Herne. Der Fahrplanwechsel am Sonntag löst Proteste in Herne aus. Pendler und Schüler klagen über Verschlechterungen auf zwei Linien. Darum geht es.
Die neuen Fahrpläne für Bus und Bahn treten am Sonntag in Herne in Kraft. Bereits vorab gibt es heftige Proteste gegen Kürzungen auf zwei Linien. Betroffen sind Pendler und Schüler: Die einen kommen nicht mehr rechtzeitig zur Arbeit, die anderen kommen zu spät zum Unterricht oder müssen länger auf dem Schulhof warten (siehe unten).
Die 306 zwischen Wanne über Eickel nach Bochum steht dabei erneut im Fokus. Bekanntlich hatte eine politische Mehrheit im Februar auf Vorschlag der Stadt beschlossen, dass das Angebot verschlechtert wird: Mit Ausnahme nachfragestarker Zeiten am Morgen und am Nachmittag fährt die Bahn auf Herner Gebiet nur noch im 15-Minuten-Takt statt wie bisher alle 10 Minuten; in Bochum gilt dagegen ein 7,5-Minuten-Takt. Das stieß auf breite Kritik. Das Aushängen des neuen 306-Fahrplans löste nun bei einigen ÖPNV-Nutzern jedoch regelrecht Entsetzen aus.
Eickelerin ist verzweifelt
Die erste Bahn fährt nämlich künftig werktags nicht mehr ab 4.06 Uhr in Richtung Bochum, sondern erst ab 5.12 Uhr. Marion Barthelt ist verzweifelt: „Ich habe nun keine Möglichkeit mehr, mit Bus und Bahn pünktlich um 6 Uhr an meiner Arbeitsstelle in Witten zu sein“, sagt die Eickelerin, die in einer Elektrofabrik arbeitet. Seit mehr als 15 Jahren steige sie am Halt Hannibalstraße in die 306 und anschließend im Bochumer Hauptbahnhof um. Sie habe alle neuen Fahrpläne gewälzt und Alternativen zur 306 gesucht, aber: „Das haut alles nicht hin.“
Ein telefonischer Hilferuf an die Stadt sorgte für Ernüchterung. Ein Stadtmitarbeiter habe ihr ernsthaft vorgeschlagen, so Barthelt, zum Metropolrad-Standort Auf der Wenge zu laufen und von dort mit dem Leihrad nach Bochum zu fahren. Wie sie nun am Montag zur Arbeit kommt? Marion Barthelt weiß es noch nicht. Als es im Sommer Einschränkungen auf der Linie gegeben habe, sei sie auch schon mal bis Bochum-Hamme gelaufen. Aber als Dauerlösung im Winter bei Dunkelheit frühmorgens fünf Kilometer bis zum Hauptbahnhof laufen? „Da habe ich Angst“, sagt die 53-Jährige.
Vater nimmt Politik in die Verantwortung
Zu Wort meldet sich in Sachen 306 auch Karl-Heinz Hassenewert, dessen Tochter eine Ausbildung zur Konditorin in Bochum macht: „Sie konnte bisher problemlos gegen vier Uhr morgens mit der Linie 306 zu ihrer Arbeitsstelle in Bochum fahren. Dieses ist zukünftig mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr möglich“, berichtet der Eickeler. Und das in Zeiten, in denen zum Erreichen der Klimaziele Menschen zum Verzicht auf private Verkehrsmittel mit Verbrennungsmotoren angehalten würden.
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Hassenewert nimmt vor allem die Politik in die Verantwortung: „Anstatt berufstätige Mitbürger davon abzuhalten, mit öffentlichen Verkehrsmitteln ihre Arbeitsstelle zu erreichen, sollten die Herner Politiker sich Gedanken machen, wie früh arbeitende Menschen mit öffentlichen Verkehrsmitteln ihre Arbeitsstelle erreichen können“, so sein Appell.
Stadt bedauert „Härtefälle in Randzeiten“
Die Beschwerden einzelner Fahrgäste seien der Stadt bekannt, erklärt Stadtsprecher Christoph Hüsken auf Anfrage. Fahrgastzählungen hätten jedoch ergeben, dass die Auslastung der 306 in den frühen Morgenstunden sehr gering sei. „Grundsätzlich ergibt sich durch das Gesamtkonzept zum aktuellen Fahrplanwechsel aber eine Verbesserung für den überwiegenden Teil der Pendler“, so Hüsken.
Es sei „sehr bedauerlich“, dass von dem Fahrplanwechsel nicht alle Fahrgäste profitierten. Aber: Unterm Strich würden bei Bus und Bahn 70.000 Kilometer pro Jahr zusätzlich auf Herner Straßen angeboten - unter anderem auch durch die neue Buslinie 391. Die Stadt nehme „Härtefälle in den Randzeiten“ aber zum Anlass, „Nachbesserungen im Blick zu haben“.
Kein Geld für Modellversuch zur 306
Ende September hatte OB Frank Dudda Hoffnungen geweckt, dass die Ausdünnung auf einen 15-Minuten-Takt auf der Linie 306 verhindert werden kann. Herne sei bereit für den Bochumer 7,5-Minuten-Takt, lautete sein öffentliches Signal. Voraussetzung dafür wäre jedoch, dass Herne eine vergleichbare finanzielle Förderung für eine solche Maßnahme erhalte wie Bochum, so Dudda damals.
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Wie ist der aktuelle Stand? Es liefen noch „intensive Gespräche mit möglichen Fördermittelgebern zur Finanzierung des Modellversuchs“, so die Stadt auf Anfrage der WAZ. Herne könne ein solches Projekt nicht alleine stemmen. Sobald eine Förderung in Sicht sei, würde Herne auf Bochum zugehen.