Herne. Die Gesamtschulen in Herne sind aufgrund steigender Schülerzahlen zunehmend überlastet. Kann eine Privatschule Abhilfe schaffen?
In spätestens zweieinhalb Jahren stoßen die weiterführenden Schulen in Herne an ihre Grenzen. Die maximale Aufnahmekapazität für die fünften Klassen aller Schulformen wird voraussichtlich mit dem Beginn des Schuljahres 2023/24 überschritten. Einer Prognose der Stadt Herne zufolge wird es dann 53 Eingangsklassen geben. Maximal möglich sind aber nur 51 Klassen. "Unsere Kapazitäten werden einfach nicht mehr ausreichen", sagt Klaus Hartmann vom Fachbereich Schule und Weiterbildung der Stadt Herne. Besonders betroffen: Die Gesamt- und Realschulen.
So haben die Realschulen in Herne ihre maximale Aufnahmekapazität von 14 Zügen in der fünften Klasse bereits im laufenden Schuljahr überschritten. Langfristig rechnet die Stadt mit einer Unterversorgung von zwei Zügen. Die Stadt will nun prüfen, ob die Realschulen Sodingen und Strünkede ihre Zügigkeiten ausweiten können.
Grund für die Ausschöpfung der Zügigkeiten an den Schulen seien die steigenden Schülerzahlen aufgrund der vermehrten Zuwanderung in Herne, sagt Hartmann. So sei die Zahl der Grundschüler in den vergangenen fünf Jahren um mehr als 500 Kinder gestiegen. Darunter seien etwa 300 Seiteneinsteiger, also Schüler aus zugewanderten Familien mit nur mangelnden Deutschkenntnissen. In den kommenden Jahren werden diese Kinder auf die weiterführenden Schulen wechseln, die damit zunehmend in Schwierigkeiten gerieten.
Bildungsgangwechsel: Herner Gesamtschulen stoßen an ihre Grenzen
Neben den wachsenden Schülerzahlen sorgen die Bildungsgangwechsler in Herne für Probleme. "Rund zwei Klassengrößen wechseln jedes Jahr nach der Erprobungsstufe, also nach der sechsten Klasse, in eine niedrigere Schulform", sagt Klaus Hartmann. Besonders die Gesamtschulen stießen dadurch an ihre Grenzen. Denn im Gegensatz zu den Realschulen könnten sie keine Schüler abgeben. Die einzige Hauptschule in Herne sei, so die Stadt, nicht in der Lage, die gesamte Kapazität aufzunehmen.
Spätestens mit dem Beginn des Schuljahres 2023/24 überschreiten laut Stadt auch die Gesamtschulen ihre maximale Aufnahmekapazität von 16 Zügen in Jahrgang fünf. "Die Klassen sind schon so voll, dass statt 23 mittlerweile 27 oder 28 Kinder in eine Klasse gehen", sagt Klaus Hartmann vom städtischen Fachbereich Schule und Weiterbildung. Durch die Bildungsgangwechsler komme in Jahrgang sieben noch eine weitere Klasse hinzu. "Die Klassen werden dann neu gemischt", so Hartmann. "Das ist auch für Schüler und Eltern nicht besonders prickelnd." Die Stadt prüfe nun eine Ausweitung der Zügigkeit der Erich-Fried-Gesamtschule. Die Mont-Cenis Gesamtschule und die Gesamtschule Wanne-Eickel sollen nicht vergrößert werden.
Private Quinoa-Schule könnte Gesamtschulen in Herne entlasten
Derzeit wird die Gründung einer Schule in privater Trägerschaft in Herne diskutiert. Die Quinoa-Schule kümmert sich vor allem um Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien und will in Herne eigenen Angaben zufolge zum Schuljahr 2023/24 oder bereits 2022/23 mit einem fünften und einem siebten Jahrgang starten. Damit sei die Privatschule eine Möglichkeit der Entlastung für die Gesamtschulen, sagt Schulamtsleiter Andreas Merkendorf. Denn sie könne einen Teil der Bildungsgangwechsler nach der sechsten Klasse aufnehmen.
Theres Boneberger (SPD) sprach sich im Schulausschuss am vergangenen Donnerstag (21. Januar) für die Errichtung einer Schule in privater Trägerschaft aus – auch wenn der Fraktion die Entscheidung nicht leicht gefallen sei. "Bildung gehört in öffentliche Hand", so Boneberger. Allerdings entlasse man in Herne zu viele Kinder ohne Abschluss. "Wir brauchen eine schnelle, pragmatische Lösung." Auch die CDU stimmte dem Beschlussvorschlag zur weiteren Planung zu.
In den Augen der Grünen Fraktion ist die Quinoa-Schule dagegen nur "ein kurzfristiges Hilfsmittel, das einige Krankheiten aufweist". So sei noch nicht abzusehen, ob die Privatschule auch tatsächlich die Abschlussquoten erhöht. Eine Alternative gibt es laut Schulamtsleiter Andreas Merkendorf derzeit aber nicht. So sei die Vergrößerung der Gesamtschulen keine langfristige Lösung.
Die Linken in Herne fordern nun, dass der Bau einer weiteren Gesamtschule in Herne geprüft wird. Grund dafür seien fehlende Überlegungen zur Integration der Privatschule in die Herner Bildungslandschaft, sagte David Schreiber im Schulausschuss am Donnerstag (21. Januar.) Der Prüfantrag wird frühestens in der nächsten Sitzung Mitte März beschlossen.
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