Bochum/Herne. Nach einem Drogenfund ist ein Herner (30) verurteilt worden. Besonders dreist: Er dealte während des laufenden Verfahrens einfach weiter.

Mehr als drei Jahre nach einem Drogen- und Waffenfund in einer Privatwohnung in Bickern ist ein 30-jähriger Wanne-Eickeler am Bochumer Landgericht zu sechs Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden. Der Prozess war überschattet von einer Wohnungsdurchsuchung im laufenden Verfahren. Dass dabei im Juni 2020 erneut 2,5 Kilogramm Amphetamine in einem Keller entdeckt worden sind, nannte Richter Volker Talarowski in der Urteilsbegründung „unverfroren“ .

Beim Prozessauftakt vor der 9. Strafkammer Mitte Mai hatte der Angeklagte den Saal noch als freier Mann betreten. Nach der Urteilsverkündung wurde der 30-Jährige dagegen von Wachtmeistern zurück in den Gefangenentrakt begleitet.

Die Richter hatten nach dem Fund von 2,5 Kilogramm Amphetaminen in einem Kellerversteck am 10. Juni sofort durchgegriffen und umgehend einen Haftbefehl erlassen. Seitdem sitzt der Wanne-Eickeler durchweg im Gefängnis.

Fragwürdige Geldübergabe im Gerichtsflur

Auslöser für die neuerliche Wohnungsdurchsuchung bei dem Wanne-Eickeler zu Hause war eine fragwürdige Geldübergabe auf dem Gerichtsflur gewesen. Nachdem von einem Laienrichter zufällig beobachtet worden war, dass einem Zeugen am Tag vor dessen Aussage über einen Anwalt des Angeklagten Bargeld übergeben worden war, hatten die Bochumer Richter unverzüglich reagiert - und per Beschluss neue Ermittlungsmaßnahmen in Form einer sofortige Wohnungsdurchsuchung angeordnet.

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Laut Gericht sollten dabei „Hinweise auf die finanzielle Situation des Angeklagten aufgedeckt“ werden. Denn wie es hieß, hatte der nach eigenen Angaben finanziell klamme 30-Jährige im Prozess tatsächlich behaupten lassen, dass er dem Zeugen durch die undurchsichtige Geldübergabe lediglich „ein Darlehen über 1000 Euro“ gewährt habe.

Prozessauftakt im Mai

Beim Prozessauftakt im Mai hatte der Wanne-Eickeler (zwölf Vorstrafen) zunächst geschwiegen, über seinen damaligen Verteidiger aber bereits in Aussicht stellen lassen, dass möglicherweise im weiteren Prozessverlauf doch eine Einlassung erfolgt.

Wie es zuerst hieß, sollte Ziel gegebenenfalls eine Verurteilung wegen eines minder schweren Falls des bewaffneten Drogenhandels sein. Üblicherweise sieht das Gesetz dafür fünf Jahre Haft als Mindeststrafe vor.

Nach einem Verteidigerwechsel hat der Angeklagte danach jedoch weiter geschwiegen. Die fragwürdige Geldübergabe und der anschließende zweite Drogenfund im Keller machten letztlich die Annahme eines möglichen minder schweren Falls zunichte.

Der anschließende Drogenfund, der entlarvt hatte, dass der 30-Jährige einfach weitergedealt hat, sorgte bei Staatsanwaltschaft und Gericht für Fassungslosigkeit. Per so genannter Nachtragsantragsanklage wurde der 2,5 Kilo schwere Kellerfund kurz danach aber auch offiziell Teil des Prozesses. Bei der anfangs noch allein angeklagten Wohnungsdurchsuchung am 29. Juni 2017 waren in der Bickerner Wohnung des Angeklagten an diversen Stellen und Verstecken Rauschgift entdeckt worden.

Richter ordnet Unterbringung in geschlossener Entziehungsanstalt an

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In einer Plastikbox im Wohnzimmer hatten die Ermittler damals 400 Gramm Amphetamine, im Gefrierschrank weitere 300 Gramm entdeckt. In einem Wandschrank und in einem Versteck hinter einem Heizkörper lagerten zermahlenes Ecstasy und Aufputschtabletten. Im Schlafzimmer waren die Ermittler zudem auf eine Cannabispflanzen-Aufzucht gestoßen. Außerdem hatten überall verteilt Dealer-Utensilien, wie zum Beispiel eine Feinwaage sowie Verpackungstütchen, herumgelegen.

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Dass das Urteil am Ende neben unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auch auf bewaffneten Drogenhandel lautete, lag an einem Springmesser. Die Waffe war 2017 von den durchsuchenden Polizisten ausgeklappt unter dem Sofa deponiert gefunden worden. Weil der Angeklagte seit Jahren selber drogenabhängig ist und durch ein Gutachten als so genannter Hangtäter eingestuft wurde, ordneten die Richter der 9. Strafkammer parallel die Unterbringung in einer geschlossenen Entziehungsanstalt an. Bis es dazu kommen kann, dass der 30-Jährige einen Teil der Gefängnisstrafe dort (angerechnet) verbüßen kann, muss er jedoch erst noch eine andere Haftstrafe absitzen.

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