Herne. Der Herner Carsten Bielefeld führt die SPD-Selbstständigen in NRW. Warum er die SPD kritisiert, im Coronastress ist und mehr Grundrente fordert.
Beruflich handelt Carsten Bielefeld weltweit mit Mini-Kränen. Persönlich und politisch darf’s aber schon mal eine Nummer größer sein: Der 1,98-Meter-Mann hat in der SPD eine Blitzkarriere hingelegt. Seit 2019 ist er Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Selbstständigen in der SPD (AGS). Auch in diesem Ehrenamt dreht sich derzeit (fast) alles um die Corona-Krise.
Michelle Müntefering gab im HTC-Umfeld den Anstoß
„Blitzkarriere“ bedeutet: der Holthauser Bielefeld ist erst vor sechs Jahren in die SPD eingetreten. Die Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering habe im Umfeld des Herner TC den Anstoß gegeben, berichtet der Hobby-Basketballer, der noch bis 2019 für die zweite HTC-Mannschaft als Center auf Korbjagd ging. Zuvor habe er keiner Partei angehört, bei früheren Wahlen aber nicht immer bei der SPD das Kreuz gemacht.
„Ich hatte Lust, mitzumachen“, sagt der 51-Jährige. „Mitmachen“ heißt im Selbstverständnis des sehr selbstbewussten Familienvaters: anpacken, einbringen, nach vorne gehen. Nach einem Jahr Parteimitgliedschaft wurde er in der Herner SPD zum Chef der Selbstständigen gewählt. „Die AGS kochte auf Sparflamme“, sagt er. Seine Stationen im AGS-Landesvorstand: erst Beisitzer, dann Vize, nun Vorsitzender der in NRW rund 6000 Mitglieder zählenden Genossen-Gliederung.
Kritik am SPD-Führungsduo
Dass die SPD nicht die geborene Partei für Selbstständige ist, um es vorsichtig zu formulieren, ist Carsten Bielefeld durchaus bewusst. Er warnt vor einem weiteren Linksrutsch seiner Partei und kritisiert das neue Führungsduo Walter-Borjans und Esken (“sie machen sich manchmal die Welt, wie sie ihnen gefällt“). Vizekanzler Olaf Scholz ist sein Favorit: „Ich hoffe, dass er Kanzlerkandidat wird.“ Konsequent war er bei der Verteilung seiner Gunst aber nicht immer. Bei der Urwahl der neuen SPD-Führungsspitze gab er im vergangenen Jahr noch Walter-Borjans und Esken seine Stimme, wie auch das WDR-Landesmagazin „Westpol“ damals in einem TV-Beitrag über Bielefeld dokumentierte.
Schnee von gestern - erst recht durch die seit wenigen Wochen alles beherrschende Pandemie: „Mehr als 400 Anrufe“ habe er als AGS-Vorsitzender nach einem Aufruf an Selbstständige erhalten. „Das Feedback war gewaltig.“ Nicht ohne Grund: Vor allem Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern stünden vor großen Problemen, weil die KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) Schnellkredite nicht zu 100 Prozent absichere und Banken die Kleinunternehmer anschließend abblitzen ließen. Persönlich sei er als selbstständiger Handelsvertreter für die Firma Nordkran weniger von Corona betroffen, sagt der verheiratete Vater von Zwillingstöchtern (23).
Neues Konzept für eine „Rente 2.0“
Durch die wirtschaftlichen Folgen von Covid-19 sind die von Bielefeld gewählten politischen Arbeitsschwerpunkte Grundrente und Digitalisierung ein wenig in den Hintergrund gerückt, für ihn dadurch aber nicht minder bedeutend. „Die Grundrente liegt uns sehr am Herzen“, sagt er. Wie kommt man als Unternehmerlobbyist dazu, sich um ein Arbeitnehmerthema zu kümmern? „Je besser Angestellte gerade in Kleinunternehmen abgesichert sind, desto größer ist die Leistung in den Betrieben.“
Die von der SPD mit der Union ausgehandelte (und neuerdings von der CDU wieder in Frage gestellte) Grundrente sei völlig unzureichend, kritisiert Bielefeld. Die NRW-AGS habe mit Rentenprofis unter Federführung des Vorstandsmitglied Sven Matterne - der Bochumer gehört ebenfalls der Herner SPD an - ein Modell für eine „Gesetzliche Rentenversicherung 2.0“ erarbeitet. Auf einem SPD-Bundesparteitag, im Austausch mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Staatssekretären sowie bei einer Herner Veranstaltung mit Armutsforscher Professor Christoph Butterwegge haben Bielefeld, Matterne & Co. für ihr Konzept gegen Altersarmut getrommelt - bisher vergeblich.
Keine Angst vor Gegenwind
Carsten Bielefeld enttäuscht diese Ablehnung und sieht auch weitere Defizite in der Wirtschaftspolitik seiner Partei. Was ihm ebenfalls missfällt: „Der SPD gelingt es nicht, ihre Erfolge in der Großen Koalition angemessen zu verkaufen.“ Die Herner SPD und insbesondere ihren Vorsitzenden Alexander Vogt lobt er dagegen über den grünen Klee: „Alex ist topqualifiziert.“
Seine Stimme will Carsten Bielefeld auch weiterhin in der SPD erheben. Er sei nicht der bequemste Genosse, räumt er ein. Gegenwind fürchtet er nicht: „Mein großer Vorteil: Ich bin unabhängig.“
Eine Ikone, zwei SPD-Granden, ein japanischer Hund
Sein Lieblingsbasketballspieler: „Keine Frage: Dirk Nowitzki!“ Er habe ihn vor Jahren bei zwei, drei Heimspielen der Dallas Mavericks in den USA live erlebt, sagt Carsten Bielefeld.
Sein Lieblings-SPD-Politiker: „Helmut Schmidt und Willy Brandt waren schon nicht schlecht.“
Sein-Lieblingshund: „Der Akita, eine japanische Hunderasse.“ Man kann es aber noch etwas konkreter sagen: der Akita Gin, der seit eineinhalb Jahren zur Familie Bielefeld gehört.