Herne. Apotheker dürfen bald in bestimmten Regionen impfen. Herne gehört noch nicht dazu. Was Herner Ärzte und Apotheker über den Modellversuch denken.
Wer sich impfen lassen will, kann dafür in Zukunft auch eine Apotheke aufsuchen. Ab Herbst dürfen Apotheken im bundesweit ersten vertraglich vereinbarten Modellvorhaben mit der AOK Rheinland/Hamburg die Impfung selbst anbieten. Für den Testlauf wurden vier Regionen ausgesucht, Herne ist noch nicht dabei. Trotzdem wird das Thema bereits unter Apothekern und Ärzten in der Stadt diskutiert.
Auch wenn es politisch gewollt sei und der Apothekerverband sich dafür ausgesprochen habe, für Apotheker Robert Sibbel steht fest: „Wenn ich hätte impfen wollen, wäre ich Arzt geworden.“ Für ihn gehöre das Impfen nicht in die Apotheken. Bei Impfungen könne es zu vielen Nebenwirkungen, „wie etwa einem allergischen Schock kommen“, sagt Sibbel. In einer solchen Situation wären die Patienten bei ihren Hausärzten in besseren Händen. Zudem wolle er nicht seinen Arzt-Kollegen in ihr Handwerk pfuschen. „Man sagt doch so schön: Schuster bleib’ bei deinem Leisten“, sagt Sibbel, der in Wanne die Paracelsus- und die Ruhr-Apotheke betreibt.
Apothekerin: „Impfen sollte in den Händen der Ärzte bleiben“
Vor einem möglichen Untergang würden Impfungen die Apotheken nicht retten können. Zudem sei der Aufwand, der im Vorfeld betrieben werden müsse, zu groß, sagt der Apotheken-Sprecher. „Auch wenn wir die nötigen Räumlichkeiten hätten“, sagt Sibbel. „Meine Mitarbeiter müssten in Schulungen gehen, um die nötige Zulassung zu bekommen.“ Für seine Apotheken lehne er eine solche Idee deshalb ab.
Apotheken können sich bewerben
Für das Modellvorhaben wurden vier Regionen ausgewählt: Essen/Mülheim/Duisburg, der rechte Niederrhein mit Duisburg, Düsseldorf und Umgebung und der Bonn-Sieg-Kreis. Jede Apotheke mit den nötigen Voraussetzungen kann sich dafür bewerben.
Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein, sagte der WAZ, er gehe davon aus, dass auch andere Krankenkassen Verträge für den Versuch abschließen. „Die Apotheker“, so Preis, „werden entsprechend geschult, und die nötigen Räumlichkeiten müssen natürlich vorhanden sein.“
Ob die Impferlaubnis auch auf Corona ausgedehnt wird, sobald ein Impfstoff entwickelt wurde, sei derzeit noch kein Thema. „Wir gehen aber davon aus, dass wir die Impfrate deutlich steigern können.“ Die Apotheke spreche ein anderes Publikum an und könne daher viele Menschen zusätzlich sensibilisieren. Man wolle die Arbeit der Ärzte ergänzen, nicht ersetzen.
Ähnlich sieht es seine Kollegin Zehra Özden, Filialleiterin der Pinguin-Apotheke in Herne. Auch sie befürchtet gesundheitliche Risiken, die mit einer Impfung einhergehen. „Wenn jemand einen allergischen Schock erleidet, müsste ich einen Notarzt rufen“, sagt sie. Sie sehe zwar ein, dass Apotheken schneller erreichbar seien als Hausärzte, aber gerade in Corona-Zeiten wäre ein möglicher Anlauf in den Apotheken ein großes Problem.
Auch die Pinguin-Apotheke habe einen Beratungsraum, in dem Impfungen durchgeführt werden könnten. Doch der würde schon zurzeit nicht genutzt, um unnötigen engen Kontakt zu den Patienten zu vermeiden, erklärt Özden. Zudem hätten die Apotheker bereits genug zutun, was Patienten häufig gar nicht sähen. „Deswegen sollte das Impfen auf jeden Fall in den Händen der Ärzte bleiben.“
Ärzte kennen ihre Patienten am besten
Positiver hingegen sieht Apotheker Heinz Gockeln den Vorschlag der AOK. „Durch Impfungen kann die Gefahr für viele abgewendet werden“, so Gockeln. „Und das gilt nicht nur für Corona.“ Tausende Grippetote gebe es in jedem Jahr, würde mehr geimpft, könne diese Zahl reduziert werden. Da manche Patienten keinen Hausarzt hätten, zu dem sie regelmäßig gingen, sei die AOK-Idee eine gute Alternative, so Gockeln. Mit den entsprechenden Kolleginnen hätte er bereits gesprochen, die Räume seien in seiner Apotheke ebenfalls vorhanden. „In dieser Saison ist es ja bei uns in der Stadt noch kein Thema, aber für die Zukunft würde ich es befürworten.“
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Bei Ärzten stößt der Vorstoß der AOK auf wenig Zustimmung. Auch für Anton Preißig, Allgemeinmediziner aus Herne, gehöre das Impfen in die Hände der Ärzte. Diese würden ihre Patienten besser kennen und wüssten, auf welche Nebenwirkungen sie reagierten oder welche Vorbelastungen es in der Familie gebe.
„Das Impfen an sich ist nicht das Problem – das können auch die Apotheker ohne Probleme“, sagt Preissig. „Aber auf das, was bei so einer Impfe passieren kann, ein allergischer Schock beispielsweise, sind Hausarztpraxen besser vorbereitet.“ Preissig könne nicht verstehen, dass die Hemmschwelle geringer sein soll, sich in einer Apotheke impfen zu lassen. „In Apotheken ist es schließlich häufig auch voll, da stellt sich nicht jeder gerne hin und sagt, dass er eine Impfe benötigt.“
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