Herne. „Besorgte Bürger“ aus Herne spielen im NRW-Verfassungsschutzbericht eine besondere Rolle. Auch türkisch-kurdische Konflikte finden Erwähnung.

Die Zahl der Rechtsextremisten ist in NRW erheblich angestiegen. Das hat Innenminister Herbert Reul am Dienstag bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2019 erklärt. Auch Herne findet mehrfach Erwähnung: Den selbst ernannten „Besorgten Bürgern“ aus Herne haben die Verfassungsschützer sogar ein eigenes Kapitel gewidmet. Die Zahl der Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund hat in Herne allerdings nur leicht zugenommen, konkret: von 27 in 2018 auf 31 im vergangenen Jahr (plus 14,8 Prozentpunkte).

Hooligans von Westfalia Herne

Von August 2019 bis Anfang 2020 - hier: im September - marschierten selbsternannten „besorgte Bürger“ durch die Herner Innenstadt.
Von August 2019 bis Anfang 2020 - hier: im September - marschierten selbsternannten „besorgte Bürger“ durch die Herner Innenstadt. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Das Innenministerium zählt die „Besorgten Bürger“ wie unter anderem auch die „Steeler Jungs“ und die „Bruderschaft Deutschland“ zur „rechtsextremistisch geprägten Mischszene“, die miteinander vernetzt sei und sich gegenseitig bei Veranstaltungen unterstütze. Sie setzten sich aus „organisierten Rechtsextremisten, Angehörigen der Hooligan- und Rockerszene sowie sogenannten ,Wutbürgern’ zusammen. „Das verbindende Element bilden dabei Fremden- und Islamfeindlichkeit sowie das behauptete Versagen des Staates gegenüber der vermeintlichen Kriminalität von Migranten“, so das Innenministerium.

Zur Herner Gruppe notierten die Verfassungsschützer: „Nach dem Vorbild der ,Steeler Jungs’ führte eine Gruppe unter der Bezeichnung ,Besorgte Bürger’ seit August 2019 ,Spaziergänge’ in Herne durch. Die Teilnehmerzahlen steigerten sich von 35 bis auf rund 140 Personen.“ Hauptsächlich stammten die Teilnehmer aus der Hooliganszene von Westfalia Herne.

Ausflug zum Neonazi-Festival

Rund ein Drittel der rund 30 Personen umfassenden Kerngruppe besitze rechtsextremistische Bezüge. Beispielsweise hätten circa zehn Personen am neonazistischen „Schild und Schwert Festival“ in Ostritz im Juni 2019 teilgenommen, so das Innenministerium. Darüber hinaus sei bereits circa die Hälfte der Kerngruppe strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Am Herner Aufzug am 27. August hätten sich unter anderem Rechtsextremisten der Partei „Die Rechte“ und der Identitären Bewegung beteiligt. Und: Die „Besorgten Bürger Herne“ hätten ihrerseits an einer Versammlung am 8. September in Mönchengladbach in T-Shirts mit dem Aufdruck ,Bruderschaft Ruhrpott’ teilgenommen, heißt es weiter.

Zahlreiche Straftaten „von links“

Zu den Zahlen: Insgesamt 55 politisch motivierte Straftaten hat die Polizei 2019 registriert - davon 31 aus dem rechten Spektrum (56,5 Prozent). Rechte verübten zwei Körperletzungen und zwei Nötigungen. Die meisten Straftaten fielen in die Bereiche „Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole“ (17) und „Volksverhetzungen“ (6). Teilnehmer der Aufmärsche der „Besorgten Bürger“ hätten insgesamt sieben Straftaten begangen, so die Polizei. Und: 15 der 31 rechtsextremistischen Straftaten seien aufgeklärt worden (48,4 Prozent).

Starke Zuwächse in Herne meldet die Polizei in der Rubrik „linksextremistisch motivierte Straftaten“. Die elf angezeigten Straftaten - darunter zwei Körperverletzungen und drei Sachbeschädigungen - ließen sich vor allem durch die Konfrontationen bei den „Spaziergängen“ der „Besorgen Bürger“ erklären, heißt es. Zum Vergleich: 2018 gab es drei Straftaten „von links“.

Eskalation zwischen Türken und Kurden

Stark in den Fokus der Polizei rückte 2019 in Herne die sogenannte Ausländerkriminalität, hier: die Auseinandersetzungen zwischen türkischen und kurdischen Einwohnern nach dem Angriff der Türkei auf Nordsyrien. Das Innenministerium führt im Verfassungsschutzbericht eine Eskalation in Herne am 14. Oktober in Herne-Mitte sogar als beispielhaft an.

Fünf Menschen wurden bei Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden am 14. Oktober - hier vor einem türkischen Café an der Viktor-Reuter-Straße/Schulstraße - erheblich verletzt.
Fünf Menschen wurden bei Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden am 14. Oktober - hier vor einem türkischen Café an der Viktor-Reuter-Straße/Schulstraße - erheblich verletzt. © Lars Christoph

Fünf Menschen seien damals „erheblich verletzt“ worden, als aus einer Demonstration mit rund 350 Teilnehmern ein Kiosk und ein türkisches Café von Demonstranten gestürmt worden seien, heißt es. Die Verfassungsschützer betonen allerdings auch, dass es vor dem Angriff im Café und am Kiosk zu Provokationen durch das Zeigen des „Wolfsgrußes“ (Erkennungszeichen der türkischen Faschisten) gekommen sei.

Reichsbürger treten kaum in Erscheinung

Bei dieser und bei einer weiteren gewalttätigen Auseinandersetzung am 6. November seien insgesamt 29 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden - unter anderem wegen des Verdachts des besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs, der gefährlichen Körperverletzung sowie des Verstoßes gegen das Waffengesetz. Bei zehn Tatverdächtigen - sechs Türken, vier Kurden - seien Durchsuchungen, Festnahmen und Sicherstellungen durchgeführt worden, so Polizeisprecher Volker Schütte auf Anfrage der WAZ.

Stichwort „politischer Salafismus“: Dieser habe 2019 zwar eine „quantitative Dimension“ gehabt, so die Polizei, die aber nur schwer in konkrete Zahlen zu fassen gewesen sei. Schließlich: Die Reichsbürger seien 2019 in Herne weniger in Erscheinung getreten. Es habe zwar Einzelfälle gegeben, so die Polizei, aber - wie übrigens auch in Bochum und Witten - keinen Hinweis auf eine strukturierte Szene.