Herne. Aus Herne gibt es (fast) einhellig Unterstützung für das Gerichtsurteil zur Beibehaltung der OB-Stichwahl. Lob gibt es sogar aus der CDU.
So einig sind sich die Herner Landtagsabgeordneten selten: Alexander Vogt (SPD) spricht von einer „Klatsche“ für die Landesregierung, sein FDP-Kollege Thomas Nückel von einer „Backpfeife“. Wie Parteien und Politiker auf das Gerichtsurteil zur Beibehaltung der Oberbürgermeister-Stichwahl reagieren und was OB-Kandidaten aus dem Urteil für die Kommunalwahl in Herne am 13. September 2020 ableiten.
„Wir fühlen uns bestätigt. Das ist ein guter Tag für die Demokratie“, erklärt SPD-Chef Vogt, dessen Partei im Land gemeinsam mit dem Grünen vors Verfassungsgericht gezogen war. Die Entscheidung von Schwarz-Gelb für das Aus der Stichwahl sei allein aus taktischen Erwägungen erfolgt, um die Chancen von CDU-Kandidaten zu erhöhen, so Alexander Vogt. Dafür habe die Landesregierung nun die Quittung bekommen.
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Timon Radicke: Wahlchancen erhöhen sich
Der Herner CDU-OB-Kandidat Timon Radicke befürwortet das Urteil gleich aus zweifacher Sicht. In einer Stadt wie Herne erhöhten sich dadurch natürlich die Wahlchancen für die Herausforderer, so der CDU-Kreisvorsitzende. Ein zweiter Wahlgang eröffne die Möglichkeit, Unterstützung von Wählern unterlegener Kandidaten bzw. Parteien zu bekommen.
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Wie Vogt sieht der Christdemokrat in der Stichwahl aber auch eine Stärkung der Demokratie. „Wenn ein Kandidat im ersten Wahlgang mit 26 oder 27 Prozent der Stimmen zum Oberbürgermeister gewählt wird, ist das nicht gut für seine demokratische Legitimation.“ Auch im Falle einer geringen Beteiligung bei der Stichwahl könne ein OB sagen, dass er mit absoluter Mehrheit gewählt worden sei. Unabhängig davon sei es immer gut, wenn Bürger mehr Wahl- und Beteiligungsmöglichkeiten hätten. Radicke äußert aber auch ein Stück weit Verständnis für die Argumente der Landes-CDU: Gemessen an sehr niedrigen Beteiligungen an Stichwahlen insbesondere im ländlichen Raum seien Kosten und Aufwand sehr hoch.
Der Herner FDP-Landtagsabgeordnete Thomas Nückel räumt die Schlappe für die schwarz-gelbe Landesregierung ein, verweist aber fast im gleichem Atemzug auf das „sehr knappe Ergebnis“ im Senat des Verfassungsgerichtshofes (4:3). Auch aus seiner Sicht spreche einiges für eine Abschaffung: Es sei „grausig“, wenn die Beteiligung bei Stichwahlen bei 9 oder 10 Prozent liegen - so wie es bereits vorgekommen sei. Nückel blickt aber auch nach vorne: „Wir müssen nun alles tun, um die Beteiligung bei Stichwahlen zu erhöhen.“
Drei Kandidaten bei Herner OB-Wahl 2015
Grünen-Sprecher Pascal Krüger ist vom Urteil der Münsteraner Richter überrascht: „Ich hätte nicht damit gerechnet“, sagt der designierte OB-Kandidat der Grünen. Aus demokratietheoretischen Gründen stehe er voll hinter dieser Entscheidung und freue sich über das Urteil. Er könne sich vorstellen, dass nun mehr Parteien einen OB-Kandidaten aufstellen werden.
In Herne haben bisher erst SPD, CDU und Grüne erklärt, dass sie für den 13. September zur Wahl der Stadtspitze antreten werden. 2015 gingen zwar nur drei Kandidaten ins Rennen, doch Grünen-Ratsfraktionsvorsitzender Thomas Reinke wurde damals auch von Linke, FDP, Piraten und Alternativer Liste unterstützt. Zu einer Stichwahl kam es zwei Wochen nach dem ersten Urnengang trotzdem nicht: Frank Dudda (SPD) siegte mit 55,9 Prozent. Und Reinke ließ immerhin CDU-Kandidat Peter Neumann-van Doesburg deutlich hinter sich. Zur Stichwahl kommt es nur, wenn kein Kandidat im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreicht.