Die Polizei wirft sich keine Fehler bei der der aus dem Ruder gelaufenen Kurden-Demo in Herne vor. Weitere Proteste werden bereits angekündigt.
Die Eskalation bei der Kurdendemonstration gegen den Krieg der Türkei am Montagabend in Herne sei für die Polizei nicht zu verhindern gewesen. Das erklärt Polizeisprecher Frank Lemanis auf Anfrage der WAZ. Die MLPD warnt derweil vor einer Kriminalisierung der Versammlung. Und auch der Integrationsratsvorsitzende Muzaffer Oruc hat Stellung genommen.
Es gebe keinen Hinweis auf ein Fehlverhalten der Polizei, so Sprecher Lemanis. Als sich abgezeichnet habe, dass die Stimmung „gereizt“ sei, hätten sie weitere Kräfte angefordert. Die seien auch schnell gekommen, obwohl am Montag zeitgleich Kurdendemos in Bochum und Dortmund stattgefunden hätten.
Und wie viele Beamte waren am Ende in Herne im Einsatz? „Genug“, sagt Lemanis. Hintergrund: Aus „einsatztaktischen Gründen“ macht die Polizei grundsätzlich keine Angaben über die Zahl der Einsatzkräfte.
Polizei zog Abbruch nicht in Erwägung
Ein Abbruch der Demonstration nach den ersten Ausschreitungen am Kiosk an der Mont-Cenis-Straße sei nicht in Erwägung gezogen worden, weil eine solche Maßnahme nicht verhältnismäßig gewesen wäre. Die Versammlungsfreiheit sei in Deutschland ein hohes Gut und unterliege deshalb einem besonderen Schutz.
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Die Polizei könnten sich aber „auf jeden Fall“ vorstellen, dass im Falle einer Neuauflage einer solchen Demonstration - die MLPD kündigte so etwas bereits an - eine andere Route gewählt werde. Die Entscheidung liege aber letztlich beim Anmelder, so Lemanis. Die Polizei müsste dann aber schon sehr gute Gründe vorbringen, wenn sie eine andere Route wolle.
MLPD kündigt weitere Proteste an
Peter Weispfenning von der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) hat gegenüber der WAZ weitere Proteste gegen den Krieg der Türkei in Syrien angekündigt. „Dazu werden sicherlich auch Demonstrationen in Herne gehören“, sagt Weispfenning, der am Montagabend Versammlungsleiter bei der mit kurdischen Verbänden durchgeführten Kundgebung war.
Er warnt davor, alle Demonstranten zu „kriminalisieren“ und nur noch über die Ausschreitungen zu reden. „Die entscheidende Nachricht ist: 1000 Menschen sind gegen Menschenrechtsverletzungen auf die Straße gegangen mit dem Ziel, den völkerrechtswidrigen Krieg zu stoppen.“
Geboten seien polizeiliche Ermittlungen gegen „faschistische Provokateure“, so Weispfenning. Und: Auch gegen die Rolle der für diesen Krieg immerhin mitverantwortliche Bundesregierung müsse protestiert werden.
Oruc ruft zur Besonnenheit auf
Bereits am Montagabend hat der Integrationsratvorsitzende Muzaffer Oruc Stellung genommen. Auf seiner Facebook berichtete er (auf Deutsch und Türkisch), dass er von vielen türkischstämmigen Menschen Anrufe erhalten habe. „Sie sind aufgrund der PKK-nahen Demo in Herne in Unruhe und fragten mich, wie sie sich verhalten sollen.“
Er rufe zur Besonnenheit auf, so SPD-Ratsherr Oruc. „Die türkische Community darf sich nicht provozieren lassen.“ Sie wollten in ihrer Heimat Herne weiterhin friedlich leben. Und: Die Polizei werde sicherlich für Ordnung sorgen.
Yüksel greift Erdogan an
Oruc richtete auch einen Satz an Flüchtlinge, die an der Kurdendemonstration teilgenommen haben: „Ist das der Dank dafür, dass wir Euch eine zweite Heimat gegeben haben? Wieso lasst Ihr Euch instrumentalisieren? Ihr habt nicht das Recht, das friedliche Zusammenleben unserer Stadt zu stören.“ Dankbarkeit sehe anders aus. Er meine das aber nicht pauschalisierend, stellt Oruc am Dienstag gegenüber der WAZ klar. Flüchtlinge müssten auch Unterstützung erhalten.
Zu Wort meldete sich am Dienstag auch der SPD-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel. „Ich rufe alle Seiten dazu auf, friedlich zu demonstrieren“, erklärt der auch für den Bezirk Eickel zuständige Abgeordnete. Maßgeblich verantwortlich für die Konflikte in der türkischen und kurdischen Gemeinschaft macht Yüksel Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Die entstandene tiefe Spaltung gehe durch viele Freundschaften und Familien. Die Angriffe vor einem Kiosks und auf einen türkischen Verein seien zu verurteilen. Solche Angriffe seien nicht zu rechtfertigen.