Herne. Ein auf Video dokumentierter Polizeieinsatz in Wanne hat Wellen geschlagen und zu Ermittlungen gegen Beamte geführt. Nun liegt das Ergebnis vor.

Ein Polizeieinsatz am 29. Mai an der Lindenstraße in Wanne hat bundesweit Wellen geschlagen: In zwei ins Internet gestellten Handyvideos ist zu sehen, wie Polizisten massiv gegen einen 49-Jährigen sowie dessen Schwester (66) vorgehen. Gegen fünf Beamte wurde Strafanzeige wegen Körperverletzung gestellt. Nun hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt.

Staatsanwalt: Robustes, aber angemessenes Vorgehen

Sitz der Staatsanwaltschaft: das Justizzentrum in der Bochumer Innenstadt.
Sitz der Staatsanwaltschaft: das Justizzentrum in der Bochumer Innenstadt. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler


Das teilt Paul Jansen, Sprecher der Staatsanwaltschaft Bochum, am Dienstag auf Anfrage der WAZ mit. Es habe sich zwar um ein „robustes Vorgehen“ gehandelt, doch die Maßnahmen seien nach dem Polizeigesetz angemessen gewesen, so seine Begründung.

Der 49-Jährige hatte die Polizei an jenem Freitag vor Pfingsten wegen des Verdachts auf häusliche Gewalt selbst alarmiert. Er gab an, dass es in der Wohnung seiner Schwester an der Lindenstraße Probleme mit seinem dort lebenden Neffen gegeben habe. Er sei dann auf die Straße gelaufen, um den Streifenwagen zu empfangen, so der 49-Jährige.

Was dann zunächst passierte, ist nicht auf Video dokumentiert. Die Staatsanwaltschaft sieht es als erwiesen an, dass der Mann im Gespräch mit der Polizei ankündigte, selbst gegen seinen Neffen vorgehen zu wollen. Da eine Straftat zu befürchten gewesen sei, habe die Polizei dies zurecht durch eine Ingewahrsamnahme und Fixierung des Störers mit Handschellen verhindern wollen, so Paul Jansen.

Anwohner filmten auf dem Balkon

Erst ab diesem Zeitpunkt setzten die Videoaufnahmen ein. Auf zwei offenbar vom Balkon aus aufgenommenen Clips ist zu sehen, wie der 49-Jährige nicht auf die Anweisungen reagierte, sich auf den Boden zu legen. Er kehrte den Polizisten aber den Rücken zu und hielt ihnen die Hände so hin, dass Handschellen hätten angelegt werden können.

Daraufhin traten Polizisten ihm in die Kniekehlen, um ihn zu Boden zu bringen. Aktive Widerstandshandlungen des Mannes gegen die Polizei sind nicht zu erkennen - sieht man davon ab, dass er im Laufe des mehrminütigen Vorfalls mehrfach einige Schritte auf Beamte zuging. Zu sehen ist auch, wie ein Polizist die Schwester, die laut schreiend offenbar ihrem Bruder beistehen wollte, zu Boden stieß, sich auf die 66-Jährige setzte und „halt die Schnauze“ brüllte.

Ermittlungen gegen den 49-Jährigen dauern an

Dieser Einsatz sei nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt gewesen, erklärt die Staatsanwaltschaft. Deshalb seien die Ermittlungen gegen fünf Polizisten am 1. September eingestellt worden. Im Zuge der Ermittlungen seien nicht nur die Filme ausgewertet, sondern auch unbeteiligte Zeugen vernommen worden.

Der 49-Jährige und seine Schwester hätten noch zwei Wochen lang die Möglichkeit, Einspruch gegen die Einstellung des Verfahrens einzulegen. Die Ermittlungen gegen den Mann und seine Schwester - Vorwurf: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte - dauerten noch an, so Jansen.

Polizei bereitet Einsätze intern nach

Jenseits von Fragen zur Recht- und Verhältnismäßigkeit werfen die Videos auch die Frage auf, ob der Polizeieinsatz fachlich korrekt abgelaufen ist. Hintergrund: In den Videos ist zu sehen, wie ein hektisch agierender Beamter den Schlagstock aus der Hand verliert. Auch die Handhabung des Pfeffersprays erscheint nicht sachgemäß.

Polizeisprecher Volker Schütte erklärt am Dienstag, dass wie in solchen Fällen üblich nach dem formalen Abschluss des Verfahrens zunächst intern geprüft werde, ob disziplinarische Schritte notwendig seien. Darüber hinaus würden solche Einsätze auch nachbearbeitet. Die Ergebnisse würden an die Abteilung Fortbildung übergeben.

Bei Strafanzeigen gegen Bochumer Polizisten übernimmt die Essener Polizei (im Bild das Präsidium an der Büscherstraße) die Ermittlungen - und umgekehrt.
Bei Strafanzeigen gegen Bochumer Polizisten übernimmt die Essener Polizei (im Bild das Präsidium an der Büscherstraße) die Ermittlungen - und umgekehrt. © WAZ | STEFAN AREND


1:1 nach Vorschrift verlief die Übernahme der Ermittlungen gegen die fünf Polizeibeamten durch das Polizeipräsidium Essen. Grundlage sei hier die sogenannte Kriminalhauptstellenverordnung, berichtet eine Sprecherin des NRW-Innenministeriums. Darin wird festgelegt, dass die Präsidien Essen und Bochum bei der Verfolgung von Straftaten durch Polizeibeamte zusammenarbeiten, sprich: aus Neutralitätsgründen gegenseitig ermitteln. Das war 2020 nicht nur in Sachen Polizeieinsatz Lindenstraße der Fall: Die Bochumer Beamten ermitteln derzeit in drei Fällen gegen Essener Kollegen wegen des Vorwurfs der Polizeigewalt.


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