Herne. Zwei Herner sollen Senioren mit dem Polizisten-Trick ausgenommen haben. Schaden laut Anklage: fast drei Millionen Euro. Jetzt begann der Prozess.

Die Anrufer gaben sich als Polizisten aus, die Opfer waren voller Sorge um ihr Vermögen: Ein Vater (58) und sein Sohn (32) aus Herne müssen sich seit Donnerstag vor dem Bochumer Landgericht verantworten. Das Duo soll bis zum Sommer 2020 Teil einer internationalen Bande von „falschen Polizisten“ gewesen sein und in ganz Deutschland Senioren mithilfe von gemeinen Lügengeschichten um ihre Ersparnisse gebracht haben. Laut Anklage geht es um einen Betrugsschaden in geradezu schwindelerregender Höhe: 2,94 Millionen Euro.

Anrufe aus Call-Centern in der Türkei mit gefälschten Telefonnummern

Die Masche der „Polizisten-Bande“ um die beiden Herner war laut Staatsanwaltschaft fast immer gleich: Aus einem Callcenter in der Türkei erhielten zwischen dem 1. Juni 2019 und dem 30. Juli 2020 Dutzende Senioren Telefonanrufe von besonders gut Deutsch sprechenden Hintermännern. Teils sogar mit manipulierten Nummern, die den späteren Opfern Nummern anzeigen, die tatsächlich dem Bundeskriminalamt oder deutschen Polizeidienststellen zuzuordnen sind.

„Hallo, hier spricht Staatsanwalt Wagner. Ich muss Sie warnen: Sie stehen ganz oben auf der Liste einer rumänischen Einbrecherbande.“ So oder so ähnlich schürten die Anrufer (im Bandengefüge „Keiler“ genannt) bei den späteren Opfern erst reihenweise Angst, boten dann aber an, einen „rettenden“ Polizeibeamten vorzuschicken, der die Ersparnisse abholen und so beschützen werde. Die Tatorte der 28 angeklagten Fälle lagen unter anderem in Köln, Frankfurt, Konstanz und Stuttgart.

Senior aus Castrop-Rauxel übergab Gegenstände im Wert von fast 200.000 Euro

Aber auch im Ruhrgebiet soll die „Polizisten-Bande“ um die zwei Herner Angeklagten zugeschlagen haben. Ein telefonisch völlig verunsicherter Senior (83) aus Castrop-Rauxel übergab einem falschen Polizisten im März 2020 Gegenstände im Wert von fast 200.000 Euro: Darunter 29.000 Euro Bargeld, eine „Preußen-Sammlung“ in Gold und Silber, ein Sparbuch und diverse Münzen. In Dortmund hatte eine Anruferin eine 78-jährigen Rentnerin damit eingeschüchtert, dass bei einem festgenommenen Einbrecher ein Zettel mit ihrer Anschrift gefunden worden sei. Sie solle daher besser sämtliche Wertgegenstände in einer Tasche bereitstellen, ein Polizeibeamter käme dann vorbei und hole die Gegenstände ab - was dann auch geschah. Auch hier spricht die Anklage von fast 200.000 Euro Schaden.

Polizei kam Herner „Logistikern“ durch einen Tipp auf die Spur

Den dicksten Coup landete die Bande laut Staatsanwaltschaft aber in Elversberg: Hier deponierte ein 85-jähriger Senior neben seinem Anwesen zur Abholung für einen vermeintlichen Zivilpolizisten den gesamten Inhalt seines Bankschließfaches: Unter anderem neun(!) Kilo Gold in 40 einzelnen Barren.

[In unserem lokalen Newsletter berichten wir jeden Abend aus Herne. Den Herne-Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen.]

Der angeklagte Vater aus Herne soll ebenso wie sein Sohn als „Logistiker“ eine Schlüsselrolle innerhalb der Bande eingenommen und in einer Wohnung am Westring die Tatbeute von den falschen Polizisten entgegengenommen haben. Auslöser für das Verfahren war ein anonymer Hinweis von einem Tippgeber, der beobachtet hatte, dass dort am Westring regelmäßig größere Geldbeträge übergeben werden, die aus Betrugstaten „falscher Polizisten“ stammen.

Zum Prozessauftakt vor der 11. Strafkammer haben sich weder der Vater noch der Sohn zu den Vorwürfen geäußert. Aktuell sind noch elf weitere Verhandlungstage bis zum 24. März anberaumt.