herne. . In der Bühnenversion des Regielabors Theater Kohlenpott von Philip Dittmann und Anton Grünewald gab es trotz der ernsten Thematik viel zu lachen.

Wenn ein Hypochonder in der digitalen Welt unterwegs ist, lauert hinter jeder Suchanfrage, hinter jedem Klick die ersehnte Hiobsbotschaft. Ein Sog, dem sich auch der „Cyberchonder“ Frank Mol (Phillip Dittmann) in dem gleichnamigen Theaterstück nicht entziehen kann, das am vergangenen Samstag in den Flottmann-Hallen Premiere feierte. Regie führten im Rahmen des Regielabors Philip Dittmann und Anton Grünewald.

Die Psychose immer im Nacken

Vielleicht sollte es der technische Redakteur eines Pharmaunternehmens besser wissen, aber schnell wird aus der Mücke ein schwerkranker Elefant, der in den Untiefen seiner Online-Community nach Rat sucht. Im Nacken sitzt ihm dabei stetig seine Psychose im türkisfarbenen Kleid (Marie Eick-Kerssenbrock) und erinnert den vermeintlich Kranken daran, in kurzen Videos seine Follower auf dem Laufenden zu halten.

Diese reagieren prompt in kleinen Einspielern, die auf die weiße Zimmerwand projiziert werden, die ein wichtiger Bestandteil des einfachen Bühnenbildes ist und ihre klinische Kälte nach und nach durch aufgeklebte Notizzettel verliert.

Szene aus „Cyberchonder“.
Szene aus „Cyberchonder“. © Klaus Pollkläsener

So ernst die Thematik um Realitätsverlust ist, so beherzt bringen manch absurde Ratschläge den vollen Saal immer wieder zum Lachen. In Franks Alpträumen tanzen indes Abbilder seiner selbst zu treibendem Techno um seinen sich windenden Körper, als ihn die Stimme seiner Leidensgenossin Katrin (Laura Celentano) aus dem Schlaf reißt. Diese wollte nur ein Paket vorbeibringen, aber erkannte schnell, dass Frank kein einfacher Hypochonder ist, sondern unter tief sitzendem Schmerz leidet, der durch keine Operation gelindert werden kann. Immer weiter verfällt Frank Mol seinem Wahn, kratzt sich wie ein Junkie in der Armbeuge und kauert wie ein Häufchen Elend im Bett.

Mutter schickt nach dem Tod des Vaters Nachrichten

Seiner manifestierten Psychose zaubert dies ein Lächeln ins Gesicht, während das Kommentarfeld ebenfalls zum Leben erwacht: Besorgte Mütter scheinkranker Töchter, Trolle im Kapuzenpulli und hochnäsige Besserwisser hauen hier mit der Faust auf den digitalen Tisch und werfen sich gegenseitig die Bälle zu.

Inzwischen füllt sich Franks Mailbox mit Nachrichten seiner besorgten Mutter, die nach dem unerwarteten Krebstod ihres Mannes vor einigen Jahren in Einsamkeit versinkt. Die Vermutung liegt nahe, dass hier, so kurz die Auftritte der rüstigen Dame auch sind, Gründe für Franks fortschreitenden Absturz liegen könnten.

Das Stück schafft es, Wichtiges und Unwichtiges in einem Strudel aus lebhaft vorgetragenen Monologen zu vermengen und so die Reizüberflutung Frank Mols wunderbar zu illustrieren.

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Zum vierten Mal entstand im „Regielabor“ des Theaters Kohlenpott eine Inszenierung junger Theatermacher, die ein Stück auf die Bühne bringen konnten.

Die Geschichte vom „Cyberchonder“ basiert auf dem gleichnamigen Hörspiel von Matthias Kapohl, das 2009 im WDR gesendet wurde. Sie wurde aktualisiert.

Es spielen neben Philip Dittmann, Laura Celentano und Marie Eick-Kerssenbrock auch Hanna Haber, Mona Münzel, Antonia Pöller und Veronika Wesolowski.