Herne. Forscher in Herne konnten zeigen, dass auch das Immunsystem chronisch Kranker Antikörper gegen das neuartige Coronavirus bilden kann.

Der Ausbruch des neuartigen Coronavirus SARS-CoV2 führte bis Ende Juni zu über zehn Millionen bestätigten Covid-19-Fällen weltweit und über 500.000 damit verbundenen Todesfällen. Chronisch Kranke und Patienten mit gestörter Immunabwehr haben ein erhöhtes Krankheitsrisiko. Forscher des Marien Hospital Herne konnten nun zeigen, dass auch das Immunsystem dieser Patienten Antikörper und zielgerichtete Immunzellen gegen das neuartige Coronavirus bilden kann.

Diese Erkenntnis hat große Auswirkung auf die Behandlung dieser Patienten während der Pandemie, so das Krankenhaus. Patienten mit einem transplantierten Organ seien in mehrfacher Hinsicht betroffen. Neben der vorliegenden chronischen Erkrankung, die zum Organversagen und der nachfolgenden Transplantation geführt hat, müssten sie Medikamente einnehmen, die die Abwehrfähigkeit des eigenen Immunsystems unterdrückten. „Diese sogenannten Immunsuppressiva, die zur Vermeidung von Abstoßungen transplantierter Organe erforderlich sind, können zu einem gehäuften Auftreten von Virusinfektionen führen“, so Prof. Dr. Nina Babel, Leiterin des Centrums für Translationale Medizin des Marien Hospitals. „Bisher war nicht bekannt, ob das Immunsystem unserer transplantierten Patienten in der Lage ist, Antikörper oder Immunzellen gegen das neue Coronavirus zu bilden und damit die Erkrankung zu bekämpfen“, betont Prof. Dr. Timm Westhoff, Direktor der Medizinischen Klinik I des Marien Hospitals.

Antikörper und T-Zellen werden trotz unterdrückten Immunsystems gebildet

Das Forscherteam unter der Leitung von Babel und Westhoff habe nun demonstrieren können, dass transplantierte Patienten sehr wohl in der Lage seien, trotz des unterdrückten Immunsystems eine gute Immunantwort auf das neue Coronavirus zu entwickeln. „Neben der hohen Konzentration von Antikörpern waren erfreulicherweise auch T-Zellen, die für das Abtöten infizierter Zellen zuständig sind, in großer Menge nachweisbar“, erklärt Prof. Babel. „Der in unserem Immundiagnostiklabor etablierte Test ist von großer Bedeutung für unsere Patienten. Die daraus ablesbaren Informationen gehen über die eines reinen Antikörpertests deutlich hinaus, weil auch die gegen das Coronavirus entwickelten T-Zellen bestimmt werden“, erläutert Prof. Westhoff.

„Die gewonnenen Daten helfen uns, die Behandlung unserer Patienten an die aktuelle Pandemie anzupassen.“ Der Test ermöglicht es den Ärzten, die Medikation ihrer Patienten während einer Covid-19-Erkrankung individuell einzustellen, um die Unterdrückung des Immunsystems besser zu steuern. Die Daten der Studie seien kürzlich in der renommierten Zeitschrift „American Journal of Transplantation“ zur Publikation angenommen worden und erschienen in den nächsten Wochen.

Die beiden Forscher hatten sich bereits zuvor mit der Immunreaktion des Körpers auf das Coronavirus beschäftigt. Die Ergebnisse könnten einen Einfluss auf die Entwicklung eines Impfstoffes haben und erklären, warum einige Menschen eine starke Immunabwehr gegen das Virus haben – obwohl sie vorher noch nie damit in Kontakt gekommen sind.