Herne. Herner Ärzte sehen durch Reiserückkehrer, Erzieher und Lehrer eine Welle an Corona-Tests auf sich zukommen. Einige sind darauf nicht vorbereitet.

Reiserückkehrer, Kita-Erzieherinnen sowie Lehrerinnen und Lehrer – sie alle können sich auch in Herne kostenlos auf eine mögliche Corona-Infektion testen lassen. Zuständig für die Abstriche sind die niedergelassenen Hausärzte. Doch die sehen der bevorstehenden Test-Flut mit großer Besorgnis entgegen. „Wir fühlen uns vor den Kopf gestoßen“, sagt Roman Voß, Hausarzt in der Praxis am Solbad.

Denn hinter der Verordnung stecke ein großer Arbeitsauftrag, von dem Voß noch nicht wisse, wie er ihm nachkommen soll. Zum einen sei es in der aktuellen Situation kaum möglich, neben der Versorgung der akut und chronisch kranken Patienten noch weitere Aufgaben zu erfüllen. Zum anderen „gibt es noch kein Konzept“, so Voß. „Wir müssen jetzt erst einmal schauen, wie wir das umsetzen können.“ Bei ihm klingele seit Montag pausenlos das Telefon, aber bisher sehe er nicht die Möglichkeit, auch Reiserückkehrer zu testen. „Symptomatische Patienten testen wir natürlich, aber für den Rest haben wir gerade einfach noch keine Kapazitäten.“ Über einen Hof gelangten die Personen mit Symptomen in einen separaten Raum, dadurch seien immerhin die anderen Patienten geschützt.

Herner Ärztin vergibt bevorzugt Termine an Erzieher und Lehrer

In der Praxis von Hausärztin Andrea Reimann werden die Tests im Garten durchgeführt. „Wir haben Glück, dass wir diese Möglichkeit haben“, sagt die Hausärztin. So komme niemand in die Behandlungs- und Wartezimmer und stelle eine Gefahr für die anderen Patienten dar, die mittlerweile wieder ohne Bedenken in die Praxis kämen. Jeden Morgen im Zeitraum von 8 bis 8.30 Uhr hätten Reiserückkehrer, Erzieher und Lehrer die Möglichkeit, einen Corona-Test durchführen zu lassen.

Bei der Terminvergabe bevorzuge Reimann gezielt Erzieher und Lehrer. „Wenn ich dann noch Kapazitäten habe, können sich auch Reiserückkehrer testen lassen.“ Verständnis dafür, dass man zur Zeit ins Ausland fliegen muss, habe sie jedoch nicht.

Test innerhalb von 72 Stunden

Das Schulpersonal habe ab dem 17. August Anspruch darauf, alle 14 Tage getestet zu werden, teilt die Stadt mit. Wer sich nach der Rückkehr aus einem Nicht-Risikogebiet testen lassen möchte, könne sich ebenfalls an seinen Hausarzt wenden. Ein Test sei auch für diesen Personenkreis innerhalb von 72 Stunden nach der Rückkehr kostenlos möglich.

Sollte der Hausarzt keinen Abstrich anbieten können, bestehe die Möglichkeit, sich bei der Kassenärztlichen Vereinigung zu melden. Sie wird dann einen Arzt vermitteln, der testet. Diese Tests könnten nicht vom Gesundheitsamt angeboten werden. Das Gesundheitsamt kümmere sich vorrangig um die Kontaktpersonen von Covid-19-Patienten, um Infektionsketten zu unterbrechen.

Das Angebot sei bereits seit Montag sehr gut angenommen worden. Für die Zeit nach den Ferien fürchtet aber auch sie einen Ansturm auf die Praxis. Vor allem wenn sich die Situation mit den Neuinfektionen weiter zuspitze, sehe sie keine Chance, dass die Hausärzte diese Aufgabe alleine bewältigen können. Wenn alles vernünftig geregelt werde, so Reimann, dann wäre es machbar, aber noch sei vieles unklar und nicht richtig kommuniziert. Die Ärztin würde es befürworten, wenn das Behandlungszentrum an der Ludwigstraße , das Mitte Juni geschlossen worden ist, wieder den Betrieb aufnimmt. „Die Zusammenarbeit hat zu Hochzeiten sehr gut funktioniert“, sagt sie.

Behandlungszentrum könnte reaktiviert werden

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Bisher gebe es dafür noch keine konkreten Pläne, erklärt Vanessa Pudlo, Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), auf Nachfrage der WAZ. Die KVWL hatte im April das Behandlungszentrum geöffnet und im Juni wieder geschlossen, als sich die Situation wieder etwas beruhigt hatte. „Wir beobachten die Situation jetzt ganz genau und werden gegebenenfalls Maßnahmen einleiten.“ Wenn festgestellt werde, dass parallel zu den Tests in den Hausarzt-Praxen Strukturen benötigt würden, könne das Zentrum reaktiviert werde, so Pudlo.

Auch die KVWL sei von der Verordnung überrascht worden. Am Freitag sei sie erlassen worden, ab Montag sollten die Hausarztpraxen die Test anbieten. „Viele Hausärzte wurden davon überrumpelt“, sagt die Sprecherin. Denn viele Fragen seien noch zu klären, einige Ärzte hätten beispielsweise nicht die räumlichen Gegebenheiten für die Tests. Die Kurzfristigkeit sei laut Pudlo das große Problem für viele Praxen. „Sie hatten einfach keine Zeit, sich darauf vorzubereiten.“

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