Herne. Was ist das für ein Gefühl, „Alleinsam“? 70 Zuschauende erlebten am Freitag die Premiere einer ungewöhnlichen Inszenierung im Park.

In der Einsamkeit verkommt ein jeder früher oder später zu einem weißen Fleck im Bewusstsein seiner Mitmenschen, ob eingepfercht in trostlosen Plattenbauten oder für jedermann sichtbar an die Straßenränder der Gesellschaft gespült. Jenes Gefühl des „Allein-und-einsam-Seins“ treibt am vergangenen Freitag Weltenbummler und Forschungsreisende durch den Skulpturenpark hinter den Flottmann-Hallen, wo die Produktion „Alleinsam“ des „Regielabors“ unter Regie von Malina Hoffmann und Rami Al-Telawi seine Zuschauer von der Hand lässt und zum freien Erkunden sieben verstreuter Stationen einlädt.

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Audiodateien vorher heruntergeladen

Mehr zum Regielabor

Wer selbst sein Theaterkonzept auf die Bühne bringen will, hat bis zum 1. November 2020 die Möglichkeit, sich für das nächste Regielabor zu bewerben. Alle notwendigen Informationen finden sich unter: www.theater-kohlenpott.de/regielabor

Als Darsteller/innen mit dabei waren: Jana Deppe, Baker Tarchichi, Feyza Oktay, Elena Roserschein, Hajar Alessa, Mohammad Malta, Mika Hoffmann und Rami Al-Telawi.

Um zu verstehen, was alles nicht vor Ort gesprochen wird, ist es notwendig, sich im Vorfeld die 13 Audiodateien auf ein beliebiges Abspielgerät zu laden, die dann in einer festen Reihenfolge abgespielt werden müssen, welche, wie auch die Lage der einzelnen Stationen, in einem Booklet angegeben ist. Mit dieser Karte in den Händen ziehen die rund 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer los und bestimmen jeder für sich selbst, wo der rote Faden ihrer Reise hinführen soll und verteilen sich so auf die einzelnen Wege.

Wer möchte, behält seine Kopfhörer gleich in den Ohren und lauscht den wegbegleitenden Klängen eines inszenierten Radiosenders, der ebenfalls unter den Audiodateien zu finden ist und zur Immersion in das dreidimensionale Theaterstück beiträgt.

Entschwebt in die Troposphäre

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Angekommen auf einem Hügel, südlich im Park gelegen, erzählen diese dann etwa in Form von Logbuch-Einträgen von einer, die sich in ihrem Ballon immer weiter von der Erde entfernt, bis sie 8500 Meter über dem Meeresspiegel in der Troposphäre schwebt. Eine Tanzperformance schließt ihre Reise ab, am Ende derer sie inmitten flatternder Ballons auf einer Decke liegt, umgeben von ihren Zuschauern.

Weiter geht es über Stock und Stein, bis sich die lose Gruppe aus stillschweigenden Wanderern irgendwann im Gestrüpp eines kleinen Wäldchens wiederfindet, wo Absperrband den Wahnsinn eines scheinbaren Einsiedlers nicht bändigen kann, der wüst in die Zuschauerreihen keift und wütet, ehe sanfte Töne seine ihn übermannende Verzweiflung zum Ausdruck bringen.

Jana Deppe, eine der Darstellerinnen des Stückes „Alleinsam“, das im Flottmannpark seine Premiere erlebte.
Jana Deppe, eine der Darstellerinnen des Stückes „Alleinsam“, das im Flottmannpark seine Premiere erlebte. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Zuschauende zwischen den Welten

Jeder der Teilnehmer läuft, wenn nicht als Paar unterwegs, seine Pfade stillschweigend für sich ab und befindet sich so selbst in einem Zustand zwischen den Welten, quasi in dem Moment, in dem die Seite zum nächsten Kapitel aufgeschlagen wird. Das Spiel der Darsteller fließt so in die Wege der Besucher ein, wenn etwa eine scheinbar zufällige Begegnung an einer Weggabelung die Gruppe teilt und die Geschichte eines vereinsamten Mannes, der sich nach einem gemeinsamen Frühstück sehnt, aus zwei verschiedenen Perspektiven erzählt.

Die einzelnen Stationen tragen jeweils kurze, prägnante Namen, welche das Schicksal ihrer Protagonisten vorausdeuten. Nach etwa einer Stunde sind alle Stationen durchlaufen, ein letzter Stopp führt zurück in das Rondell an den Flottmann-Hallen, wo alles begann und wo nach einem letzten Tanz tosender Applaus die sichtlich erleichterten Darsteller nach einer gelungenen Aufführung der etwas anderen Art beglückwünscht.

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