Herne. Während des Lockdowns sehnen sich viele nach einem Haustier als Begleiter. Warum Tierschützer in Herne diesen Trend mit Sorge sehen.

So viel Zeit in den eigenen vier Wänden haben die meisten wohl noch nie verbracht. Lockdown, Homeoffice, Homeschooling – alles spielt sich Zuhause ab. Viele, die sonst keine Zeit für ein Haustier haben, spielen mit dem Gedanken, sich eins anzuschaffen oder haben es schon getan. Das Tierheim sowie die Tierschutzorganisation Tasso sehen das mit Besorgnis.

„Die Nachfrage nach Tieren ist schon da“, sagt Wolfgang Scheibel vom geschäftsführenden Vorstand des Tierheims Herne-Wanne. Vor dem Hintergrund der Pandemie schaue das Team aber noch genauer hin, an wen Tiere vermittelt werden. „Wer nur ein Tier haben will, weil er jetzt Zeit hat durch Kurzarbeit oder Ähnliches, dem raten wir ab und sagen, dass er es sich gut überlegen sollen, ob das Tier wirklich dauerhaft gut versorgt werden kann.“ Die meisten nehmen dann Abstand.

Unseriöse Züchter profitieren

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Wer es ernst meine, der komme häufiger und beschäftige sich mit dem Tier vor der Adoption. „Die Vermittlung läuft insgesamt gut – Hunde und Katzen, das hält sich die Waage.“ Immer wieder fragen Menschen gezielt nach Jungtieren: „Aber wir haben eben nicht nur Welpen bei uns.“ Schlimm sei, dass vor allem unseriöse Züchter von dieser Situation profitierten und Tiere en masse übers Internet verkauften. „Davor graut mir jetzt schon“, gibt Scheibel zu. „Wenn die Leute Tiere bei Ebay gekauft haben und feststellen, dass sie sich doch nicht kümmern können und die dann alle bei uns landen.“

Herdenschutzhund-Mischling Robin und Wolfgang Scheibel, Vorstand im Tierschutzverein Herne-Wanne. Im Tierheim schaut man genau hin, wenn jemand nach Hund oder Katze fragt.
Herdenschutzhund-Mischling Robin und Wolfgang Scheibel, Vorstand im Tierschutzverein Herne-Wanne. Im Tierheim schaut man genau hin, wenn jemand nach Hund oder Katze fragt. © FUNKE Foto Serivces | Alexa Kuszlik

Auch die Tierschutzorganisation Tasso sieht die Entwicklung mit Sorge. Sie betreibt Europas größtes kostenloses Haustierregister und kann so einen Teil der Entwicklung nachvollziehen – denn nicht alle Tiere werden bei Tasso registriert. „Eine Steigerung in den Registrierungszahlen ist nicht ungewöhnlich, da die Zahl der registrierten Tiere bei Tasso von Jahr zu Jahr wächst“, erklärt Sonja Slezacek, PR Referentin bei Tasso. Doch liege diese in der Regel bei etwa vier bis fünf Prozent. 2020 lag die Steigerung in manchen Monaten jedoch bei um die 20 Prozent. „Es scheint sich aber schon die Tendenz zu verfestigen, dass die Corona-Krise deutschlandweit die Nachfrage nach Hunden und auch Katzen gesteigert hat.“

Tasso verzeichnet Zuwächse in Herne

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In Herne und Wanne seien ebenfalls Zuwächse zu verzeichnen. Wurden 2019 rund 755 Hunde neu bei Tasso registriert, waren es 2020 rund 750. Wenn die Neuregistrierungen von Hunden nicht stiegen, heiße das nicht unbedingt, dass keine höhere Nachfrage nach Hunden bestehe, erklärt Sonja Slezacek. „Aber viele Tierschutzhunde und auch Hunde vieler Züchter sind oft bereits registriert, wenn sie ihren Halter wechseln.“ Bei den Katzen sei ein prozentualer Anstieg von gut fünf Prozent zu verzeichnen: 475 Katzen 2019, 500 Katzen 2020.

Illegaler Welpen-Handel boomt

Die Tierschutzorganisation Tasso stellt fest, dass Hunde vermehrt über das Internet gekauft werden. Gerade der illegale Online-Welpenhandel boome.

Fast alle Tiere seien krank, viel zu früh von der Mutter getrennt, ungeimpft und überleben häufig die ersten Lebensmonate nicht.

Welpen dürfen nur mit einer gültigen Impfung gegen Tollwut, also erst mit Ablauf der 15. Lebenswoche, nach Deutschland verbracht werden. Händler müssen über eine Erlaubnis nach §11 Tierschutzgesetz verfügen.

Im Juli und im Dezember 2020 gab es im Vergleich zum Vorjahr mit 25 und 37,5 Prozent den größten Zuwachs bei der Neuregistrierung von Hunden. Bei Katzen waren es in den Monaten Oktober und November 67 und 30 Prozent. Diese Zahlen seien jedoch mit Vorsicht zu genießen: „Bei solch kleinen Zahlen – der Unterschied der Katzen im Oktober sind 20 Tiere – muss man berücksichtigen, dass schon ein paar Tiere mehr einen großen prozentualen Anstieg bedeuten.“ Durch die starken Schwankungen der Neuregistrierungen in Herne und Wanne könne Tasso über das ganze Jahr keine eindeutige Tendenz wie deutschlandweit erkennen. „Wir warnen jedoch davor, sich in diesen Zeiten überstürzt für die Aufnahme eines Tieres zu entscheiden, da ein solcher Schritt zum Wohle des Tieres genau überdacht werden sollte“, mahnt Sonja Slezacek.

Die beliebtesten Hunderassen 2020 waren deutschlandweit übrigens Mischling, Labrador/Retriever und Deutscher Schäferhund. In Herne und Wanne belegten Mischling, Deutscher Schäferhund und Chihuahua die ersten drei Plätze.

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