Bochum/Herne. Mit einem Voodoo-Ritual wurden Nigerianerinnen nach Herne gelockt und in die Prostitution gezwungen. Nun wurden die Hauptangeklagten verurteilt.
Der Trick war so perfide wie wirkungsvoll: Mithilfe eines einschüchternden Voodoo-Rituals lockte eine Gruppe von Menschenhändlern zumeist minderjährige Mädchen aus Nigeria ins Ruhrgebiet und vermittelte sie unter anderem als Prostituierte in zwei Herner Rotlicht-Clubs.
Nach einer akribisch durchgeführten Beweisaufnahme über 21 Monate fielen am Freitag am 84. Verhandlungstag die Urteile im „Voodoo-Prozess“.
Die 5. Strafkammer am Bochumer Landgericht verhängte gegen den Hauptangeklagten (34) insgesamt acht Jahre und drei Monate Haft. Seine Frau (35) wurde zu vier Jahren Haft und der ebenfalls angeklagte Bruder (28) zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Das Trio hatte bis zu seiner Festnahme im Juni 2017 eine Wohnung an der Kastanienallee in Wanne-Eickel bewohnt und dort zuletzt auch zahlreiche Prostituierte beherbergt. Zwei weitere Angeklagte (er 27, sie 34) kassierten vier Jahre beziehungsweise drei Jahre und neun Monate Haft.
Nur ein Angeklagter kommt mit einer Bewährungsstrafe davon
Nur ein Angeklagter (42), der als einziger auch bereits schon von Anfang auf freiem Fuß geblieben war, kam am Ende mit einer Bewährungshaftstrafe von 15 Monaten davon. Anders als bei den fünf anderen Verurteilten lautete das Urteil in seinem Fall auch „nur“ auf Betrug und nicht auf bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern, schweren Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, Zuhälterei und Zwangsprostitution.
Richterin Isabel Hoffmann zeichnete in der Urteilsbegründung die Rollenverteilung der drei Hauptangeklagten aus Herne noch einmal genau nach. Der 34-jährige Mann habe sich vorwiegend um die Einschleusung, das Organisieren von falschen Ausweisen, die Vermittlung in Rotlicht-Clubs und um das Abkassieren von Geldern zur Begleichung der 25.000 Euro Schleuserkosten gekümmert. Bei Vorstellungsgesprächen der sexuell teils noch völlig unerfahrenen Frauen in verschiedenen Rotlicht-Clubs habe er zumeist über ein aktives Handy mitgehört, um im Falle des Falles sofort eingreifen zu können.
Richterin: „Sie haben sich die jungen Frauen gefügig gemacht“
Seine Frau habe die Mädchen zuvor auf die Tätigkeit als Prostituierte vorbereitet, habe für sie gekocht, ihnen Arbeitskleidung besorgt und sogar beigebracht, auf hochhackigen Schuhen zu Laufen. Der Bruder des Hauptangeklagten sei bei Abwesenheit in dessen Rolle geschlüpft. Das Verhalten des Herner Ehepaars den Frauen gegenüber bezeichnete die Richterin als „ambivalent“. Zum einen seien sie „freundlich und zugewandt“, zum anderen bedrohlich, aufbrausend und unterdrückend gewesen. „Sie haben sich die jungen Frauen gefügig gemacht“, sagte Richterin Isabel Hoffmann.
Der Juju-Schwur
Den sogenannten Juju-Schwur – ein Voodoo-Ritual mit Tierblut, Haaren und abgeschnittenen Fingernägeln – sollen die ausreisewilligen Frauen aus ärmlichen Verhältnissen bereits in Nigeria vor einem Voodoo-Priester abgelegt haben.
Dabei mussten sie geloben, nach der illegalen Schleusung über das Mittelmeer nach Europa sich allen Anweisungen klaglos zu fügen, niemals wegzulaufen und so lange einer Arbeit nachzugehen, bis ihre 25.000 Euro Schleusungsgeld abbezahlt sind.
Ansonsten, so sah der „Juju-Schwur“ es vor, würden Herzkrankheiten und großes Pech über sie und ihre Familien hereinbrechen.
Die Arbeit in den Bordellen habe den „praktisch in einer Parallelwelt ohne soziale Kontakte lebenden“ Nigerianerinnen auch keinesfalls „Spaß gemacht“, wie es der Hauptangeklagte behauptet hatte. Im Gegenteil: Im Prozessverlauf habe man sich bei den teils über mehrere Verhandlungstage andauernden Zeugenvernehmungen eindrucksvoll überzeugen können, dass es die Frauen angewidert und ihnen körperlich und psychisch schwer zu schaffen gemacht habe. „Das Leid der Frauen wurde von dem Angeklagten verharmlost“, hieß es im Urteil.
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Mehrmals habe der 34-Jährige den Frauen, die zuvor von Freiern geschwängert worden waren, später sogar Abtreibungspillen gegeben – alleine mit dem Ziel, dass sie nur dann weiter als Prostituierte arbeiten und er sie nur dann auch weiter finanziell ausbeuten könne. „Gewalt hatte der Angeklagte nicht nötig“, so Richterin Hoffmann. „Seine Waffe waren seine Worte, mit denen er seine Überlegenheit demonstrierte.“