Herne. In Herne ist die offizielle Zahl der positiv auf Corona getesteten Menschen deutlich niedriger als in Nachbarstädten. Woran könnte das liegen?

Sind die Hernerinnen und Herner widerstandsfähiger gegen das Coronavirus als die Bewohner anderer Ruhrgebietsstädte? Zwar sind laut der offiziellen Zahlen derzeit insgesamt 69 Menschen positiv auf Covid-19 getestet worden. Doch ein Vergleich mit einigen anderen Städten zeigt, dass Herne damit - hochgerechnet auf die Bevölkerungszahl - weniger betroffen ist als andere Kommunen. Woran könnte das liegen? Versuch einer Annäherung.

Bochum hat mehr als doppelt so viele Corona-Fälle

Auf 100.000 Einwohner kommen in Herne aktuell 44 Coronafälle (Stand: Montagabend). Die WAZ hat die Fälle anderer Kommunen ebenfalls ins Verhältnis zur Bevölkerungszahl gesetzt. Das Ergebnis dieser Stichproben verblüfft: Auf Basis der von den Bezirksregierungen gemeldeten Zahlen ist das Virus in Herne weitaus weniger verbreitet. So gibt es in Gelsenkirchen und Recklinghausen jeweils 75 Coronafälle auf 100.000 Einwohner. Mülheim kommt auf 76, Bochum auf 91 und Münster gar auf 187 Fallzahlen. Annähernd mit Herne vergleichbare Fallzahlen haben demnach Bottrop (56) und Hagen (63).

Die Bezirksregierung Arnsberg, zu der Herne, Bochum und Recklinghausen gehören, kann die Frage nach den Gründen für die zum Teil erheblichen Abweichungen derzeit nicht beantworten. Es mache aufgrund der derzeitigen Informationslage "wenig Sinn, zu spekulieren", sagt Christoph Söbbeler, Sprecher der Bezirksregierung, auf Anfrage der WAZ. Mit Interpretationen müsse man sehr vorsichtig sein. Auch die Zahlen im Kreis Olpe seien beispielsweise mal sehr niedrig gewesen, dann jedoch in kurzer Zeit stark angestiegen. Die Frage nach Gründen für Abweichungen werde man - wenn überhaupt - wohl erst in Monaten beantworten können, wenn sich die Situation beruhigt habe.

Abweichende Corona-Zahlen vom Land

Die Herner Verwaltung kann ebenfalls keine Erklärung liefern. "Wie die Situation in anderen Städten ist, können wir nicht sagen", so Stadtsprecherin Nina-Maria Haupt. Sie weist aber auch darauf hin, dass es andere offizielle Zahlen gebe, durch die sich der Blick relativiere. Denn: Laut der Zahlen des NRW-Landeszentrums über laborbestätigte Corona-Infektionen (Stand: 2. April) hat Herne 41 Fälle auf 100.000 Einwohner, Gelsenkirchen 49, Mülheim 50 und Bottrop sogar nur 38. Heißt: In dieser offenbar auf anderen Zahlen basierenden Berechnung sind die Unterschiede weniger gravierend als bei den Zahlen der Bezirksregierungen.

Spielt möglicherweise die Zahl der in den Städten durchgeführten Corona-Tests eine Rolle? Auch auf diese Frage gibt es keine klare Antwort. Herne habe in dem am 12. März eröffneten Diagnosezentrum bisher 368 Tests bzw. Abstriche vorgenommen, so Stadtsprecherin Haupt. Allerdings würden Tests auch in Arztpraxen und Krankenhäusern durchgeführt. In dem am 10. März eröffneten Diagnosezentrum in Mülheim - die Stadt an der Ruhr hat nur etwa 10.000 Einwohner mehr als Herne (160.000) - wurden dagegen bereits etwa 1300 Abstriche gemacht. Die Mülheimer Arztpraxen machten jedoch in Mülheim keine Abstriche, so eine Stadtsprecherin.

Gelsenkirchen testet mobil

Einen ganz anderen Weg geht bisher Hernes Nachbarstadt Gelsenkirchen. "Wir haben kein Diagnosezentrum", sagt Stadtsprecher Martin Schulmann zur WAZ. Das Deutsche Rote Kreuz führe derzeit die Abstriche für die Stadt in Verdachtsfällen in mobilen Testverfahren durch. Und auch in Krankenhäusern werde natürlich getestet. Eines steht für Martin Schulmann fest: Die tatsächliche Zahl der Coronafälle in Gelsenkirchen sei eine Dunkelziffer. Und das dürfte jenseits der Tests und Statistiken auch für Herne und alle anderen Städte gelten.

>>> Alter und Geschlecht der Herner Erkrankten

Die Stadt hat auf Anfrage detaillierte Zahlen über die Erkrankten vorgelegt.

Demnach handelt es sich (Stand Montag, 6. April) um 30 Frauen und 42 Männer. 38 dieser 72 positiv getesteten sei bereits wieder genesen, so die Stadt.

Die Aufschlüsselung der Herner Fälle nach Altersgruppen (Stand am Freitag, 3. April): 0-4 Jahre 1 Fall, 5-14 Jahre 1 Fall, 15-34 Jahre 15 Fälle, 35-59 Jahre 34 Fälle, 60-79 Jahre 15 Fälle, über 80 Jahre 2 Fälle.