Herne. Bedrohungen, Beleidigungen und eine Sachbeschädigung: Die Polizei ermittelt gegen „besorgte Bürger“ nach einem Übergriff auf Demonstranten.

Nach dem Übergriff der „besorgten Bürger“ auf Gegendemonstranten am Dienstagabend hat die Polizei die Ermittlungen aufgenommen. Im Zuge einer Strafanzeige haben Mitglieder des „Bündnis Herne“ der Polizei eine Filmaufnahme des Vorfalls zur Verfügung gestellt. Die Ermittlungen dauern an.

Der zweieinhalb Minuten lange Clip (er liegt der WAZ vor) zeigt, wie eine Gruppe von etwa 15 sogenannten „besorgten Bürgern“ aus Richtung Europaplatz eine halbe Stunde nach Abschluss aller Demonstrationen den Robert-Brauner-Platz passieren, auf dem rund 20 Mitglieder des „Bündnis Herne“ gerade abbauen und ein Auto beladen. Nach Pfiffen aus dem Kreis der Gegendemonstranten nähern sich einige „besorgte Bürger“.

Polizei ermittelt gegen besorgte Bürger in Herne

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    Die folgenden (ungeschnittenen) Bilder zeigen, wie sie sich bedrohlich vor „Bündnis“-Mitgliedern aufbauen und diese als „Antifa-Fotzen“ beschimpfen. Am Ende schlägt ein „besorgter Bürger“ der Filmenden das Handy aus der Hand. Anschließend entfernt sich die Gruppe - einige von ihnen hatten sich vermummt - wieder in Richtung Europaplatz. Die vom Bündnis alarmierte Polizei traf den „Haupttatverdächtigen“ und weitere „besorgte Bürger“ anschließend in der Nähe des Brauner-Platzes an.

    Handy aus der Hand geschlagen

    Die Ermittlungen und die Auswertung des Videos dauerten an, sagt Polizeisprecher Frank Lemanis am Mittwoch auf Anfrage der WAZ. Er schließe nicht aus, dass es noch um weitere Straftatbestände gehen könnte. So berichtete ein Augenzeuge gegenüber der WAZ, dass auf dem Brauner-Platz vor ein Auto getreten worden sei. Außerdem wurde eine weitere Strafanzeige wegen Sachbeschädigung gestellt: Das aus der Hand geschlagene Handy hat einen Riss im Display. Die Polizei will den Film auch dazu nutzen, weitere Personen zu identifizieren. Jenseits der Verfolgung von Straftaten könnten sie auch durch sogenannte „Gefährderansprachen“ aktiv werden, so Frank Lemanis.

    Die Polizei schirmte die „besorgten Bürger“ am Dienstagabend vor den Demonstranten ab, zog aber nach Abschluss der Kundgebungen wieder ab. Ab kommender Woche will die Polizei auch nach Abschluss der Demonstrationen präsent in der Innenstadt sein, um Übergriffe zu verhindern.
    Die Polizei schirmte die „besorgten Bürger“ am Dienstagabend vor den Demonstranten ab, zog aber nach Abschluss der Kundgebungen wieder ab. Ab kommender Woche will die Polizei auch nach Abschluss der Demonstrationen präsent in der Innenstadt sein, um Übergriffe zu verhindern. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

    Gegendemonstranten berichteten, dass eine Gruppe „besorgter Bürger“ am Dienstagabend nach Abschluss der Demonstrationen auch an anderen Stellen der Innenstadt zumindest verbal aggressiv aufgetreten sei. Und: Es war auch nicht das erste Mal, dass „besorgte Bürger“ im Nachgang zu den Kundgebungen am Brauner-Platz aufgelaufen ist. Die Polizei sei jeweils nicht mehr vor Ort gewesen, berichteten Vertreter des „Bündnis Herne“, werfen der Polizei dies aber nicht vor.

    Polizei will Präsenz verstärken

    „Auch wir lernen immer noch dazu“, sagt Polizeisprecher Frank Lemanis zur WAZ. Sie würden künftig nach dem Ende der Demonstrationen länger auf dem Robert-Brauner-Platz und in der Innenstadt präsent sein. An die Gegendemonstranten richtet er den Appell, die Ruhe zu bewahren, damit es in Zukunft nicht zu weiteren Eskalation kommt.

    Hooligans und Rechtsextreme

    Die sogenannten „besorgten Bürger“ aus Herne waren am Sonntag auch Thema im TV-Magazin „Westpol“ des WDR. Der Bericht „Wie sich Hooligans und Rechtsextreme vernetzen“ handelte von der Szene der selbsternannten rechten Bürgerwehren. Für den Beitrag wurde auch in Herne gedreht.

    Das NRW-Innenministerium sieht bei der Herner Gruppierung ganz klare Verbindungen zur rechten Szene: „Rund ein Drittel der rund 30 Personen umfassenden Kerngruppe besitzt rechtsextremistische Bezüge“, heißt es einem schriftlichen Bericht.

    „Das war eine sehr bedrohliche Situation. Wir sind massiv angegangen worden“, berichtet am Mittwoch ein Mitglied des „Bündnis Herne“, das seinen Namen aus Angst vor Repressionen nicht öffentlich machen will. Die Stimmung sei auf Seiten der „besorgten Bürger“ sehr aufgeheizt gewesen: „Die waren auf Randale aus.“ Die Gruppe sei auch nicht zufällig am Robert-Brauner-Platz vorbeigekommen, sondern habe zuvor zwei „Späher“ geschickt.