Herne. Der DRK-Suchdienst hilft auch Hernern bei der Suche nach vermissten Angehörigen. Anfragen können noch bis 2021 aufgegeben werden.
Was ist aus meinem Bruder geworden? Geht es meinen Eltern gut? Ist mein Opa je aus dem Krieg heimgekehrt? Manche haben sich erst kürzlich aus den Augen verloren, andere vor Jahrzehnten. Doch sie alle eint der eine Wunsch: Gewissheit über den Verbleib ihrer Angehörigen zu erlangen. Der DRK -Suchdienst unterstützt Menschen, die durch bewaffnete Konflikte, Katastrophen, Flucht, Vertreibung oder Migration von ihren Nächsten getrennt wurden. Er hilft sie wieder in Kontakt zu bringen. Immer wieder erhält der Dienst auch Anfragen aus Herne.
Menschen, die auf der Flucht den Kontakt zu ihren Angehörigen verloren haben oder die Verbindung nach Hause, sprechen nur ungern offen darüber. „Viele fliehen, weil sie politisch verfolgt werden oder beispielsweise aufgrund ihrer Homosexualität Repressalien in ihrem Heimatland befürchten“, erklärt Christian Kamp vom DRK-Suchdienst.
Auch wer Vermisste aus dem Zweiten Weltkrieg suche, möchte nicht unbedingt, dass eine eventuelle Nazi-Vergangenheit des Großvaters publik wird. Deshalb könne nur anonymisiert über die Fälle gesprochen werden. „In Herne gibt es aktuell zwei offene Suchanfragen, einen aus 2018 und einen aus 2019.“
Heimkehrerdateien sind in digitalisierter Form zugänglich
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Wie die Suche vonstatten geht, ist unterschiedlich. Handelt es sich um Vermisste aus dem Zweiten Weltkrieg, werden zunächst die Heimkehrerkarteien durchgeschaut. Ein Teil davon ist heute in digitalisierter Form zugänglich. „Wir fragen häufig bei unseren Kollegen in Russland oder Frankreich nach“, sagt Kamp. Während noch in den 60er Jahren oft gesagt wurde, dazu können keinen Informationen gegeben werden, stehen die Chancen heute besser. Die Archive seien erneuert worden, sodass die französischen Kollegen meist ein konkretes Grab nennen können.
„Die meisten Suchenden sagen: ,Endlich habe ich einen Ort, an dem ich Abschied nehmen kann.’“ Der Zweite Weltkrieg sei lange ein Tabuthema gewesen. „Oft ist es so, dass die Enkel etwas im Nachlass finden und doch wissen wollen, wer ihr Opa war.“ Oder sie sind mittlerweile selber in Rente und haben Zeit, die Familiengeschichte aufzuarbeiten. „Da hofft keiner mehr, dass die Angehörigen lebend nach Hause kommen“, weiß Christian Kamp. „Selbst, wenn von ihnen noch einer lebt, dann vermutlich irgendwo in Südamerika und so, dass sie keiner finden kann.“
Hohe Nachfrage in ganz Deutschland
Finanziert wird der DRK-Suchdienst durch das Bundesinnenministerium noch bis 2023. Da die Nachfrage aber immer noch sehr hoch ist – letztes Jahr bundesweit allein 10.000 Anfragen zu Vermissten aus dem Zweiten Weltkrieg – versucht der DRK eine Verlängerung zu erwirken. „Wer noch eine Anfrage stellen möchte, sollte dies bis 2021 tun“, rät Kamp.
In 190 Ländern aktiv
Der DRK-Suchdienst ist in über 190 Ländern aktiv. Neben der Suche zählt der Austausch von Nachrichten zu seinen Aufgaben.
Bei Besuchen bei Kriegsgefangenen, u.a. in Syrien, Afghanistan und Guantanamo, ermöglicht der Dienst Skype-Konferenzen mit Angehörigen.
Herner und Wanne-Eickeler, die jemanden suchen, wenden sich an Karin Langrzyk unter 0231 18 10 218.
„Die internationale Suche ist wirkliche Detektivarbeit“, sagt Christian Kamp. Zunächst müsse man ganz genau rekonstruieren, wo die Menschen auf der Flucht den Kontakt zu ihren Angehörigen verloren haben. Es zähle das kleinste Detail. Hatte man ein gemeinsames Ziel? Wo lebten die Angehörigen vorher? In Deutschland stehe das Einwohnermelderegister und das Ausländerzentralregister zur Verfügung. In den Herkunftsländern ist dies oft nicht so einfach. Hier müssen die DRK Delegierten vor Ort in die Dörfer fahren und dort recherchieren, indem man beispielsweise den Dorfältesten befragt. „In Afrika ist ein Delegierter im Einsatz, der zwei Tage mit dem Mofa zu einem Dorf braucht.“ Solche Suchen seien aufwändig.
Durchschnittliche Bearbeitungsdauer liegt bei eineinhalb Jahren
Die kürzeste Spanne eines Falls betrug einige Stunden. Der Sohn suchte seine Mutter und kurz darauf stellte die Mutter das Gesuch für ihren Sohn ein. So schnell geht es allerdings selten: „Die durchschnittliche Bearbeitungszeit liegt bei eineinhalb Jahren“, erklärt Kamp. „Manchmal ist es schwierig.“ Geschlossene Fälle werden vom DRK-Suchdienst aus Datenschutzgründen sofort gelöscht. Im Erfolgsfall überwiege die Erleichterung: „Das Schlimmste ist für die meisten die Ungewissheit.“
Bei den Flüchtlingsopfern, die im Mittelmeer ertrunken sind, lässt sich der Beweis nur über eine DNA-Analyse erbringen und an diese komme man nicht einfach. Sollten die Gesuchten am letzten bekannten Aufenthaltsort nicht auffindbar sein, endet die aktive Suche. Allerdings bleiben sie in der Datenbank gespeichert, sodass der Suchdienst sofort informiert wird, falls der Gesuchte selber die Initiative ergreifen sollte.
„Wer jemanden sucht, kann auch selber aktiv werden“, rät Christian Kamp. Auf der Internetseite des Suchdienstes www.drk-suchdienst.de kann man Suchanfragen stellen. Bei www.tracetheface.org kann man ein Foto von sich hochladen und dazu schreiben, wen man sucht.
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