Herne. Corona und die Folgen für den Herner Verkehr: Warum die HCR starke Einbußen verzeichnet und ein SPD-Politiker Initiativen für Radler vermisst.
Verkehrsexperten sind sich einig: Corona hat die Mobilität auf den Kopf gestellt. In Herne hat dies seit Ausbruch der Pandemie bisher offenbar vor allem negative Folgen. So kritisiert Planungsausschussvorsitzender Ulrich Syberg (SPD), dass die Stadt im Gegensatz zu anderen Kommunen nichts für Radfahrer getan habe. Und die HCR berichtet von starken finanziellen Einbußen durch den Einbruch bei den Fahrgastzahlen.
Der Rad-Lobbyist
„Radfahrer sind in vielen Städten die großen Gewinner der Corona-Krise“, sagt Ulrich Syberg, Planungsausschussvorsitzender und Bundes-Chef des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC). Für Herne gelte dies allerdings nicht, beklagt der Sozialdemokrat.
Es sei weltweit zu beobachten gewesen, dass Kommunen nach dem Rückgang des Autoverkehrs in der Pandemie Fahrspuren temporär für den Radverkehr abgetrennt hätten - beispielsweise in Berlin. „Radfahrer haben dadurch Platz bekommen, den sie sonst nie erhalten hätten.“ Dieser Wunsch und entsprechende Pläne seien zwar schon länger da, doch erst Corona habe gezeigt, dass dies auch funktioniere, so Syberg.
In Herne herrsche dagegen Stillstand. „Wir haben so viele Dinge im Rohr, ich sehe aber noch keine Umsetzung“, so Syberg. Die Stadt sei in der Corona-Krise leider nicht dem Beispiel anderer Städte gefolgt. „Wir hätten wunderbar etwas ausprobieren und beherzt handeln können“, sagt Syberg. Zum Beispiel auf der südlichen Sodinger Straße, wo die Bezirksvertretung sich ja längst für einen Radweg ausgesprochen habe. Dort hätte man in den vergangenen Monaten problemlos eine Spur für Radfahrer mit Farbe abmarkieren können. Leider sei nichts passiert.
Um eine echte Verkehrswende herbeizuführen und „den Menschen die Stadt zurückzugeben“, sei ein Dreiklang von Verwaltung, Politik und Bevölkerung nötig. Auch aus der Herner Bürgerschaft komme jedoch zu wenig Druck, sagt der 64-Jährige. Andere Kommunen seien da weiter: In Bochum gebe es eine Radwende-Initiative: „Da ist die Welt eine andere.“ Und in Marl habe es einen sehr erfolgreichen Radentscheid gegeben, der allein aus der Bürgerschaft gekommen sei.
Zur Verkehrswende gebe es aber auch in Herne keine Alternative: „Sie wird in kleinen Schritten erfolgen.“ Am Geld würde das nicht scheitern: „Mut und Kreativität ist viel wichtiger.“
Das Verkehrsunternehmen
Der ÖPNV war ein großer Verlierer der Corona-Krise - das galt auch für die HCR. Fürs Jahr 2020 rechnet die Stadttochter mit einem zusätzlichen Zuschussbedarf von 3 Millionen Euro. Sie hofften, dass der April bei den Fahrgeldeinnahmen der Tiefpunkt gewesen sei, berichtet HCR-Sprecher Dirk Rogalla. Doch: „Aktuell gehen wir immer noch von etwa einer viertel Million Euro Einbußen pro Monat aus.“
An einem durchschnittlichen Werktag habe die HCR vor Corona rund 50.000 Fahrgäste in den Bussen gehabt. Mit dem Ausbruch der Pandemie sei die Zahl auf etwa 20 Prozent der üblichen Frequenz gesunken, durch die Lockerungen dann aber wieder auf 60 Prozent gestiegen. „Wir rechnen damit, dass die Öffnung des Schulbetriebs nach den Sommerferien für weiteren Zuwachs sorgt“, erklärt Rogalla. Es gebe aber auch einen Grund zur Freude: Nur 3 Prozent der rund 16.500 Stammkunden hätten ihr Abo gekündigt.
Rettungsschirm für den ÖPNV
Mit rund 2,5 Milliarden Euro will sich der Bund an einem ÖPNV-Rettungsschirm beteiligen. Nach Angaben der Straßenbahn Herne-Castrop Rauxel GmbH (HCR) seien den NRW-Verkehrsunternehmen insgesamt rund 500 Millionen Euro zugesagt worden.
Wieviel die HCR davon erhalten werde, sei noch unklar: „Der Schlüssel zur Verteilung steht noch nicht fest“, so Unternehmenssprecher Dirk Rogalla.
Mittel- und langfristig erwartet die HCR durch die Corona-Krise keine Nachteile für Bus und Bahn: „Die Corona-Pandemie wird den Klimawandel und damit auch die dringend benötigte Verkehrswende nicht stoppen beziehungsweise nicht überflüssig machen. Wir sind davon überzeugt, dass der ÖPNV das Rückgrat dieser Verkehrswende bildet.“ Auch die Hernerinnen und Herner könnten sich auf ein „gutes und nachhaltiges Mobilitätsangebot“ verlassen. Die geplante Flottenmodernisierung werde auch in diesem Jahr wie geplant umgesetzt.
Die Stadt
Auch die Stadt blickt optimistisch in die Zukunft. Die Corona-Krise habe zwar aktuell großen Einfluss auf das Verkehrsverhalten, was aber auch Chancen biete, erklärt Stadtsprecher Christoph Hüsken. Die Pandemie führe unter anderem dazu, dass zum Beispiel das Fahrrad von mehr Menschen als Alltagsverkehrsmittel wahrgenommen und genutzt werde.
Auch technische Möglichkeiten, wie zum Beispiel das Arbeiten im Homeoffice, sorgten für weniger Verkehr auf den Straßen und leisteten damit einen positiven Beitrag zum Klimaschutz. „Wir gehen derzeit davon aus, dass zumindest ein Teil der Herner Bürgerinnen und Bürger auch langfristig an den neuen Gewohnheiten festhält“, so Hüsken. Umso mehr sei die Stadt gefordert, darauf zu reagieren. Und: Wie die HCR geht auch die Verwaltung davon aus, „dass wir das ÖPNV-Angebot langfristig weiter ausbauen und die Verkehrswende weiter vorantreiben werden“.
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