Herne. „Die geheime Mission des Kardinals“ heißt der Roman von Rafik Schami. Am Samstag hat seine Lesung in der ausverkauften Kreuzkirche stattgefunden.

Ein Syrer würde niemals auf die Idee kommen, auf einem Friedhof spazieren zu gehen. Für Rafik Schami undenkbar, sich der Gefahr auszusetzen, von unsichtbaren Händen einsamer Toter ergriffen zu werden, erzählt der Autor am vergangenen Samstag in der Kreuzkirche und lässt die Seiten seines Romans „Die geheime Mission des Kardinals“ zugeschlagen.

Wer sich auf die angekündigte Vorlesung eingestellt hat, wurde doch positiv überrascht und verlor sich dann allzu gerne im Wortfluss des Tausendsassas Schami, für den alleiniges vorlesen einfach zu unpersönlich sei. Kirchen seien schließlich Orte, an denen Geschichten erzählt würden und so nimmt er seine Zuhörer mit auf einen Spaziergang durch seinen neuesten Roman, in dem ein toter Kardinal für Ratlosigkeit bei Kommissar Barudi und seinen Leuten sorgt. Jedoch nur von A-W. Bei X und Y würden die Buchhandlungen ungemütlich scherzt der bebrillte Mann mit dem gelebten Gesicht, dessen Lachen so ansteckend ist, dass sich ihm niemand entziehen möchte.

Roman und Realität verschwimmen ineinander

Mit kräftiger Stimme untermauert er seine Erzählung, in dessen Verlauf immer wieder persönliche Anekdoten einfließen und manch kleine Weisheit mit auf den Weg gegeben wird, so dass Realität und Roman ineinander verschwimmen. Seine Charaktere scheinen dabei alte Bekannte, so lebhaft schildert Rafik Schami deren Eigenarten, als habe er eben noch mit ihnen am Küchentisch gesessen.

Er spricht sie direkt an, malt mit starker Gestik ganze Szenenbilder in die Luft und treibt die Handlung in flüchtigen Momentaufnahmen voran. „Der Kommissar ist ein ganz wunderbarer Mensch. Auch korrupt, aber das macht nichts“, bringt er seinen Protagonisten auf den Punkt. Fast vergisst man beim Zuhören, dass er sich dies alles erdichtet hat, doch Parallelen zu Rafik Schamis eigenen Leben ziehen Brücken, hin zum Reich der Fantasie und zurück.

Kreuzkirche war erneut ausverkauft

Ein Psychotherapeut erkennt schließlich das Leid des Kommissars, das er im System begründet sieht und rät dazu Tagebuch zu führen. Hier fände Barudi zwar keine Heilung, jedoch in gnadenloser Ehrlichkeit gegenüber der Welt sich selbst. Für den Zuhörer geben jene Einträge Rückschlüsse auf den Charakter des müden Kommissars und Einblicke in die Geschichte Syriens, die so ein gutes Stück nahbarer wird.

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Als dann die geliebte Frau stirbt, rutscht der Kommissar in die Einsamkeit, der sich jedoch mit Galgenhumor und unerschütterlichen Pragmatismus über Wasser zu halten weiß. Das Literaturhaus scheint gefallen an der Kreuzkirche gefunden zu haben, die, erneut ausverkauft, das erfolgreiche Konzept bestätigt.