Bochum/Herne. Im Herner Trickbetrug-Prozess hat ein von der „Polizisten-Bande“ ausgenommener Senior ausgesagt. Der 80-Jährige gab beeindruckende Details preis.
Mit einer bedrückenden Zeugenaussage eines finanziell ausgenommenen Rentners (80) ist am Bochumer Landgericht der Trickbetrug-Prozess gegen einen Familienvater (58) aus Herne fortgesetzt worden. Dem Professor aus Köln waren von einer Bande falscher Polizisten insgesamt zwei Kilo Goldbarren aus seinem Schließfach abgeluchst worden. „Das bleibt mir in den Klamotten hängen bis zu meinem letzten Atemzug“, sagte der Senior mit tränenerstickter Stimme.
Während seiner rund einstündigen Befragung gab der 80-Jährige am Dienstag im großen Schwurgerichtssaal anschaulich preis, wie perfide und professionell die betrügerischen Anrufer aus der Türkei in seinem Fall vorgegangen waren. „Es war am 17. Juni 2020 gegen zwölf Uhr, das weiß ich noch ganz genau. Es war ein Mann ohne Akzent, der mich anrief und sich mir als Kripoleiter ‚Thomas Brand‘ vorstellte. Angeblich sei in der Nachbarschaft ein schwerer Raubüberfall passiert und es bestünde jetzt die Gefahr, dass ich als nächster überfallen werde“, erinnerte sich der Pensionär.
Auf sein anfängliches Abwiegeln („Ich habe allenfalls eine Briefmarkensammlung, mehr ist bei mir nicht zu holen“) habe ihn der vermeintliche Polizeibeamte dann aber mehr und mehr verunsichert. Selbst ein von ihm verlangter Kontrollanruf bei der 110 zur Überprüfung der Identität habe den Anrufer nicht aus der Ruhe gebracht.
Senior deponiert Goldbarren an einer Mülltonne
Im Nachhinein bekam der 80-Jährige heraus: Er war gar nicht bei der 110 gelandet, sondern das Telefonat war von der Polizisten-Bande trickreich abgefangen – und ihm dann die Identität „Thomas Brand“ bei der Kripo bestätigt worden. Der Senior: „Das Ganze ging ungefähr vier Stunden und ich fühlte mich zunehmend bedroht“, sagte der Zeuge. Irgendwann sei das Gespräch auf externe Aufbewahrungsorte, wie zum Beispiel ein Bankschließfach, gelenkt worden. Nach seiner Bestätigung, dass er eines besitze und dort sein „Goldvorrat“ deponiert sei, habe es plötzlich geheißen: „Fahren sie schleunigst zu ihrer Bank und kontrollieren sie, ob ihr Gold nicht schon ausgetauscht wurde durch Imitate. In der Bank gibt es einen untreuen Mitarbeiter, der Zugriff auf ihr Konto hat.“
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Der 83-Jährige räumte ein, danach völlig durcheinander gewesen zu sein. Und tatsächlich zu seiner Hausbank gefahren zu sein, das Schließfach geleert („Das Gold lag da drin und glänzte wie immer“) und seine Ersparnisse mit nach Hause genommen zu haben. Später habe er es dann „zur Sicherheit“ draußen an einer Mülltonne für einen Abholer deponiert.
Senior ist aus Angst in ein Seniorenheim umgezogen
Dass sich Kriminelle seine Ersparnisse geholt hatten, dämmerte dem 80-Jährige bereits kurz danach. Dem Anrufer, der ihn offenbar immer noch hinhalten wollte, sagte der Professor nach der Rückkehr in seine Wohnung: „Jetzt ist mir klar, dass sie mein Gold gestohlen haben.“ Dann habe er aufgelegt. Wenig später sei ihm aufgefallen, dass noch zwei 250-Gramm Goldbarren auf seinem Schreibtisch lagen, die er in all der Eile nicht in die zu übergebende Tasche gepackt hatte. „Auf diese Weise wurden immerhin 25.000 Euro gerettet“, erinnerte sich der Senior.
Was er sich für den aktuellen Trickbetrug-Prozess gegen den angeklagten Herner wünsche, bei dem offenbar die deutschlandweit von Bandenmitgliedern erbeuteten Ersparnisse von Dutzenden Opfern abgegeben wurden, formulierte der Rentner zum Schluss seiner Vernehmung so: „Ich will, dass diesen Burschen das Handwerk gelegt wird.“ Aus Angst sei er zuletzt in ein Seniorenwohnheim umgezogen. Der Prozess wird fortgesetzt.
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