Herne. Dem Journalistenzentrum Herne droht Ärger. Das Haus bezieht sich auf Emil Dovifat. Der ist umstritten – wegen seiner Arbeit in der Nazi-Zeit.

Das Journalistenzentrum Herne feiert am Freitag die „Verabschiedung des 300. Volontärskurses seit Emil Dovifat“. Das sorgt für Irritationen: Dovifat, lange verstorbener Professor für Zeitungswissenschaft, arbeitete in der NS-Zeit mit dem Regime zusammen.

Sechs Wochen ist das Journalistenzentrum Herne alt. Mitte Januar starteten im Herner Shamrockpark die ersten Volontäre; 250 Journalisten sollen nun jährlich auf dem ehemaligen RAG-Gelände ausgebildet werden. Schon zum Start verwies Frank Überall, Vorsitzender des Trägervereins „Neue Gesellschaft für publizistische Bildungsarbeit“, auf den 1969 verstorbenen Publizistikwissenschaftler und Journalisten. Das neue Journalistenzentrum, so Überall, stehe unter anderem in der Tradition der ersten Journalismus-Kurse der Bundesrepublik von Professor Emil Dovifat in Düsseldorf in den 1960er-Jahren.

Raum wurde nach Dovifat benannt

Seit der Eröffnung taucht der Name Dovifat im Journalistenzentrum mehrfach auf. So sei dort ein Raum „Emil“ geschaffen worden, teilte das Haus vergangene Woche mit. Und nun soll am Freitag, 21. Februar, besagter „300. Volontärskurs seit Emil Dovifat“ verabschiedet werden. „Diese Ausbildung für Journalistinnen und Journalisten hat eine lange Tradition in Deutschland“, schreibt die Direktorin des Journalistenzentrums, Dagmar Thiel, in ihrer Einladung. Der erste berufsbegleitende Kurs für Volontäre habe 1961 in Düsseldorf begonnen. Und zwar mit „Volontären der deutschen Presse und des Rundfunks in der ganzen Bundesrepublik und Berlin“, wie es damals in der Einladung des wissenschaftlichen Leiters Professor Dr. Emil Dovifat geheißen habe.

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Das sorgt für Irritationen. Auf Twitter fragte etwa der Journalist Peter Welchering, ehemaliges Mitglied des Deutschen Presserates: Wieso stellt sich das Journalistenzentrum in die Tradition eines NS-konformen Publizisten? Die Ausbildungsstätte, sagt Frank Überall, der Chef des Trägervereins, beziehe sich nicht auf den Namen Dovifat, sondern auf die qualitativ hohe Journalistenausbildung, die er nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt habe: „Wir sind froh, dass es sie heute so noch gibt.“ Die Kritik wolle der Trägerverein aber zum Anlass nehmen, über Dovifat zu recherchieren und zu diskutieren. „Wenn es neue Fakten gibt, nehmen wir von dem Namen Abstand“, so der Journalist Überall, der auch selber als Journalismus-Professor arbeitet und zugleich Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes ist.

Historiker Piorr: Dovifat hat nationalsozialistische Gesinnung gelobt

Nennt den Bezug auf Dovifat falsch: Historiker Ralf Piorr.
Nennt den Bezug auf Dovifat falsch: Historiker Ralf Piorr. © FUNKE Foto Services | Ralph Bodemer

Der Historiker Ralf Piorr aus Herne bezeichnet es als „falsch“, wie sich die Journalistenschule auf Dovifat bezieht. Der Mitbegründer der Publizistikwissenschaft in Deutschland, 1890 geboren, sei in der NS-Zeit zwar kein NSDAP-Parteimitglied gewesen und nach der Machtergreifung durch die Nazis auch kurzfristig pensioniert worden.

Später habe er sich aber „bereitwillig für die Propaganda-Maschinerie“ der Nazis einspannen lassen, mit dem Propagandaministerium des Joseph Goebbels zusammengearbeitet, habe Hitlers Rhetorik gelobt und Artikel mit antisemitischem Unterton geschrieben. Dovifat, der in der Weimarer Republik demokratischen und pluralistischen Journalismus gefordert habe, habe im Zweiten Weltkrieg Vorträge vor Wehrmacht und SS gehalten, in denen er „die richtige Gesinnung im geistigen Weltkampfe“ gelobt habe: „sprich: die nationalsozialistische“. Sich allein auf positive Aspekte einer Persönlichkeit zu beziehen, sei falsch, betont der Historiker. Und stellt klar: Man müsse die Menschen in ihrer Ambivalenz betrachten und einordnen.

Piorr: Biografien sind selten schwarz oder weiß

Der Publizistikwissenschaftler Emil Dovifat gehöre letztlich zu jener Generation, die in der Zeit des Nationalsozialismus gelebt, gearbeitet und sich positioniert habe, sagt Hernes Historiker Ralf Piorr. Diese Biografien seien selten schwarz oder weiß, sondern meistens grau. In der alten Bundesrepublik sei selten gefragt worden: Was hast du eigentlich während der NS-Zeit getan? Man habe ja die Funktionseliten zum Wiederaufbau gebraucht.

Das gilt nach den Worten Piorrs auch für eine Stadt wie Herne. Oberbürgermeister und Oberstadtdirektor Hermann Meyerhoff (Zentrum, CDU) habe sich als Verwaltungsexperte mit dem Nationalsozialismus genauso gut arrangiert wie mit den demokratischen Systemen von Weimar und Bonn. Oberstadtdirektor Edwin Ostendorf (SPD), der als Organisator des Sozialwesens in unserer Stadt gelte, habe seine Mitgliedschaft in der NSDAP stets geheim gehalten.

Bei der Einweihung des Journalismuszentrums, so Piorr, habe Überall betont, dass man dem sauber arbeitenden Journalismus auch in digitalen Zeiten eine Zukunft geben wolle. „Mit seiner zumindest in der Öffentlichkeit unkritischen Bezugnahme auf Emil Dovifat ist ihm das hinsichtlich der analogen Vergangenheit des 20. Jahrhunderts bisher nicht gelungen“, meint Piorr. Und fügt an: „Es bleibt also noch viel Spielraum für seine Auszubildenden.“

Oberbürgermeister Frank Dudda, Mitglied des Beirats der Journalistenschule, hat die Diskussion über Dovifat ebenfalls verfolgt. Er will am Freitag, bei der Sitzung des Beirats, um Aufklärung über den Bezug auf den Journalistik-Professor bitten, sagte er zur WAZ.

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