbara, fühlt sich und alle Erzieherinnen und Erzieher von der Politik im Stich gelassen. Sie fordert eine schnelle Impfung dieser Berufsgruppe. © Funke Foto Services GmbH | Rainer Raffalski

Sie fühlt sich und ihr Team von der Politik im Stich gelassen. „Man zwingt mich, arbeiten zu gehen, und das mit voller Wucht“, sagt sie. „Wenn ich an Corona erkranke, werde ich die Politiker wegen unterlassener Hilfeleistung verklagen.“ Sie würde sich, wenn möglich, noch heute impfen lassen, auch mit dem umstrittenen Impfstoff Astrazeneca, schließlich sei ein 70-prozentiger Schutz besser als gar keiner. Und dann könne man die Kitas auch wieder komplett öffnen.

Eltern seien am Limit

Elisabeth Weyen, Chefin der evangelischen Kitas in Herne, zeigt hingegen für die jetzige Öffnung Verständnis: „Für die Kinder ist es auf jeden Fall gut und die Eltern sind im Moment echt am Limit.“ Auch ohne diese Entscheidung sei der Punkt erreicht, an dem immer mehr Eltern ihre Kinder wieder in die Kita gebracht hätten.

Aber auch bei ihr geht dieser Schritt mit Ängsten einher: „Wir haben große Sorge, wie sich das entwickelt, weil kein Schutz vorhanden ist.“ Vor allem die Mutation mit einer erhöhten Ansteckungsgefahr beunruhige die Erzieherinnen und Erzieher. Auch sie hofft auf eine schnellere Impfung dieser Berufsgruppe; das sei „die einzige Hoffnung“.

Sorge vor nächstem Öffnungsschritt am 8. März

Besondere Sorge bereite ihr und den Kita-Leitungen die Ankündigung, dass es ab dem 8. März wieder einen Regelbetrieb mit vollem Betreuungsumfang aber in getrennten Gruppen geben könnte. Dies sei personell vielerorts nicht machbar. Und auch, wenn das Ministerium es den Kitas offen gestellt hat, zu entscheiden, ob eine solche Erweiterung der Betreuungszeit leistbar ist, fürchtet sie: „Das wird zu vielen unschönen Diskussionen mit Eltern führen“. Schon jetzt gebe es Eltern, die darauf dringen, dass das Kind wieder 45 Stunden in die Kita kommen könne – diese Möglichkeit sieht Weyen in absehbarer Zeit aber nicht.

In der Kita St. Barbara ist es am Montag wieder trubeliger als in den Vorwochen, Eingewöhnungsprobleme habe es nach all den Wochen nicht gegeben, sagt Ute Rotthoff. Aber nicht alle Eltern schicken ihre Kinder wieder in die Kita – obwohl sie dürften. 28 von 42 Kinder sind am Montag in ihre Kita gekommen (in der Phase davor waren es meist um die zehn). Es hätten aber auch Eltern angerufen, so die Kita-Leiterin, die ihre Kinder noch zwei Wochen zu Hause behalten möchten, um erstmal zu beobachten, wie sich die Lage weiter entwickelt.

>>> STADTELTERNRAT FORDERT KLARHEIT ZU KITA-GEBÜHREN

Der Vorsitzende des Stadtelternrats befürwortet den Schritt der Öffnung der Kitas für alle. „Alle sind sehr froh, dass es wieder einen regelmäßigen Betrieb gibt“, sagt Andreas Gerdesmann. Natürlich hofften nun alle, dass sich die Infektionen nicht häuften und die Kitas geöffnet bleiben könnten.

Gerdesmann spricht sich für eine baldige Impfung der Erzieherinnen und Erzieher aus. „Das wäre ja auch ein Schutz für unsere Kinder“, sagt er. Denn für Kinder gebe es ja leider noch keinen Impfstoff. Dieses Thema sollte mit höchster Priorität angegangen werden, aber Kinder hätten keine Lobby, kritisiert er.

Außerdem wirft er der Stadt vor, dass es nicht längst eine einheitliche Regelung zu den Kita-Gebühren gibt. Bereits im ersten Lockdown hätte der Rat beschließen können, dass auch künftig keine Gebühren gezahlt werden müssen, wenn die Kinder wegen eines Lockdowns die Kita nicht besuchen, sagt der Vorsitzende des Stadtelternrats. Dass dies nicht geregelt ist, sei sehr unerfreulich und ärgere die Eltern.

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