Herne. Die Herner Sparkasse hat Prämiensparverträge von über 900 Kunden gekündigt. Zurecht, doch laut Verbraucherzentrale gibt es eine offene Frage.
Die Herner Beratungsstelle der Verbraucherzentrale hat vor wenigen Wochen ihren Jahresbericht veröffentlicht. Ein Thema, zu dem Leiterin Veronika Hensing in den vergangenen Monaten verstärkt Anfragen erhalten hat, sind Prämiensparverträge - und deren Kündigung durch die Sparkasse.
Zum Hintergrund: Im Herbst vergangenen Jahres haben verschiedene Sparkassen alte und für das Kreditinstitut teure Prämiensparverträge gekündigt. Dabei konnten sie sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs stützen, nach dem die Kündigung in bestimmten Fällen erlaubt ist. Auch die Herner Sparkasse machte von der Möglichkeit der Kündigung Gebrauch.
BGH: Bei lang laufenden Verträgen müssen Banken auf veränderte Bedingungen reagieren können
Sparkassensprecher Jörg Velling erläutert die Problematik so: Bei Prämiensparverträgen erhielten Kunden neben einem Grundzins auf den insgesamt angesparten Betrag eine Prämie auf die jeweils in einem Jahr eingezahlte Summe. Diese Prämie steige im Zeitverlauf. Aufgrund des veränderten Zinsumfeldes stünden die jährlichen Prämienzahlungen heute in keinem adäquaten Verhältnis mehr zu den durch die Sparkasse erwirtschafteten Erträgen, basierend auf diesen Anlagen. Im Klartext: Vereinbarte Zinsen und Prämien lägen weit höher als die aktuellen Marktzinsen.
Der Bundesgerichtshof habe im Jahre 2019 klargestellt, dass es bei sehr lang laufenden Verträgen Kreditinstituten auch möglich sein muss, auf veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen angemessen reagieren zu können. Gleichzeitig habe er die Voraussetzungen an ein Kündigungsrecht präzisiert. Der BGH habe geurteilt, dass bei dieser Art von Sparverträgen ein ordentliches Kündigungsrecht ab Erreichen der höchsten Bonusstufe möglich ist.
Bei der Zinsanpassung könnten Kunden Zahlungen in vierstelliger Höhe vorenthalten sein
Velling: „Aufgrund von regelmäßigen Analysen des Vertragsbestandes wurde die Entscheidung getroffen, unbefristet abgeschlossene Verträge, die die höchste Prämienstufe zumindest einmal erreicht haben, entsprechend der BGH-Kriterien zu kündigen. Betroffen sind rund 1100 Verträge von 932 Kunden.“
Veronika Hensing bestätigt, dass die Kündigungen rechtens seien. Kunden, die Rat bei der Verbraucherzentrale Rat gesucht hätten, hätten Verträge aus den 90er-Jahren gehabt.
Allerdings macht sie auf einen anderen Punkt aufmerksam: Die Prämiensparverträge könnten Klauseln zur Zinsanpassung enthalten, die rechtswidrig seien. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg nennt folgendes Beispiel. So heißt es in einem Prämiensparvertrag aus dem Jahr: „Die Sparkasse zahlt neben dem jeweiligen durch Aushang bekannt gemachten Zinssatz für Spareinlagen dieser Art, zur Zeit 3,0 Prozent, bei Beendigung des Sparvertrags auf die Summe der bis dahin vertragsgemäß erbrachten Sparleistungen eine einmalige und unverzinsliche Prämie.“
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Verbraucherzentrale Sachsen bietet die Möglichkeit der Nachberechnung
Diese Klausel sei rechtswidrig, weil daraus nicht hervorgehe, wie die Sparkasse den Zins in Zukunft anpassen werde. Ein Verweis auf den Aushang sei unzureichend, so die Verbraucherzentrale. Der Verweis auf den Aushang findet sich laut Hensing auch in Verträgen der Herner Sparkasse. Nachberechnungen in anderen Fällen hätten offenbart, dass den Sparern teilweise Zinszahlungen in vierstelliger Höhe vorenthalten worden seien.
Die Verbraucherzentrale Sachsen bietet dazu die Möglichkeit einer Nachberechnung. Die Details gibt es hier: https://www.verbraucherzentrale-sachsen.de/geld-versicherungen/langzeitsparer-welche-zinsen-ihnen-zustehen-jetzt-pruefen-lassen-33501
Außerdem macht Hensing auf einen Musterbrief aufmerksam, mit dem Kunden die Sparkasse bitten können, die Zinsanpassung tabellarisch über die gesamten Vertragslaufzeit nachvollziehbar darzustellen: https://www.verbraucherzentrale.nrw/sites/default/files/2020-02/Musterbrief_Zinsaenderungen_am_Sparvertrag.pdf