Herne. Die langsame Öffnung der Kitas verärgert einige Eltern in Herne. Doch auch die Kitas warnen: Mehr Kinder in Kitas erhöhten die Infektionsgefahr.
Seit mehr als acht Wochen sind die Kitas wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Viele Eltern bringt dieser Zustand an die Grenzen der Belastbarkeit: Kinderbetreuung, Home-Office, Unterricht zuhause. Und eine wirkliche Entlastung ist nach Ankündigung der Landesregierung für die meisten Eltern bis September nicht in Sicht.
„Es gibt Tage, da denke ich einfach, ich kann nicht mehr“, sagt Isabelle Cicherski. Ihr Mann arbeitet im Schichtdienst, sie selbst 30 Stunden die Woche im Home-Office und ihre vierjährige Tochter Johanna ist immer mit dabei. Einfach mal in Ruhe mit einem Geschäftskunden telefonieren? Fast unmöglich. „Wir gehen auf dem Zahnfleisch“, sagt die Mutter aus Herne-Börnig. Familien, in denen beide Eltern berufstätig sind, würden bei der politischen Diskussion zu sehr außer Acht gelassen.
„Meine Tochter sitzt hier manchmal abends und weint, dass sie ihre Freunde vermisst“, sagt Isabelle Cicherski. Denn als Einzelkind hatte Johanna über Wochen keinen Kontakt zu anderen Kindern. Erst jetzt, nach Öffnung der Spielplätze, konnte sie einen Freund treffen. Den Alltag in der Kita, ersetze das aber nicht, findet Mutter Isabelle.
Herner Kitas: Notbetreuung in kleinen Gruppen
Den Kindern möglichst viel Normalität bieten, das versucht auch Andreas Baller, Leiter der Evangelischen Kita an der Johanniskirche in Sodingen, jeden Tag. 20 Kinder seien derzeit für die Notbetreuung angemeldet, rund 15 von ihnen kämen regelmäßig. Die Kinder sind in zwei Gruppen aufgeteilt, auch das Personal wird gesplittet. „So versuchen wir, mögliche Infektionsketten einzudämmen“, sagt Baller.
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Auch in den katholischen Kitas werde versucht, die Kinder in möglichst kleinen Gruppen zu betreuen, teilt Nils Gronemeyer, Sprecher der Katholischen Einrichtungen im Östlichen Ruhrgebiet, mit. Die genaue Zahl variiere täglich bis hin zur Einzelbetreuung. „Wir bemühen uns aber, den Kita-Alltag so zu gestalten, dass dies den Kindern nicht auffällt.“ Bei den drei Herner Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt seien derzeit rund 30 von etwa 200 Kindern in der Notbetreuung, sagt Christopher Becker, Sprecher der Awo Ruhrgebiet-Mitte. Vor Ort würden derzeit individuelle Konzepte erarbeitet, wie eine Erweiterung des Betriebs aussehen könnte.
In den städtischen Kitas orientiere man sich bei den Gruppengrößen an den Empfehlungen des Ministeriums, sagt Stadt-Sprecher Michael Paternoga. Das heißt: maximal fünf bis sechs Kindern im U3-Bereich, zehn bis zwölf Ü3-Kinder.
Vorschulkinder dürfen bald in Kitas zurück
In den kommenden Wochen dürfen in zwei Schritten wieder die Vorschulkindern zurück in die Kitas. Alle geplanten Ausflüge und besonderen Aktionen, die es für sie sonst üblicherweise gibt, müssten dann aber ausfallen. Das sei für die Vorschulkinder zwar traurig, aber einen Nachteil für den Schulbeginn sieht Kita-Leiter Andreas Baller nicht.
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Einen Kita-Alltag, wie sie ihn vor Corona kannten, werden die Vorschulkinder aber nicht antreffen. Die Gruppen sind kleiner, Eltern müssten ihren Kindern schon an der Tür „Tschüss“ sagen, berichtet Andreas Baller. Anders als sonst dürfen sich die Kinder nicht frei im Gebäude bewegen, sondern nur unter Aufsicht in den Flur oder den Bewegungsraum.
Regelmäßiges Händewaschen ja, Abstand beim Spielen nein
In sozialen Netzwerken berichteten Eltern, dass ihre Kinder durch die Zeit in der Notbetreuung vom häufigen Händewaschen ganz rote und wunde Hände hätten. Diese Beobachtung kann Andreas Baller nicht bestätigen, das regelmäßige Waschen der Hände gehöre aber zu den neuen Hygienevorschriften als ein Element dazu.
Schrittweise Öffnung
In Herne werden laut Stadt derzeit 710 von insgesamt 5011 Kindern in Notgruppen betreut - 189 davon in städtischen Kitas (von 1515 Kita-Plätzen).
Ab Donnerstag, 14. Mai, dürfen Vorschulkinder wieder in die Kitas, die Anspruch aus dem Bildungs- und Teilhabepaket oder einen besonderen oder sprachlichen Förderbedarf haben, sowie Kinder mit Behinderungen. In Herne sind dann 1323 Vorschulkinder und 245 Kinder mit Behinderung berechtigt.
In der Tagespflege dürfen Kinder ab zwei Jahren zurück zu ihren Tagesmüttern oder -vätern.
Ab dem 28. Mai werden die Kitas für alle Vorschulkinder geöffnet. Für alle anderen Kita-Kinder solle es im Juni zu weiteren Öffnungen kommen. Über den genauen Umfang solle zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden. Jedes Kind solle aber die Möglichkeit bekommen, sich vor den Ferien noch einmal von den Erziehern zu verabschieden, zwei Tage seien ein „Minimum“.
Wie viel das bringt, darüber ließe sich streiten, wenn die Kinder anschließend gemeinsam mit den selben Spielsachen spielten. Abstand halten sei unmöglich. „Kinder im Spiel voneinander fernzuhalten ist nicht vorstellbar und nicht umsetzbar in der Kita“, so Baller. Deshalb ist für ihn ganz klar: „Je mehr Kinder kommen, um so schlechter wird die Qualität, mit der wir versuchen, das Infektionsrisiko zu vermeiden.“
Wann Johanna und all die anderen Kita-Kinder wieder geregelt zur Kita gehen dürfen, steht noch in den Sternen. Einzelne Tage zum Abschied nehmen wurden vom Ministerium in Aussicht gestellt. Ob sie die überhaupt in Anspruch nimmt, weiß Isabelle Cicherski noch gar nicht. Wie solle sie ihrer Tochter erklären, dass sie ein, vielleicht zwei mal in die Kita dürfte, dann aber nicht mehr? Dafür sei ihr das Infektionsrisiko dann vielleicht doch zu hoch. „Eine Entlastung für uns Eltern ist das jedenfalls nicht.“