Herne. Die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth hat in ihrer Festrede zum 100. Geburtstag der VHS Herne über Bildung und Demokratie nachgedacht.

Rita Süssmuth hatte das Haus am Grünen Ring kaum betreten, da bekam sie schon ein Messer in die Hand gedrückt. „100 Jahre Wissen teilen“ stand auf der Riesentorte, die für die Fotografen angeschnitten werden sollte, bevor die Herner Volkshochschule am Freitag im Saal ihren Festakt zum 100. Geburtstag startete. Rita Süssmuth, ehemalige Bundestagspräsidentin, Ex-Ministerin und 27 Jahre lang Präsidentin des deutschen Volkshochschulverbandes, war dazu als Festrednerin eingeladen.

Beide Volkshochschulen entstanden 1919

Heike Bandholz, Michelle Müntefering und Andrea Oehler (v.l.) enthüllten das neue Logo der Volkshochschule vor dem Haus am Grünen Ring.
Heike Bandholz, Michelle Müntefering und Andrea Oehler (v.l.) enthüllten das neue Logo der Volkshochschule vor dem Haus am Grünen Ring. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

1919 war im Oktober erst die Volkshochschule für Wanne, Eickel und Röhlinghausen gegründet worden und wenige Wochen später die in Herne. „Deutlich früher als anderswo“, unterstrich Heike Bandholz in ihrer Begrüßung. Hernes zwei Volkshochschulen waren unter den ersten im Land. Die VHS–Leiterin bezeichnete sie als Lernorte der Demokratie, Offenheit und Toleranz - Stichworte, die sich durch den Abend ziehen sollten.

Rita Süssmuth, inzwischen 82 Jahre alt, griff in freier Rede einige Errungenschaften der Volkshochschulen auf, deren Gründung mit den Anfängen der Demokratie zusammenfiel. Diese hätten auch den Frauen Zugang zu Bildung erlaubt, sagte die ehemalige Familien- und Frauenministerin. In den Volkshochschulen hätten auch die angeblich „nicht Bildbaren“ eine Chance: Flüchtlinge, Jugendliche ohne Schulabschluss, sekundäre Analphabeten. Die VHS werde als Ort zu erlebt, der das Gefühl vermittle: „Hier gehöre ich dazu. Hier kann ich lernen und mich weiter entwickeln.“ Statt Ich-Bezogenheit werde Zusammenhalt gefördert, so Süssmuth, die auch eine angemessene finanzielle Ausstattung forderte. Ihr Fazit: „Wir sind bildbar. Es ist mühevoll, aber wenn man es geschafft hat eine glücklich machende Erfahrung.“

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450 Hörerkarten waren in Herne 1919 ausgegeben worden. Im vergangenen Jahr zählte die VHS Herne 18.000 Teilnehmer in 1300 Kursen. Die Mischung aus „bewährten Kursen und einem topaktuellen Angebot“ mache die Volkshochschule aus, sagte Andrea Oehler als Bürgermeisterin in Vertretung des noch in China weilenden Oberbürgermeisters Frank Dudda.

Volkshochschulen als „Töchter der Demokratie“

Blick in den Saal im Haus am Grünen Ring: Dieses wurde 1965 für die VHS Wanne gebaut.
Blick in den Saal im Haus am Grünen Ring: Dieses wurde 1965 für die VHS Wanne gebaut. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Auch die Herner Bundestagsabgeordnete und Staatsministerin Michelle Müntefering machte sich stark für die Volkshochschulen als „Töchter der Demokratie“. Sie seien in die Weimarer Verfassung als integraler Bestandteil des Bildungssystems aufgenommen worden. „Mehr Menschen sollten Zugang zu Bildung finden“, über Schichten hinweg „die Welt entdecken, entziffern und sich zu ihr in Beziehung setzen“. Aufstieg und Macht durch Bildung und das Recht auf lebenslanges Lernen nannte auch sie. „Wissen zu teilen angesichts der Umbrüche in der Welt ist wichtig“, sagte sie. Auch die Medienkompetenz sei zu stärken in Zeiten des Internets, um Grenzen setzen zu können. Ihr Appell: „Es reicht nicht, wenn man Bescheid weiß, man muss auch was tun.“

Der Film zum VHS-Jubiläum

Den Film zum Jubiläum hat Roland Schönig gedreht, der am Freitag auch geehrt wurde. Bei ihm kommen vor allem die Dozenten und Teilnehmer zu Wort.

„100 Jahre Wissen teilen“ lief bereits am Freitag zur Feier, wird aber noch zweimal in der VHS gezeigt.

Die Termine: Montag, 23. September, 19-21 Uhr, Haus am Grünen Ring, Wilhelmstraße 37, und Mittwoch, 25. September, 19-21 Uhr, Kulturzentrum, Willi-Pohlmann-Platz 1. Der Eintritt ist frei.

Schon während der Feierstunde begann die „lange Nacht der Volkshochschule“ mit Häppchen aus dem Kursangebot. Denn nicht nur „Geladene“ waren da, sondern auch viele Freunde und Wegbegleiter, die Tai Chi kennenlernen, den Malerinnen der Sommerakademie zuschauen oder die Produkte aus Näh- und Filzkursen bewundern konnten. In den Vitrinen erinnerten Dokumente und Fundstücke an alte Zeiten, auch an den Wänden gab es einiges zu betrachten. Und während im Saal noch verdiente Dozenten und Teilnehmer geehrt wurden, bedienten sich die ersten Besucher schon am Büfett mit seinen Spießen und Bällchen - und der Torte, die Rita Süssmuth angeschnitten hatte.

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